Im Griff von Banden?Wie die Niederlande mit der organisierten Kriminalität kämpfen

Hier wurde im Juli der TV-Journalist Peter de Vries niedergeschossen.
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Amsterdam – Der Ministerpräsident in Gefahr, gesprengte Bankautomaten und immer wieder die Drogenmafia: In den Niederlanden überschlagen sich die Ereignisse und zeigen: Das Land hat ein massives Problem mit organisierter Kriminalität.
Ein lokaler niederländischer Politiker ist wegen mutmaßlicher Bedrohung des Ministerpräsidenten der Niederlande, Mark Rutte, für kurze Zeit festgenommen worden. Der Abgeordnete des Stadtparlaments von Den Haag war wegen „verdächtigen Verhaltens“ festgenommen worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der niederländischen Agentur ANP. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt den Politiker, weil er versucht habe, „sich Informationen zu verschaffen, um ein ernsthaftes Verbrechen vorzubereiten“. Er wurde wieder freigelassen, stehe aber weiter unter Verdacht. Was er genau getan haben soll, ist nicht bekannt. Der Mann fiel früher mit rechtspopulistischen Äußerungen auf. Später konvertierte er zum Islam und gehört nun einer Islam-Partei in Den Haag an.
Mark Rutte durch Drogenmafia in Gefahr?
Wie „Bild“ berichtete, seien verdächtige Menschen mit Verbindung zur Drogenmafia in der Nähe von Mark Rutte gesehen worden. Zuvor war der Personenschutz des Ministerpräsidenten bereits verstärkt worden. Die Justizbehörden begründeten das mit Hinweisen auf eine Bedrohung durch das organisierte Verbrechen.
Ruttes Regierung hatte im Sommer dieses Jahres ein hartes Vorgehen gegen das organisierte Verbrechen angekündigt. Der Hintergrund war der Mordanschlag auf den niederländischen Investigativ-Journalisten und Kriminalreporter Peter R. de Vries gewesen. De Vries war im Juli nach dem Verlassen eines TV-Studios mitten in Amsterdam niedergeschossen worden und wurde lebensgefährlich verletzt ins Krankenhaus gebracht. Drei Verdächtige waren noch in der Nacht festgenommen worden. De Vries erlag neun Tage nach dem Anschlag seinen Verletzungen. Die Amsterdamer Zeitung „De Telegraaf“ kommentiert den Mord mit deutlichen Worten: „Kämpfen bis zum bitteren Ende. So beherzt wie Peter R. de Vries, müssen auch die Niederlande gegen die skrupellosen Verbrecher vorgehen, die Angst und Terror säen. (...) Die Niederlande beugen sich einer Schreckensherrschaft durch Drogenkriminelle, die mit extremer Gewalt die Gesellschaft mitten ins Herz treffen.“
Automatensprengungen als großes Problem
Doch mit diesen Anschlägen oder geplanten Anschlägen hört es noch nicht auf. Immer wieder machen Sprengungen von Geldautomaten Schlagzeilen. Nach einem Millionenschaden durch bundesweit 15 Geldautomatensprengungen haben Behörden aus Deutschland und den Niederlanden 23 mutmaßliche Täter ermittelt. Neun Beschuldigte sitzen in Untersuchungshaft, wie die Polizeidirektion Osnabrück mitteilte. Die Geldautomaten wurden demnach allesamt im vergangenen Jahr gesprengt, Betroffen waren Automaten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Bayern. Bei Durchsuchungen in den Niederlanden wurden drei Tatverdächtige festgenommen. Den Angaben zufolge wurden im vergangenen Jahr 414 Geldautomatensprengungen in Deutschland begangen – 19 Prozent mehr als noch 2019. Ein Großteil der Tatverdächtigen stamme aus den Niederlanden.
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„Mit diesem Schlag ist es der Polizei unter Federführung einer Ermittlungsgruppe der Polizeidirektion Osnabrück in enger Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen in den Niederlanden und bei Europol gelungen, erstmals auch an die logistische und organisatorische Ebene dieser besonderen Form der Kriminalität heranzukommen“, sagt der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) dazu.
Der stellvertretende Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in NRW, Oliver Huth, sagte in einem Interview mit Focus Online: „Das organisierte Verbrechen hat sich wie ein Krake ausgebreitet, aber das hat keinen interessiert.“ Der Mord an Peter de Vries sei auf die „überbordende Drogen-Kriminalität in den Niederlanden, die sich bis nach Deutschland erstreckt“ zurückzuführen, so Huth.
Gerade in Utrecht würden Wohngebiete existieren, so Huth, die Maroccaine Island genannt werden. Von dort aus würden die Geldsprenger-Banden regelmäßig ihre Diebes-Touren ins nahegelegene NRW starten. In den dortigen Vierteln sei in Sachen Integration in der Vergangenheit viel zu wenig geschehen. Und auch der Polizeiapparat sei sukzessive kaputtgespart worden. Das Ergebnis dieser Missstände offenbare sich jetzt, erklärt Huth. „Wenn Personen des öffentlichen Lebens sich nicht mehr sicher fühlen können, dann schlägt es eigentlich zehn nach zwölf.“ (mit dpa)