TV-KritikDem „Prince“ fehlen Tiefe und Stichhaltigkeit
Vorgezogene Primetime, der Fußball-Klassiker im ARD-Vorabendprogramm: Doch war das Team im Ersten auch klassikertauglich? Genauer gesagt: Es waren drei Teams.
Im TV-Studio
Es mag bitter für die ARD sein. Aber wenn nebenan die ZDF-Studio-Crew auf der Zielgeraden der EM nicht noch einen eklatanten Leistungseinbruch erleidet, dann sind die Mainzelmännchen vom Lerchenberg schon jetzt deutlicher Punktsieger. Jochen Breyer, Christoph Kramer, Per Mertesacker und Co. vom ZDF haben deutliche Vorteile gegenüber dem ARD-Team mit Alexander Bommes, Almuth Schult, Kevin-Prince Boateng und Stefan Kuntz.
Gut, dass Boateng nun frühzeitig seinen Job beendet, weil er ins Training bei Hertha BSC einsteigen muss. Seine Analysen und Einschätzungen liefern schlichtweg nicht die Tiefe und Stichhaltigkeit. Dagegen ist Kramer eine Wohltat. Glücklicherweise machen die sympathisch und fachkundig auftretenden Kuntz und Schult dieses Defizit weitgehend wett.
Gerade die Torhüterin zeigte sich zum Klassiker bestens vorbereitet. Bei ihr hat man den Eindruck, dass sie sich von Tag zu Tag immer mehr in ihre Expertinnenrolle hineinbeißt und zunehmend Pluspunkte sammelt. Und Bommes? Wenn er doch endlich mal seine Selbstverliebtheit ablegen würde.
Am Wembley-Rasen
Hier müssen sich Jessy Wellmer und Bastian Schweinsteiger nicht vor der Konkurrenz verstecken. Vielleicht kommt sie manchmal einen Tick zu boulevardesk daher, aber „Schweini“ fängt das wunderbar auf. Gerade der Ex-Fußballer entwickelt sich immer mehr zu einem Experten mit Tiefgang – und vor allem mit dem passenden Draht zur deutschen Mannschaft.
In der Kommentatoren-Box
Fachlich auf der Höhe, ausgestattet mit dem richtigen Schuss Emotionalität – und mitunter hat er auch den Mut, mal einige Sekunden zu schweigen: Kommentator Florian Naß war am Dienstagabend absolut klassikertauglich. Dabei hatte der 53-Jährige keine Scheu, die gegenwärtige Zuschauer-Diskussion kritisch unter die Lupe zu nehmen.