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Prozess um Pfarrer U.Ex-Kirchenrichter bestreitet Mitverantwortung in Missbrauchsfall

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Günter Assenmacher, frühere Kirchenrichter des Erzbistums Köln, hat als Zeuge im Gummersbacher Missbrauchsprozess ausgesagt.

Köln – Missbrauch erkennen, zwischen persönlicher Nähe und notwendiger Distanz unterscheiden, keine Grenzüberschreitungen zulassen – all das wird seit dem Jahr 2010 in Präventionskursen des Erzbistums Köln gelehrt. Alle Priester, Angestellte und ehrenamtliche Helfer, die etwa eine Jugendfreizeit betreuen, müssen daran teilnehmen und fünf Jahre später ein Auffrischungsseminar besuchen. Auch Pfarrer Bernhard U. unterzog sich am 30. August 2010 einem solchen Lehrgang; von einer weiteren Fortbildung des wegen Missbrauchs angeklagten Geistlichen ist nichts bekannt.

Interventionsbeauftragter brachte Fall ins Rollen

„Das hätte die zuständige Abteilung kontrollieren müssen“, erklärte am Donnerstag Oliver Vogt, von 2015 bis 2019 Leiter der Interventionsstelle des Erzbistums und zuvor dort für Präventionsfragen zuständig. Der 51-Jährige sagte als Zeuge im Prozess gegen den Pfarrer vor dem Landgericht Köln aus. Pfarrer U. (70) soll sich laut Anklage von Sommer 1993 bis November 1999 an seinen drei zwischen sieben und 13 Jahre alten Nichten sexuell vergangen haben. Zudem soll er im Januar 2011 ein damals elfjähriges Mädchen missbraucht haben.

Warum die Personalabteilung nicht nachhakte und U. auf den fehlenden Lehrgang hinwies, mag mit einem „Sammelsurium an Akten“ im Generalvikariat zu tun haben, das Vogt bei seinem Amtsantritt als Interventionsbeauftragter vorfand: Es gab Personalakten, Sonderakten, Geheimakten, Akten beim Generalvikar, Akten im Offizialat, Akten beim Erzbischof, mal als Loseblatt-Sammlung, mal in der Hängeregistratur, mal im „Giftschrank“. Ein solches Möbelstück stand im Dienstzimmer des Generalvikars, der als einziger den Schlüssel zum Geheimarchiv hatte. Manchmal waren in die Ablage Grußpostkarten aus dem Urlaub archiviert worden, manchmal auch Krankmeldungen. In Sonderakten wurden Verstöße gegen das Zölibat notiert, Alkoholexzesse, Fälle von sexuellem Missbrauch. Der verstorbene Erzbischof Joachim Kardinal Meisner führte privat eine solche Sammlung unter der Bezeichnung „Brüder im Nebel“.

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Vogt sortierte also neu, stellte dabei fest, dass bis zum Jahr 2010 Akten vernichtet worden waren, es aber keine Zusammenfassung über den Inhalt der entsorgten Schriftstücke gab. Ende 2018/Anfang 2019 stieß der Interventionsbeauftragte bei seiner Recherche auf den Fall U. Der Priester war 2010 durch eine anonyme Anzeige an das Generalvikariat in den Fokus geraten. Er soll in den 90er Jahren in Gummersbach seine drei Nichten missbraucht haben. Das hätte damals „nach oben gemeldet werden müssen“, sagte der Zeuge. „Oben“ heißt: die Glaubenskongregation im Vatikan. Doch die Anzeige unterblieb.

Warum zeigte Assenmacher den Verdacht nicht in Rom an?

Warum, versuchte Prälat Günter Assenmacher, bis 2020 26 Jahre lang als Offizial oberster Kirchenrichter des Erzbistums, der Strafkammer zu erläutern. Der Geistliche ziselierte seine Sätze, wiewohl im volkstümlichen Singsang des Rheinländers, in der höflich distanzierten Sprache von Klerikern, an denen die Erneuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils abprallen. „Wir standen vor der Aporie“, leitete Assenmacher eine Ausführung ein, in der er darlegen wollte, warum er 2010 den Verdacht gegen U. nicht in Rom angezeigt habe. Aporie meint, dass es in einer Situation unmöglich ist, eine bestimmte Entscheidung zu fällen. Assenmachers Aporie: Einerseits lag die Anzeige gegen den Pfarrer vor, andererseits wurde sie – vielleicht auf Druck der Familie – wieder zurückgenommen. „Unser Problem: Wir hatten niemanden, der aussagt“. Der Beschuldigte habe die Vorwürfe der Nichte zurückgewiesen und erklärt, man habe es hier mit einer psychisch Kranken zu tun. Zudem, so der Kirchenjurist weiter, müsse „die Autonomie einer Familie respektiert werden, Dinge untereinander zu regeln“. Außerdem habe er sowieso nicht verstehen können, warum die Mutter ihre Mädchen immer wieder zum Onkel gefahren habe, sie hätte doch Anzeichen von Missbrauch erkennen müssen.

Nur zaghafter Widerspruch der Justiziarin des Bistums

Der Prälat erhielt damals zaghaften Widerspruch von der Justiziarin des Bistums, die ihm schrieb, nach kanonischem (Kirchen)Recht sei eine „accusa“ (Anschuldigung) nicht völlig abwegig, der Offizial hätte also eine Voruntersuchung einleiten können. Tat er aber nicht. Begründung: „Die anderen haben schließlich auch ihre Verantwortung“, er sei nur ein hilfsbereiter Berater gewesen.Am 4. April 2019 wurde Pfarrer U. von einer Kommission des Bistums zu den Vorwürfen gehört, wieder bestritt er. Tags darauf machte Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki die Sache öffentlich. Im Prozess jetzt kommen mehr als die angeklagten Fälle ans Licht, „da läuft es einem manchmal eiskalt den Buckel runter“, so Kammervorsitzender Christoph Kaufmann. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit sagte gestern eine weitere Opferzeugin aus.