- Die jüngsten Meldungen zur Impfstoffentwicklung machen Hoffnung im Kampf gegen das Corona-Virus.
- Doch sind sie schon der Durchbruch? Und wer kommt eigentlich zuerst dran, wenn ein Impfstoff tatsächlich verfügbar sein wird?
- Wir klären die wichtigsten Fragen.
Berlin – Selten zuvor hat die Menschheit so sehr auf die Entwicklung eines medizinischen Wirkstoffs gehofft wie auf einen Impfstoff gegen das Corona-Virus. Doch was ist, wenn die ersten Dosen tatsächlich verfügbar sein werden, aber nicht für alle reichen? Eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe hat dazu dem Gesetzgeber Vorschläge für Richtlinien gemacht. Angesichts jüngster Erfolge in der Impfstoffforschung könnten diese bald umgesetzt werden. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wann wird ein Impfstoff verfügbar sein?
Ein genauer Zeitpunkt lässt sich nicht vorhersagen. Noch im November wollen die deutsche Firma Biontech und ihr Partner, der amerikanische Pharmakonzern Pfizer, eine Zulassung in den USA beantragen. Parallel läuft ein Verfahren für die EU. Wann die Verfahren abgeschlossen sind, ist aber offen. Experten sind zuversichtlich, dass dies im ersten Quartal des kommenden Jahres der Fall sein könnte.
Warum wird der Impfstoff voraussichtlich nicht gleich für alle reichen?
Einige Firmen, darunter auch Biontech, gehen bereits vor der Zulassung in die Produktion. Dennoch können diese Mengen den Bedarf am Anfang bei weitem nicht abdecken. In einem Thesenpapier geht Matthias Schrappe, Internist an der Uni Köln, davon aus, dass es rund tausend Arbeitstage – also vier Jahre – dauern würde, rund 60 Millionen Menschen in Deutschland zu impfen. Und das auch nur, wenn pro Tag 60.000 Impfungen verabreicht werden können. Deshalb müssen die Tageskapazitäten gesteigert werden.Um früh mit dem begehrten Mittel versorgt zu sein, schließen die EU und auch andere Länder schon jetzt Lieferverträge mit Pharmakonzernen. Von der EU-Kommission unterzeichnet sind bisher Rahmenverträge mit den Pharmafirmen Johnson&Johnson, Astrazeneca und Sanofi-GSK. Mit Biontech/Pfizer werde über einen solchen Vertrag derzeit noch verhandelt, sagte ein Kommissionssprecher am Montagmittag.
Wer soll zuerst geimpft werden?
Der Deutsche Ethikrat, die Ständige Impfkommission und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina haben in einem Positionspapier aufgeschrieben, welche Bevölkerungsgruppen aus ihrer Sicht bevorzugt mit einem Impfstoff versorgt werden sollten. Die Wissenschaftler sehen Hochrisikogruppen in der ersten Reihe. Es geht um Menschen, die wegen ihres Alters oder anderer Erkrankungen „ein signifikant erhöhtes Risiko“ haben, wegen eines schweren Verlaufs von Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert zu werden oder gar zu sterben. Außerdem sollen Personen zuerst geimpft werden, die zum Beispiel in Altenheimen leben und damit auf besonders engem Raum mit anderen Menschen. Parallel dazu sollen Mitarbeiter des Gesundheitswesens bevorzugt geimpft werden. Es handelt sich um solche, „die den an Covid-19 Erkrankten beistehen“ und dadurch selbst ein höheres Infektionsrisiko haben.
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Umgekehrt könnten Ärzte oder Pflegekräfte das Virus in Kliniken und Pflegeheime hineintragen und dort die Patienten anstecken. Auch deshalb wäre eine Impfung wichtig, argumentieren die Forscher. Eine weitere Gruppe sind Menschen, die mit ihrer beruflichen Tätigkeit das öffentliche Leben am Laufen halten. Genannt wurden etwa Polizei- und Sicherheitsbehörden, die Feuerwehr, sowie Lehrerinnen und Lehrer. Eine genaue Aufstellung will die Stiko bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffs nachliefern. Die Auswahl dieser Gruppen erfolgte auf Grundlage medizinischer, ethischer und rechtlicher Prinzipien. Hierbei gilt zunächst die Selbstbestimmung, weshalb es eine allgemeine Impfpflicht nicht geben soll. Eine Unterscheidung zwischen Privat- und Kassenpatienten soll es nicht geben.
Stießen die Vorschläge auf Anklang in der Bundesregierung?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) begrüßten die Vorschläge. Sie teilten zudem die Einschätzung der Experten, dass es einer gesetzlichen Grundlage für diese in der Geschichte der Bundesrepublik bislang einmalige Priorisierung einzelner Gruppen im Gesundheitsschutz bedarf.
Kann man sich in jeder Hausarztpraxis impfen lassen?
Nein. Weil die Impfstoffe wahrscheinlich sehr spezielle Anforderungen an gekühlte Transporte und die Lagerung stellen, braucht es besondere Voraussetzungen. Zudem wollen die Behörden sicherstellen, dass das knappe Gut entsprechend der Vorgaben verteilt wird. Anfang November haben sich Bund und Länder darauf geeinigt, dass der Bund die Impfstoffe beschafft und finanziert. Die Länder kümmern sich um das notwendige Zubehör und richten daher eigenverantwortlich Impfzentren ein. Insgesamt wird derzeit von bis zu 60 Standorten ausgegangen. Der Impfstoff wird – sobald es ihn gibt – entweder durch die Bundeswehr oder durch die Firmen selbst zu diesen Standorten geliefert und dort verabreicht. Es soll auch mobile Impftrupps geben, die etwa zu den Pflegeheimen kommen, um die mitunter nicht transportfähigen Menschen dort zu impfen.
Bedeutet das positive Zwischenergebnis der Firma Biontech schon den Durchbruch?
Wie Biontech mitteilte, bietet der Impfstoff einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19. Aber: Schnelligkeit dürfe nicht auf Kosten der Gründlichkeit gehen, heißt es beim deutschen Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das Arzneimittel national zulässt. Denn Impfungen können Nebenwirkungen haben oder Schäden verursachen, wenn sie nicht aufwendig getestet und bewertet sind. Daher werden die Zwischenergebnisse nun eingängig geprüft, die Sicherheitsstandards sind trotz des öffentlichen Drucks ebenso hoch wie bei anderen Impfstoffzulassungen. Eine unbeantwortete Frage ist, ob Menschen nach einer Impfung das Virus weitertragen können.
Ist mit einem Impfstoff die Pandemie bewältigt?
Aus Sicht von Experten ist die Verfügbarkeit eines Impfstoffs zwar ein wesentlicher Schritt. Mit einer ganz schnellen Rückkehr zum Leben wie vor Corona ist aber nicht zu rechnen: Vor allem in der Anfangszeit nach der Zulassung werden die Impfquoten eher niedrig sein, so dass Maßnahmen wie Hygiene und Kontaktbeschränkungen noch eine Weile an der Tagesordnung sein dürften.