Timo Horn im InterviewEs wäre schön, wenn die Fans Geduld mit uns haben
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Endlich wieder Bundesliga: Für Timo Horn und den 1. FC Köln steht am Wochenende der Saison-Auftakt gegen Wolfsburg an.
Im Interview verrät der 26-Jährige unter anderem, warum er sich aus den sozialen Netzwerken zurückgezogen hat.
Warum die Stimmung im Team gut ist und welche Ziele er sich persönlich für die kommende Saison gesteckt hat.
Das hat er unternommen, um in dieser Saison wieder seine beste Leistung abrufen zu können.
Köln – In der ersten Pokalrunde wurde Timo Horn zum Retter für den 1. FC Köln. Mit starken Leistungen möchte er auch in der Bundesliga aufwarten. Über das veränderte FC-Spiel, Beleidigungen in sozialen Netzwerken, die veränderte Stimmung und das Saisonziel unterhielt er sich mit Joachim Schmidt.
Herr Horn, beim Pokalspiel in Wiesbaden avancierten Sie mit drei gehaltenen Elfmetern zum Matchwinner . . .
Das Elfmeterschießen war Balsam für die Seele nach dem Spielverlauf. Natürlich hat mich Andreas Menger gut darauf vorbereitet, aber es gehört auch immer ein bisschen Glück dazu. Vor allem weil ein Großteil der Wiesbadener Schützen schon gar nicht mehr auf dem Platz stand.
Sie sprechen es an, im Spiel mussten sie drei Mal hinter sich greifen. Sind Sie Leidtragender der hochstehenden Abwehr?
Das denke ich nicht. Die Frage ist: Was kann man anders machen? Wir haben uns die Szenen angesehen und analysiert. Wenn ich hinten bleibe, heißt es, der klebt nur auf der Linie. Wenn ich rausgehe, müsste ich ohne Rücksicht auf Verluste durchziehen. Aber das geht ja auch nicht. Da riskiere ich einen Elfmeter, wenn ich zu spät komme. Man entscheidet sich dann für ein Mittelding, um es dem Stürmer möglichst schwer zu machen.
Der Trainer hat die Situationen mit uns allen analysiert. Wir müssen als Mannschaft einfach bereit sein, die notwendigen Wege zu gehen. Die Wolfsburger werden sicherlich ähnlich gegen uns spielen wie die Wiesbadener.
Gegen die rettete Kingsley Ehizibue zwei Mal kurz vor der Linie.
Es ist schon ein großer Vorteil, dass er so schnell ist. Er nahm die Füße in die Hand. Das war top, und ist nicht selbstverständlich.
Letzte Saison mussten Sie sich auch kritischen Fragen stellen. Fanden Sie das ungerecht?
Die Zeit ist sehr schnelllebig. Die Leute vergessen schnell, was man alles geleistet hat. Das ist vielleicht auch ein Zug unserer Zeit. Trotzdem weiß ich natürlich: Ich muss mich immer wieder aufs Neue beweisen. Das ist auch mein Ziel und mein Anspruch. Ich glaube auch, dass mir der Fußball der Ersten Liga, in der mehr mitgespielt wird, entgegen kommt. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich das Niveau wieder erreiche, auf dem ich schon mal war. Und natürlich will ich mich weiterentwickeln. Für einen Torwart bin ich mit 26 Jahren ja immer noch relativ jung.
Sie hatten zum ersten Mal in Ihrer Karriere Gegenwind.
Das stimmt. Vorher ging es immer steil bergauf. Selbst in der Abstiegssaison wurden wir ja absolut positiv von den Fans begleitet. Mit Gegenwind muss jeder Sportler umgehen können. Mein Ziel ist es, mich wieder in die Herzen der Menschen zu spielen.
Beispielsweise kann ich bei Standards noch ein Stück weit mutiger werden. Da werden mir sicherlich auch mal Fehler passieren. Die muss ich in Kauf nehmen, um besser zu werden. Die Grundvoraussetzungen habe ich. Ich muss nur im Kopf den Schalter umlegen.
Angesichts heftiger Kritik haben Sie sich aus den sozialen Netzwerken zurückgezogen.
Ich bin der Letzte, der nicht mit sachlicher Kritik umgehen kann. Aber wenn es unsachlich und beleidigend wird, dann muss man das nicht mitmachen. Mir ist zudem aufgefallen, dass ich mich ein Stück weit zu viel mit den Reaktionen beschäftigt habe. Deshalb habe ich mich zunächst zurückgezogen, auch wenn ich diejenigen, die es gut mit mir meinen, dadurch vor den Kopf gestoßen habe.
Glauben Sie, dass da eine Kampagne hinter steckt?
Man kann nicht immer alle Menschen zufriedenstellen. Natürlich darf man sich in den sozialen Netzwerken frei äußern. Aber ich habe das Gefühl, dass diese Äußerungen in den letzten Monaten extremer und unsachlicher geworden sind. Darüber klagen auch viele andere Kollegen aus der Bundesliga. Deshalb geben viele den Bereich Social Media komplett in professionelle Hände. Ich möchte einen gesunden Mittelweg dafür finden.
Warum sind Sie überhaupt in sozialen Netzwerken aktiv?
Es ist eine sehr gute Möglichkeit, um die Fans zu erreichen und teilhaben zu lassen. Was auch für den Club unheimlich wichtig ist. Eine Gefahr sehe ich darin, dass man zu viel preisgibt. Da muss man schon genau abwägen, was man veröffentlicht.
Zurück zum Fußball. Man sieht, dass Sie abgenommen haben.
Ja, fünf, sechs Kilo in den letzten Monaten. Ich habe meine Ernährung nach einer Beratung mit einem Experten umgestellt, weniger Zucker, weniger Kohlehydrate. Da gehört viel Selbstdisziplin zu. Am meisten leidet aber meine Frau, denn sie muss jetzt anders kochen (lacht). Aber ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr so verletzungsanfällig bin. Ich fühle mich besser, bin in meinen Bewegungen schneller geworden.
Haben Sie auch das Training umgestellt?
Wenn ich es einmal mit der Saison vergleiche, in der wir Fünfter wurden und den Europapokal erreicht haben, trainier ich jetzt deutlich mehr. Neben den normalen Einheiten mit der Mannschaft nehme ich zwei Mal in der Woche anschließend eine 45- bis 60-minütige Krafteinheit mit ins Programm. Außerdem mache ich privat einmal wöchentlich ein Beweglichkeitstraining mit einer Trainerin. Seither habe ich deutlich weniger Wehwehchen.
Wie empfinden Sie die Stimmung in der Mannschaft?
Sehr positiv, besser als im letzten Jahr. Natürlich muss man abwarten, wie sich das entwickelt, wenn die ersten harten Entscheidungen getroffen werden. Von meinem Gefühl her haben wir aber eine gute Team-Struktur.
Sie gehören wieder dem Mannschaftsrat an. Was macht er, außer die Pokalprämie auszuhandeln?
(lacht) Das kommt natürlich an erster Stelle (lacht erneut). Als erstes sind wir dafür da, die Verbindung zwischen Mannschaft und Trainern sowie den Verantwortlichen herzustellen. Und wir müssen ein Auge darauf haben, welche Entwicklungen im Team stattfinden, gegebenenfalls Dinge ansprechen und klären. Mit Achim Beierlorzer haben wir jetzt einen Trainer, der sehr viel Wert auf Kommunikation legt, der den Austausch sucht. Wir setzen uns nicht regelmäßig zusammen, aber immer dann, wenn es etwas anzusprechen gibt.
In der letzten Saison also häufiger?
In der letzten Saison häufiger.
Die Abwehr wurde auf die Viererkette umgestellt. Kommt das Ihnen entgegen?
Für einen Torwart ist das immer einfacher – und wir haben hier jahrelang mit der Viererkette gespielt. Ich bin ein Freund davon.
Die Mannschaft hat sich wieder zusammengesetzt und ein Saisonziel formuliert. Wie lautet es?
Wir haben uns nicht nur den Klassenerhalt zum Ziel gesetzt. Damit ordnet man sich sofort ins untere Tabellendrittel ein. Wir möchten so viele Mannschaften wie möglich hinter uns lassen, möglichst schnell die magische Grenze von vierzig Punkten erreichen. Was darüber hinausgeht, wäre ein Zubrot.
Glauben Sie, dass die Fans wie in der Abstiegssaison hinter der Mannschaft stehen, wenn angesichts des schwierigen Auftaktprogramms die Punktausbeute zunächst mager ausfallen sollte?
Es ist schon extrem wichtig, als Einheit aufzutreten – also Mannschaft und Fans. Es wäre schön, wenn sie ein bisschen Geduld mit uns haben. Davon, und von ihrer Unterstützung, gehe ich aber auch aus. Die Begeisterung ist ja jetzt schon unglaublich. Das wird ganz anders sein als in der Zweiten Liga.
Ein Remis in Wolfsburg wäre in Ordnung?
Damit wären wir wohl einverstanden. Aber wir wollen drei Punkte mitnehmen und werden auch so spielen. Wir haben unsere Qualitäten, gerade nach vorne bei unseren Stürmern. Und in der Defensive müssen wir es besser machen als in Wiesbaden.