Interview mit KEC-Kapitän„Ich empfinde die Kritik teils auch als heuchlerisch“
- Moritz Müller von den Kölner Haien will mit der Deutschen Eishockey-Nationalmannschaft bei den Olympischen Winterspielen in Peking eine neue Erfolgsgeschichte schreiben.
- Vor der Abreise unterhielt sich Alexander Wolf mit dem 35-jährigen Kapitän der DEB-Auswahl.
Herr Müller, Sie sind als möglicher Fahnenträger des deutschen Olympia-Teams nominiert worden. Was empfinden Sie, wenn Sie darüber nachdenken?
Ich habe im Vorfeld ehrlich gesagt gar nicht darüber nachgedacht, überhaupt ins Kandidatenfeld zu rutschen. Als ich das dann von einem Journalisten erfahren habe, war die Überraschung groß und dann habe ich mich natürlich gefreut. Allein dazuzugehören, ist für mich schon eine große Ehre. Das ist wirklich unglaublich und eine der größten Ehrungen, die ich im Sport je erhalten habe.
Die Handball-Europameisterschaft wurde von zahlreichen Corona-Infektionen überschattet. Welche Schutzmaßnahmen gibt es, die Sie als Sportler ergreifen können?
Man versucht schon, sich so gut es eben geht zu schützen. In der Woche vor der Abreise haben wir unsere beiden Kinder aus dem Kindergarten rausgelassen und auch so Kontakte vermieden. Ich hatte jetzt zwei Jahre lang keine Infektion – und trotzdem steckt man nicht drin. Es war zum Beispiel so, dass eines unserer Kinder vor dem Wochenende gekränkelt hat. Da denkst du schon: Wow, das wäre jetzt brutal. Aber so ist das Leben. Man versucht, das zu kontrollieren, was man kontrollieren kann, und bei den anderen Sachen muss man auch ein bisschen Gottvertrauen haben.
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Abseits des Sports ist nicht nur die Pandemie ein relevantes Thema, sondern auch die Reise in einen autokratischen Staat. Gab es Gedanken zu einem möglichen Boykott wegen der schwierigen Men-schenrechtslage in China?
Nein, weil ich nicht finde, dass es immer am Sport ist. Der wird oft missbraucht oder politisch instrumentalisiert, um ein Exempel zu statuieren. Da soll dann etwas vermeintlich geradegerückt werden, was schon vorher aus dem Ruder gelaufen ist. Ich empfinde die Kritik teilweise auch als heuchlerisch. Wenn ich nach China reise, trete ich als Moritz Müller, der Eishockeyspieler, an und nicht als Außenminister. Jeder sollte seine Meinung dazu auch äußern dürfen, aber es sollte nicht vorausgesetzt werden.
Der 25-Mann-Kader der Eishockey-Nationalmannschaft ist gespickt mit 21 Halbfinal-Teilnehmern der Weltmeisterschaft im Vorjahr und zehn Silbermedaillengewinnern von 2018 in Pyeongchang. Sie waren jeweils dabei. Mit welchem Gefühl gehen Sie in das Olympische Turnier?
Vor allem reise ich mit Vorfreude an. Der Grund, warum wir so erfolgreich waren, war unser Teamgeist, der Glaube an uns selbst und dass wir ein besonderes Gefühl hatten, in den Kreis der Nationalmannschaft zu kommen. Da kommt keiner hin, um einfach nur da zu sein, sondern man weiß, dass das eine besondere Gruppe ist, die zu etwas Besonderem imstande ist.
Deutschland trifft in der Gruppe A auf Kanada mit Ihrem Haie-Kollegen Landon Ferraro, zudem auf die USA sowie Gastgeber China mit 16 Nordamerikanern. Das ist schon etwas Spezielles.
Das werden drei ganz enge Spiele. Kanada zum Auftakt (10. Februar) ist direkt ein Gegner auf Augenhöhe. Da habe ich schon mit Landon gescherzt, wie verrückt es ist, dass wir in der einen Woche noch zusammen in Köln trainieren und in der anderen Woche in Peking gegeneinander auf dem Eis stehen. Auch wenn die USA nur mit den besten Nordamerikanern aus Europa spielen, sind das keine Heiopeis. Aber wir müssen uns nicht verstecken. China ist das Fragezeichen in der Gruppe. Sie werden aber mit ihren Nordamerikanern auf einem guten Level spielen, sodass wir sie sicher nicht so einfach weghauen können.
Die Eishockey-Stadien in Peking fassen, wie die Lanxess-Arena in Köln, 18 000 Zuschauer. Zudem loben Berichterstatter vor Ort im Vorfeld die gute Organisation. Haben Sie schon eine Vorstellung, was auf Sie zukommt?
Dass jetzt doch ausgewählte Zuschauer erlaubt sein sollen, würde mich freuen. Ich finde, das wir dem Event gerecht. Ansonsten ist mir nur klar, dass wir alle zwölf Stunden, 14 Tage lang, negative PCR-Tests abgeben müs-sen. Dann können wir uns im Olympischen Dorf frei bewegen. Von allem anderen werde ich mich aber überraschen lassen.
Nach den starken deutschen Auftritten in den vergangenen Jahren wird sich die Konkurrenz wohl nicht mehr überraschen lassen. Was spricht trotzdem für einen erfolgreichen Turnierverlauf Ihrer Mannschaft?
Ein Turnier mit der Nationalmannschaft ist immer etwas Besonderes. Klar ist aber, dass man diese Sache nicht eins zu eins kopieren und sagen kann, dass es 2018 so lief und jetzt auch wieder so läuft. Natürlich geht es wieder von vorne los. Aber wir wissen, dass es in Südkorea möglich war. Also: Warum soll es nicht jetzt auch möglich sein? Wir sind nicht mehr das Deutschland von vor zehn Jahren. Wir reisen dorthin, um den größtmöglichen Erfolg zu haben.