Bahnen, Busse, Schiffe und womöglich erneut Flugzeuge - die Gewerkschaften lassen ihre Muskeln spielen. Zum Beginn der nächsten Woche könnte der Verkehr in weiten Teilen Deutschlands lahm liegen.
Arbeitskampf von Verdi und EVGBus, Bahn, Schiff – kommt am Montag der Superstreiktag im Verkehr?
Pünktlich zum Start der nächsten Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst könnten die Warnstreiks im Verkehr in Deutschland einen neuen Höhepunkt erreichen.
Seit Tagen gibt es Mutmaßungen über einen großangelegten Warnstreik, der den öffentlichen Verkehr am kommenden Montag (27. März) weitgehend lahmlegen könnte. Die Gewerkschaft Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) wollen am Donnerstagmittag bei einer gemeinsamen Konferenz informieren.
Inwiefern Köln, Region und Nordrhein-Westfalen von neuen Streiks betroffen sein werden, ist noch unklar. Wie ist der Stand – was könnte auf die Fahrgäste zukommen?
Alles zum Thema Fridays for Future
- Nations League Frankreich empfängt Israel zum „Hochrisiko-Match“
- „Kidical Mass“ Fahrraddemos in Rhein-Sieg werben für mehr Sicherheit für Kinder im Straßenverkehr
- Klimastreik 100 Menschen demonstrierten in Lindlar
- Fridays for Future Tausende bei Demonstrationen für Klimaschutz
- Fridays for Future Tausende ziehen bei Klimastreik durch die Kölner Innenstadt
- Fridays for Future Große Klima-Demo in Köln – Verkehrsbehinderungen
- Umfrage Gut die Hälfte der Deutschen sorgt sich wegen Klimawandel
Was sagen die beteiligten Gewerkschaften?
Weder die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) noch die Gewerkschaft Verdi bestätigten bisher gemeinsame Warnstreikpläne. „Wenn wir das tun, werden wir Streiks rechtzeitig ankündigen“, hatte EVG-Vize Cosima Ingenschay der „Bild am Sonntag“ gesagt. An diesem Donnerstag nun gehen Verdi und EVG gemeinsam an die Öffentlichkeit - Thema: „die jeweiligen aktuellen Tarifverhandlungen“, wie sie ankündigten. Am selben Tag endet die erste Verhandlungsrunde im Bahnsektor zwischen der EVG und den Eisenbahn-Unternehmen.
Welche Bereiche könnten betroffen sein?
Der öffentliche Verkehr in großem Umfang. So ist im Bereich der EVG der Fernverkehr auf der Schiene betroffen. Und Verdi kann den öffentlichen Personennahverkehr in mehreren Ländern bestreiken - aber nicht nur.
Bereits Anfang März hatte die Gewerkschaft den öffentlichen Nahverkehr in sechs Bundesländern und einigen Städten weitgehend lahmgelegt - damals im Schulterschluss mit den Klimaaktivisten von Fridays for Future. Doch weil auch Kommunalbeschäftigte an Flughäfen im Ausstand waren, waren an mehreren Tagen auch jeweils Zehntausende Flugpassagiere betroffen. Und am Mittwoch war zudem der Hamburger Hafen streikbedingt für große Schiffe gesperrt worden.
Sind koordinierte Warnstreiks aus zwei Tarifrunden ungewöhnlich?
„Das ist eine ungewöhnliche Sache“, sagte der Tarifexperte Thorsten Schulten der Deutschen Presse-Agentur. Wenn zwei Gewerkschaften feststellten, dass sie parallel in ähnlichen Bereichen verhandeln, sei ein gemeinsames Vorgehen aber naheliegend.
Ein großer Warnstreik zum Start einer Verhandlungsrunde signalisiere den Arbeitgebern: „Wir meinen es ernst, und die Beschäftigten stehen hinter uns.“ Allerdings könnte ein möglicher gemeinsamer Streiktag „erst einmal eine punktuelle Aktion“ sein, wie der Forscher des Instituts WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sagt. Schließlich gebe es keine gemeinsame Planungsinstanz bei verschiedenen Gewerkschaften.
Wo stehen die Verhandlungen bei der Bahn?
Die EVG hatte Ende Februar die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und rund 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen begonnen. Ein erstes Angebot des bundeseigenen Konzerns hatte die Gewerkschaft vergangene Woche abgelehnt. Sie fordert mindestens 650 Euro mehr Lohn. Bei den höheren Entgelten strebt sie eine Steigerung um zwölf Prozent an bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Die Bahn hatte unter anderem angeboten, die Löhne der rund 180.000 betroffenen Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt 5 Prozent anzuheben sowie Einmalzahlungen von zusammen 2500 Euro in Aussicht gestellt.
Wie ist der Verhandlungsstand im öffentlichen Dienst?
Die Blicke richten sich nach Potsdam. In angespannter Lage beginnt hier am Montag die auf drei Tage angesetzte dritte Verhandlungsrunde für die 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen. Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die Arbeitgeber bieten bisher aber nur 5 Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro - für die Gewerkschaften „eine Zumutung“, wie sie sagen.
Wie eskalationsbereit zeigen sich die Gewerkschaften?
Verdi-Chef Frank Werneke scheint seine Gewerkschaft durch die vielen Aktionen der vergangenen Wochen geradezu beflügelt zu sehen - auch Kitas, Kliniken und viele andere Bereiche waren betroffen. „Der Frühling naht, und es kann sein, dass wir uns dann hier noch einmal wiedersehen müssen“, sagte er etwa in Köln auf einer von vielen Kundgebungen. Bereits zuvor hatte er Spekulationen über ein mögliches Scheitern angestellt.
dbb-Chef Ulrich Silberbach sagte am Mittwoch bei einer Kundgebung in Berlin: „Vor allem die Komplettverweigerung der Kommunen, einen Mindestbetrag auch nur in Erwägung zu ziehen, steht dabei jeder Annäherung im Weg.“ Wie der Tarifexperte Schulten erläutert, hat die Friedenspflicht bereits mit dem Auslaufen des bisherigen Tarifvertrags geendet. Rechtlich stehe Warnstreiks auch während der Verhandlungen nichts im Weg. Auch die EVG betonte zuletzt immer wieder ihre Bereitschaft zum Warnstreik als „letztes Mittel“.
Welche Szenarien gibt es?
Im öffentlichen Dienst kommen die hohe Inflation, die schwierige Personalgewinnung, aber auch die angespannte Haushaltslage vieler Kommunen zusammen - Tarifexperte Schulten sagt: „Es ist ein sehr zugespitzter Verteilungskonflikt“.
Er erinnert an den Ablauf bei der Post: Hier hatten sich die Verdi-Mitglieder bereits per Urabstimmung für einen unbefristeten Streik ausgesprochen. Doch dann folgte kurzerhand eine weitere Verhandlungsrunde - und eine Einigung. So etwas sei auch beim öffentlichen Dienst denkbar. Falls es in Potsdam kommende Woche keine Einigung gibt, würde aber wohl zuerst der Versuch einer Schlichtung unternommen, meint Schulten. (mab/dpa)