Mit Erzgebirge Aue trifft der Trainer am Samstag auf seinen Höhenberger Ex-Klub. Im Interview spricht Dotchev über seine Zeit in Köln.
Pavel Dotchev über Viktoria Köln„Ein Aufstieg im nächsten Jahr ist realistisch“
Herr Dotchev, seit Mitte Februar sind Sie mit 300 Spielen alleiniger Rekordtrainer der Dritten Liga. Sind Sie stolz über das Erreichen dieser Bestmarke?
Natürlich bin ich sehr stolz darüber, dieses Ziel erreicht zu haben, weil es eben auch nicht selbstverständlich ist. Das ist schon eine tolle Sache und eine Form von Anerkennung für mich. Aber ich weiß eben auch, wie schnelllebig dieses Geschäft ist, im Moment gibt es tatsächlich wichtigere Dinge als mein Jubiläum, und das ist ganz klar der Klassenerhalt. So viel Zeit, diesen Moment zu genießen, habe ich gerade also nicht.
Glauben Sie, dass irgendeiner Ihrer Trainer-Kollegen Ihre Marke einmal erreichen kann? Falls ja: Wem würden Sie es denn am meisten wünschen?
Alles zum Thema FC Viktoria Köln
- 1. FC Köln Said El Mala sticht hervor
- Viktoria Köln Semih Güler schießt vier Tore in drei Tagen
- Mittelrheinpokal Viktoria Köln erreicht nach 2:1 in Bornheim das Achtelfinale
- Dritte Liga Schiedsrichter-Pech für Viktoria Köln bei Pleite in Bielefeld
- Dritte Liga Olaf Janßen setzt auf Leidensfähigkeit von Viktoria Köln
- Dritte Liga Serhat Semih Güler entwickelt sich bei Viktoria Köln zum Rekordjoker
- Regionalliga West Hohkeppel nutzt den FVM-Pokal, um zu belohnen
Mit Sicherheit werden andere Trainer diesen Rekord irgendwann einmal knacken. Eine solche Leistung, von welchem Kollegen auch immer sie erbracht wird, würde ich absolut honorieren, denn so viele Spiele bekommst du nicht mal so nebenbei geschenkt. Wer auch immer eine solche Menge an Partien auf der Trainerbank erleben wird: Er hat es definitiv verdient!
Am Samstag treffen Sie auf einen Ihrer Ex-Vereine, den FC Viktoria Köln. Ist es ein besonderes Spiel für Sie?
Immer! Jede Begegnung gegen Viktoria ist etwas ganz Spezielles für mich, denn ich habe noch sehr gute Beziehungen zu den Verantwortlichen in diesem Klub. Meinen Kollegen Olaf Janßen schätze ich ungemein, den einen oder anderen Spieler habe ich selbst noch trainiert, und zu Sportvorstand Franz Wunderlich habe ich auch ein sehr gutes Verhältnis. Dieser Verein ist mir wirklich ans Herz gewachsen.
Sie haben Köln direkt nach dem Drittliga-Aufstieg übernommen und sind damals furios in die Saison gestartet. Haben Sie zu jenem Zeitpunkt geglaubt, dass die Mannschaft fähig ist, den Durchmarsch in die Zweite Liga zu schaffen?
Na ja, das war eine schwierige Situation damals. Ich habe das Team nach dem Aufstieg in die Dritte Liga übernommen. Der Verein hatte ja noch gar nicht die nötige Erfahrung für diese Spielklasse. Der nächste Schritt, also der Durchmarsch in die Zweite Bundesliga, wäre viel zu abrupt gewesen. Da fehlte es ja tatsächlich noch an der Infrastruktur und auch am Potenzial der Mannschaft. Die Rückrunde damals war inmitten von Corona, wir hatten viele englische Wochen zu bestreiten, die Bedingungen waren also nicht mehr regulär. Da konnte man einfach nicht mehr erwarten. Aber das Team hat sich inzwischen toll entwickelt, spielt unheimlich attraktiven Fußball. Ich traue der Viktoria den Aufstieg prinzipiell schon zu, wenngleich die Mannschaft nach der Winterpause ein bisschen etwas liegen gelassen hat. Aber ein Aufstieg im nächsten Jahr ist durchaus realistisch. Die Viktoria wird eine Spitzenmannschaft sein in der Liga – davon bin ich überzeugt.
Irgendwann in der Aufstiegs-Saison begann die Talfahrt mit zwölf sieglosen Spielen in Folge. Haben Sie zur Winterpause 2019/2020 an einen Rücktritt als Viktoria-Trainer gedacht?
Überhaupt nicht, nicht eine Sekunde. Als wir uns dann später doch getrennt haben, war ich schon ziemlich traurig, denn ich hätte tatsächlich gerne weitergemacht bei diesem Verein. Aber es war nun mal so, dass es Differenzen mit dem einen oder anderen Spieler gab. Es kam dann eine Situation, in der ich mich positioniert habe und die Entscheidung gefordert habe: Entweder einige Spieler oder der Trainer muss gehen. Jeder weiß, was dann geschehen ist. Im Nachhinein war die Entscheidung von Viktorias Verantwortlichen ja auch logisch, schließlich kannst du nicht einfach mehrere Fußballer nach Hause schicken.
Bereits eine Woche später wurden Sie als neuer Chefcoach des MSV Duisburg vorgestellt. Wo haben Sie damals die Kraft für ein erneutes Trainer-Engagement hergenommen?
Als ich die Viktoria verlassen hatte, habe ich eine neue Tätigkeit zunächst natürlich nicht auf dem Schirm gehabt. Als sich der MSV dann gemeldet hat, wollte ich mir das Ganze aber schon anhören, immerhin ist Duisburg ein Traditionsverein. Und dazu noch die überragenden Fans und das Stadion, das hat mich wirklich sehr gereizt. Also habe ich die Herausforderung angenommen, wobei ich im Nachhinein zugeben muss, dass ich damals etwas übermütig gehandelt habe, weil ich das Kapitel Viktoria eigentlich noch gar nicht abgeschlossen hatte. Der MSV stand im Abstiegskampf, das hat eine Menge Energie gekostet. Ich habe mich da wohl ein wenig zu weit aus dem Fenster gelehnt, auch wenn wir die Klasse dann zwei Spieltage vor Schluss gehalten haben.
Inzwischen sind Sie in Aue tätig, konnten den Zweitliga-Abstieg in der letzten Saison aber nicht verhindern. Eigentlich hatten Sie angekündigt, Ihre Trainerkarriere beenden zu wollen. Warum haben Sie sich dagegen entschieden?
Aus dem einfachen Grund, weil ein Leben ohne Fußball für mich nicht infrage kommt. Mein Herz liegt auf dem Platz, ich bin Vollblut-Trainer. Das kann ich einfach am besten.
Sie haben den FC Erzgebirge als Nachfolger von Interimstrainer Carsten Müller nach der Winterpause erneut als Trainer übernommen und die Mannschaft aus dem Abstiegssumpf herausgeholt. Werden Sie nach der Saison als Trainer weitermachen?
Das habe ich auf jeden Fall vor. Natürlich am liebsten mit einer ambitionierten Mannschaft, mit der ich auch um die oberen Plätze mitspielen kann. Gegen den Abstieg kämpfen möchte ich nicht wieder, das habe ich in den letzten Jahren zu oft gemacht und so etwas zerrt unheimlich an den Nerven.
Im Kölner Umfeld tut sich einiges, unter anderem wurde Stephan Küsters, mit dem Sie einst bei Preußen Münster zusammengearbeitet haben, als Sportchef verpflichtet. Was trauen Sie ihrem Ex-Verein in den nächsten Jahren noch zu?
Ich habe es ja schon gesagt: Auch in diesem Jahr hat der FC Viktoria eine schlagkräftige Truppe beisammen. Dann haben sie in der Winterpause noch Mike Wunderlich und Michael Schultz zurückgeholt, ein dickes Ausrufezeichen, wie ich finde. Solche Spieler holt man ja nicht, um die Klasse zu sichern, sondern um oben anzugreifen. Jetzt ist der Aufstieg sicher nicht mehr möglich, entscheidend ist aber, dass in Köln alle an einem Strang ziehen und der Verein wirklich sehr familiär geführt wird. Der Mannschaft traue ich durchaus zu, nächste Saison oben dabei zu sein, vielleicht sogar aufzusteigen.
Franz Wunderlich (Viktoria-Sportvorstand, die Red.) würde gerne wissen, wann Sie die Flasche Wein mit ihm trinken möchten, wie Sie es bei Ihrem Jubiläumsspiel vor gut zwei Monaten angekündigt haben?
Zunächst ist es ja so, dass ich Franz Wunderlich überaus schätze – sowohl menschlich als auch fachlich. Mit Franz würde ich natürlich immer gerne ein Fläschchen Wein trinken, am besten schon am Samstag, wenn wir die Viktoria geschlagen haben und den Klassenerhalt mehr oder weniger in der Tasche haben (lacht). Dann würde ich wohl auch eine Flasche Champagner mit ihm köpfen. Nochmal: Die Zeit bei der Viktoria war richtig schön, und manchmal vermisse ich sie auch ein Stück weit. Die Menschen sind unheimlich nett und ich bin immer gerne dort. Eine Rückkehr nach Höhenberg kann ich mir durchaus vorstellen – vielleicht ja als Platzwart (lacht).
Zur Person
Pavel Dotchev (57), geboren in Sofia (Bulgarien), ist ein ehemaliger bulgarischer Nationalspieler (24 Einsätze) und spielte in seiner aktiven Karriere unter anderem für Lokomotive und ZSKA Sofia, Hamburger SV, Holstein Kiel und SC Paderborn. Trainer-Stationen des Deutsch-Bulgaren waren unter anderem SC Paderborn, Preußen Münster, Hansa Rostock, MSV Duisburg und von 2019 bis Januar 2021 FC Viktoria Köln. Im Dezember 2022 kehrte Dotchev erneut zu Erzgebirge Aue zurück und wurde dort zum dritten Mal Cheftrainer.