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BSW-Mitgründer packt in Brief ausWagenknecht lästert über Baerbock – und bekommt scharfen Gegenwind

Lesezeit 4 Minuten
Sahra Wagenknecht bei ihrer Rede in Bonn.

Sahra Wagenknecht bei ihrer Rede in Bonn.

Im Umfragetief begeht das BSW den Parteitag in Bonn. Die Spitze zeigt sich angriffslustig, in der Partei brodelt es, wie ein Brief zeigt.

Überschattet von schwachen Umfragewerten und parteiinternen Turbulenzen haben rund 600 Mitglieder des Bündnis Sahra Wagenknecht sich beim Parteitag am Sonntag in Bonn auf den Wahlkampf eingestimmt. Die Parteispitze um Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali setzte dabei auf scharfe Attacken, Kritik an den USA und forderte die Aufhebung von Sanktionen gegen Russland.

„Es ist nicht zu übersehen, die hassen uns, und das ist auch gut so“, sagte Mohamed Ali über die übrigen Parteien im Bundestag. Die Co-Parteichefin attackierte auch die Medien: „Natürlich versucht man, uns jetzt herunterzuschreiben, denn wir sind in der Tat eine echte Gefahr für den politischen Mainstream.“

Scharfe Töne beim BSW-Parteitag in Bonn: „Die hassen uns“

Parteikollegin Sevim Dagdelen forderte derweil den Abzug aller US-Truppen aus Deutschland. „Wir können uns die 37.000 US-Soldaten in Deutschland schlicht nicht mehr leisten“, sagte sie in Bonn. „Deshalb sagen wir auch: Ami go home.“ US-Atomwaffen sollten ebenfalls weg aus Deutschland.

Dagdelen wandte sich zudem erneut gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland und sprach von „Angriffswaffen“ der USA. „Wir wollen keinen Krieg gegen Russland von deutschem Boden, wir wollen Frieden mit Russland“, sagte Dagdelen unter sehr großem Applaus der anwesenden Mitglieder.

Sahra Wagenknecht mit 53 Minuten langem Rundumschlag

Parteigründerin Wagenknecht sprach schließlich 53 Minuten lang – und setzte ebenfalls zum Rundumschlag an, bezeichnete etwa Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) als „personifizierte Peinlichkeit“. Sie empörte sich über schlechte Bildung und Wohnungsnot und forderte eine andere Wirtschafts- und Energiepolitik. Den ersten großen Jubel im World Conference Center Bonn erntete Wagenknecht aber mit ihrer Fundamentalkritik an den Wirtschaftssanktionen gegen Russland.

„Die Sanktionen haben nichts mit Moral, sie haben nichts mit Menschenrechten, sie haben nichts mit Friedensliebe zu tun, sie sind schlicht ein Konjunkturprogramm für die US-Wirtschaft und ein Killerprogramm für deutsche und europäische Unternehmen“, behauptete die Parteichefin.

Wagenknecht attackiert AfD: „Aufrüsten für Donald“

Erneut kritisierte Wagenknecht die Corona-Politik und beklagte eine angeblich eingeschränkte Meinungsfreiheit. Für die Abschaffung von Faktenchecks bei Facebook lobte Wagenknecht Meta-Chef Mark Zuckerberg und attackierte gleichzeitig die von X- und Tesla-Chef Elon Musk unterstützte AfD.

„Vielleicht sollte die AfD sich statt Alternative für Deutschland ‚Aufrüsten für Donald‘ nennen“, meinte die BSW-Chefin mit Blick auf den künftigen US-Präsidenten Trump, der den Tech-Milliardär Musk als Sonderberater ernannt hat. „Mit Taurus-Merz, mit Umfaller-Olaf, mit den wilden Sofa-Kriegern von den Grünen und mit den neuen Rüstungsfanatikern von der AfD wäre der Frieden in Deutschland tatsächlich in großer Gefahr“, rief sie. „Auch deshalb braucht es ein starkes BSW im nächsten Bundestag“, so Wagenknecht.

BSW: Schlechte Umfragen und Vorwürfe gegen Wagenknecht

Überschattet wurde der BSW-Parteitag derweil von zuletzt schwachen Umfragewerten. Mit lediglich vier Prozent der Stimmen in den jüngsten Befragungen müsste das BSW um den Einzug in den Bundestag bangen. Man sei dennoch „sehr zuversichtlich“ versicherte Generalsekretär Christian Leye gegenüber dem TV-Sender phoenix am Sonntag jedoch.

Wirbel gibt es bei der Wagenknecht-Partei unterdessen in Hamburg. Nach Querelen um die Gründung des dortigen Landesverbandes zitierte nun der „Spiegel“ aus einem Brief, den ein BSW-Mitgründer an Parteichefin Wagenknecht geschrieben haben soll.

BSW-Mitgründer vs. Wagenknecht: „Wir brauchen keine Hetze“

Torsten Teichert, früherer Referent des SPD-Urgesteins Klaus von Dohnanyi und bereits im Juli 2024 aus dem BSW ausgetreten, rechnet demnach in dem Brief mit Wagenknecht ab und wirft ihr Selbstherrlichkeit vor, berichtete das Hamburger Nachrichtenmagazin.

Sie habe sich „verrannt“ heißt es demnach in dem Schreiben, das an Wagenknecht gerichtet ist. Das BSW mache „Stimmung gegen Asylbewerber und Immigranten“, bemängelt Teichert. Wagenknecht habe viele in der Partei „zunächst getäuscht – und dann enttäuscht“, lauten die Vorwürfe weiter. Der BSW-Mitgründer wirft Wagenknecht zudem eine „klammheimliche Sympathie für das AfD-Denken“ vor.

Kritik an Sahra Wagenknecht: „Du hast Dich verrannt in Deinem Zorn“

„Wir brauchen keinen neuen Führer-Kult. Wir brauchen keine undemokratischen Parteistrukturen. Wir brauchen keine Hetze gegen Ausländer, Asylbewerber und Migranten“, zitiert der „Spiegel“ weiter aus dem Brief. Das BSW müsse entweder „eine linke, progressive Partei“ sein oder „es werde nicht gebraucht“, lautet Teicherts Bilanz demnach.

„Du hast Dich verrannt in Deinem Zorn – und in Deiner Selbstgerechtigkeit. Nun hat sie Dich eingefangen. Macht und Öffentlichkeit sind ein süßes Gift. Dich hat es erwischt“, zitierte Spiegel-Journalist Timo Lehmann bei Xweiter aus dem Schreiben. Von Wagenknecht forderte Teichert demnach den Rücktritt als Parteivorsitzende.

Kritik aus Köln an Wagenknecht-Auftritt in Bonn

Auch an Wagenknechts Äußerungen in Bonn am Sonntag wurde unterdessen schnell Kritik laut. „Wenn ich Wagenknechts Ausführungen zu Energieimporten nach Deutschland richtig verstanden habe, bedeutet das übertragen auf andere Branchen, dass die Importe von Produkten aus Kinder- und Sklavenarbeit der niedrigen Preise wegen erhöht werden sollten“, schrieb der Kölner Politologe Thomas Jäger über die BSW-Forderungen zu einer Rückkehr zum Gas-Handel mit Russland.

Die parteiinternen Querelen beim BSW kommentierte Jäger ebenfalls. „Meinungsfreiheit für Deutschland fordern und in der eigenen Partei verbieten. Was für ein Zufall, dass dies keine Doppelmoral, sondern einfach nur strikte Kaderpolitik ist“, schrieb der Politikwissenschaftler bei X.

Wagenknecht selbst zeigte sich derweil am Sonntag zufrieden mit dem Verlauf des BSW-Parteitags. „Tolle Stimmung und starke Reden auf unserem Parteitag“, schrieb die Parteigründerin am Sonntag und teilte auf X ein Foto zusammen mit Generalsekretär Leye und ihrem Ehemann Oskar Lafontaine. (mit dpa)