Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Kritik an Schutzhunde-AusbildungDürfen Polizeihunde gewürgt werden?

Lesezeit 3 Minuten
Polizeihund

Tausende Polizeihunde gibt es in Deutschland – viele von ihnen müssen Stachelhalsbänder tragen.

Berlin – Mehrere Tausend Vierbeiner leisten in Deutschland ihren Dienst für den Staat. Manche schnüffeln als Spürhunde nach Drogen, Bomben oder Leichen, andere stürmen mutmaßlichen Straftätern hinterher oder schützen als Schutzhund ihre zweibeinigen Kollegen bei Demonstrationen.

In Ausbildung und Einsatz speziell der Schutzhunde war es bislang in einigen Bundesländern üblich, den Tieren in gewissen Einsatzlagen kurzfristig die Luft abzuschnüren – etwa durch Zug an einem Stachelhalsband. Diese sind mit einer kürzlich in Kraft getretenen Reform der sogenannten Tierschutz-Hundeverordnung aber explizit verboten worden. Dem Inkrafttreten waren lange politische Beratungen vorangegangen. Aber offenbar dachte dabei niemand an die Polizeihunde.

Ausbildungsmethoden sind teilweise nicht mehr rechtens

Zuständige Ministerien und Behörden wurden nicht gefragt. Und so kam es, dass erst um den Jahreswechsel auffiel, dass die Änderung bislang mancherorts weitgehend übliche Trainings- und Einsatzmethoden für Polizeihunde verbietet. Der Einsatz der Schutzhunde sei damit nicht mehr möglich, schlussfolgerte beispielsweise der Stadtstaat Berlin und schickte die Tiere in eine Einsatzpause.

Das Land Niedersachsen will nun nacharbeiten lassen und hat einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat eingebracht, der eine Ausnahme ins Tierschutzgesetz integrieren soll. Hunde im Dienst des Bundes oder der Bundesländer sollen demnach weiterhin einen „kurzfristigen Reiz“ erhalten dürfen. Sprich: gewürgt werden.

Was, wenn der Hund nicht locker lässt?

In der Begründung dazu verweist Niedersachsen auf die Praxis im Polizeialltag: Hat der Diensthund erst mal einen Straftäter geschnappt, kann es dazu kommen, dass der Hund den Biss nicht löst. „Nur durch einen gezielten, kurzfristigen Impuls – etwa mittels eines Halsbandes mit nach innen gerichteten abgerundeten Stacheln – als letztes Mittel“ könne dann dem Tier das Signal gegeben werden, vom Straftäter abzulassen.

Der entsprechende Würgegriff sei zwar „ultima ratio“, aber eben auch „unverzichtbar“ in Einsatz und Ausbildung der Hunde, heißt es. Unter den Bundesländern und Bundesbehörden mit Diensthunden gibt es nun solche, die diese Auffassung teilen, und solche, die es ganz anders sehen.

Stachelhalsband in NRW schon seit Jahren tabu

Ulrich Mäurer, Innensenator in Bremen, teilte beispielsweise mit: „Es ist Zeit, das System der Ausbildung von Polizeihunden grundlegend zu überarbeiten.“ Aus Nordrhein-Westfalen hieß es auf Anfrage unserer Redaktion: „Die Polizei NRW verzichtet bei der zentralen Fortbildung bereits seit mehreren Jahren erfolgreich auf den Einsatz von Stachelhalsbändern.“ Man werde den Antrag aus Niedersachsen wohl ablehnen.

Ob die beantragte Ausnahme im Bundesrat eine Mehrheit findet, ist unklar. Keine Zustimmung findet er jedenfalls beim Bundesagrarministerium, das in Deutschland für Tierschutzfragen zuständig ist. Nach Informationen unserer Redaktion hat es den Ländern mitgeteilt, dass der Antrag aus Tierschutzsicht abzulehnen sei. Den Diensthunden würden ansonsten erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden dürfen. Das sei verboten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Kritik vom Tierschutzbund

Kritik kommt auch vom Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder. Er ruft die Bundesländer auf, sich bei Einsatz und Ausbildung von Polizeihunden an geltendes Recht zu halten. Unserer Redaktion sagte Schröder: „Es war und ist verboten, Hunden Schmerzen zuzufügen oder sie zu würgen. Das galt und gilt auch für Polizeihunde.“

Schröder forderte die Bundesländer auf, im Bundesrat entsprechend abzustimmen. „Es ist unglaublich, dass Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius verbotene Tierquälerei ausgerechnet bei der Polizei legitimieren will. Wer diesem Antrag zustimmt, duldet Tierqual“, sagte Schröder. Die Ausbildung mit einem Stachelhalsband sei überholt. Das zeigten tiergerechtere Ausbildungsmethoden in anderen Bundesländern.