Der langjährige Viktoria-Präsident spricht über seinen Ex-Klub, die rheinischen Bundesligisten und die Bedeutung von Ehrlichkeit im Fußball.
Klub-Ikone Winfried Pütz im Interview„Viktoria Köln ist reif für den Aufstieg“
Herr Pütz, Sie feiern am Samstag Ihren 75. Geburtstag. Wird Fußball an diesem Tag eine Rolle bei Ihnen spielen?
Winfried Pütz: Nein, auf keinen Fall. Es wird ganz ruhig werden, ich haue ja nie groß auf den Putz. Ich werde schön essen gehen, aber Fußball ist am Samstag ausgegrenzt.
Sie verfolgen aber noch regelmäßig Spiele im Stadion?
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Ja, ich gehe zu interessanten Spielen. Also auch zum 1. FC Köln, das ist klar. Ich freue mich auch immer darauf. Aber ab und zu bin ich auch bei Bayer Leverkusen, weil ich die gerne sehe. Eine technisch gute Mannschaft, die ich mir vor allem gegen andere starke Teams wie zuletzt RB Leipzig anschaue. Auf Dauer wird Bayer 04 ganz vorne dranhängen, zu hundert Prozent. Trainer Xabi Alonso ist für mich eine Sensation, die Nummer eins in der Liga. Ich mag auch Florian Wirtz in seiner Entwicklung sehr. Das ist jemand, der in Zukunft eine große Rolle im deutschen Fußball spielen wird.
Was gefällt Ihnen beim 1. FC Köln?
Beim FC wundere ich mich immer wieder, wie Steffen Baumgart die Mannschaft taktisch einstellt und wie sich bis zur letzten Minute wehrt. Man merkt, dass sie immer bis in die Haarspitzen motiviert sind.
Also vor allem eine starke Trainerleistung?
Absolut. Also ich muss schon sagen: Der Bursche ist ja manchmal ein bisschen rau, aber ich habe den Eindruck, dass jeder in der Truppe sehr stark an den Trainer glaubt, weil er einfach sehr ehrlich ist. Ich finde mich da auch wieder. Wenn ich manche andere Trainer sehe: die schimpfen nicht, die gestikulieren nicht – da kommt gar nichts. Aber bei Steffen Baumgart ist jede Handbewegung ehrlich. Das ist eine Wohltat für den FC. Ich glaube nicht, dass sie noch in der Ersten Liga spielen würden, wenn er nicht da wäre.
Verfolgen Sie Spiele nüchtern und analytisch, oder sind Sie emotional involviert?
Ich bin nicht der Super-Fan, aber schaue gerne Spiele, die was hergeben. Die analysiere und kommentiere ich auch. Wichtig ist aber in erster Linie, dass man immer mal wieder ein paar alte Freunde trifft – wie Reiner Calmund. Wenn er in Köln ist, ruft er immer an und sagt: „Komm, lass uns was zusammen essen.“ Wir sind schon seit 40 Jahren sehr eng. Das ist eine schöne Verbindung und die bleibt auch. Das ist ja das, was man im Alter braucht. Dann habe ich immer noch ein paar alte, herzliche Jungs, die bei mir gespielt haben: Wolfgang Homberg oder Stephan Lämmermann. Ich ziehe mich nicht zurück, stehe aber auch nicht zu dralle im Leben.
Ihren ehemaligen Klub Viktoria Köln werden Sie ja vermutlich auch verfolgen.
Klar, schaue ich mir auch an. Ich war beim 3:2 im DFB-Pokal gegen Bremen, da haben sie klasse gespielt. Die Mannschaft hat endlich zusammengefunden.
Trauen Sie dem Team den Aufstieg in die Zweite Liga zu?
Ja, absolut. Viktoria ist reif für den Aufstieg. Aber sie müssen das Ziel auch ausgeben, damit die Mannschaft den richtigen Spirit entwickelt. Wenn sie in die Zweite Liga kommen, mehr Geld einnehmen und das ordentlich verwalten, können sie sich da doch wunderbar einrichten. Das Risiko würde ich auf jeden Fall eingehen. Selbst wenn sie wieder absteigen, haben sie immerhin das eine Jahr in der Zweiten Liga gespielt. Aber sie müssen doch ein sportliches Ziel haben. Letztes Jahr waren sie Siebter und es nahm keiner Notiz davon. Dann gebe ich doch lieber Gas und versuche, ganz nach vorne zu kommen. Sie spielen ja guten Fußball.
Es herrscht ja inzwischen auch Kontinuität, Olaf Janßen ist seit zweieinhalb Jahren Trainer.
Ich mag ihn sehr. Er kommt sehr gut rüber – habe ich Respekt vor. Aber was mich ein bisschen nervt: Die Viktoria spielt in Saarbrücken und es fahren kaum Leute mit. Oder auch gegen Bremen hat man die Tribüne mit den Viktoria-Fans kaum gehört. Der Bestand an eigenen Zuschauern ist viel zu klein, sie kommen ja auf eine Quote von 2000 maximal. Mir fehlt außerdem der familiäre Charakter nach dem Spiel.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Wir hatten früher 450 Kinder im Spielbetrieb, 22 Mannschaften. Das bekommt man heute mit Sicherheit organisatorisch nicht mehr so hin. Aber der Platz bei uns war früher voll mit Kindern, Eltern und Geschwistern. Seit ein paar Jahren haben sie jetzt das Nachwuchsleistungszentrum, das sind dann sieben, acht Mannschaften. Wer soll denn daraus noch hochkommen?
Aber in der A- und B-Junioren-Bundesliga hat Viktoria zuletzt souverän die Klasse gehalten. Die Nachwuchsarbeit ist durchaus erfolgreich.
Das stimmt. Aber ich finde, dass das ganze Thema mit den Nachwuchsleistungszentren eine unglaubliche finanzielle Belastung ist. Da muss ein neues Modell her. Von den 20 Leuten, die in der A-Jugend spielen, kommen ein oder zwei in die ersten Mannschaften hoch. Das rechnet sich nicht. Aber der DFB denkt ja, er überblickt das alles. Es gibt so viele Vorschriften, von denen besonders die kleinen Vereine in die Knie gezwungen werden. Der ganze Fußball muss von oben nach unten völlig überdacht werden.
Was stört Sie noch?
Wir haben im Moment eine Zeit, in der Super-Luxus die Bevölkerung nicht mehr interessiert. Wenn ich sehe, wie die Leute früher die Köpfe herumgedreht haben, wenn ein Lamborghini um die Ecke fuhr – juckt doch keinen mehr. Genauso, wenn die Spieler für 500 Millionen Euro oder was weiß ich wie viel nach Saudi-Arabien wechseln. Das ist ja alles ein großer Vorhang, mitten in der Wüste. Das hat keinerlei sportliche Bedeutung und Tradition. Wen interessiert, ob ein Neymar dahin geht?
Sie sehen grundsätzlich das Problem, dass sich der Fußball von der Bevölkerung entfernt?
Ja, absolut. Das lässt sich ja auch an den Sympathien ablesen. Ich nenne mal Hertha BSC als Beispiel: Die sind doch für ihren Abstieg von kaum jemandem bedauert worden. Aber Union Berlin, das sich durch ein Super-Scouting und einen tollen Trainer immer weiter verbessert, ist beliebt. Oder das Scheitern von Borussia Dortmund am letzten Spieltag der vergangenen Saison – das sind Emotionen. Das ist die Ehrlichkeit, die diese Vereine auszeichnet. Grundsätzlich sind die Geldgeber ja fast überall da, aber in den Vorständen der Klubs gibt es viel zu wenig Fußball-Kompetenz. Deshalb sind auch die Bayern immer vorn. Die haben sie eben.
Zur Person
Winfried Pütz, geboren am 26. August 1948 in Köln, spielte bis zur B-Jugend bei Vingst 05, bevor er zu Viktoria Köln wechselte. Nach seiner aktiven Karriere, in der er für die Höhenberger in der Regionalliga auflief, wurde Pütz Trainer beim Kreisligisten SC Brück. Den Klub führte er in die Oberliga. Pütz wurde 1991 zum Präsidenten des SC Brück gewählt, 1994 wurde der gelernte Textilkaufmann Präsident des SCB Preußen Köln. Bis 2008 Präsident des SCB Viktoria Köln.