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Zwei Szenen im Fokus
Türkei-Held feiert EM-Tor mit Wolfsgruß – Rassismus-Eklat bei Österreich-Fans

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Merih Demiral von der Türkei (r) zeigt nach seinem zweiten Treffer zum 0:2 den Wolfsgruß – der die Unterstützung der Ülkücü-Bewegung mit ihrer rechtsextremistischen Ideologie symbolisiert.

Merih Demiral von der Türkei (r.) zeigt nach seinem zweiten Treffer zum 0:2 den Wolfsgruß – der die Unterstützung der Ülkücü-Bewegung mit ihrer rechtsextremistischen Ideologie symbolisiert.

Kurz vor dem EM-Achtelfinale zwischen Österreich und der Türkei kommt es zum Eklat. Fans singen „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“.

Der türkische Nationalspieler Merih Demiral hat mit seiner Jubelgeste beim 2:1 im EM-Achtelfinale gegen Österreich für Aufsehen gesorgt. Der 26-Jährige formte nach seinem zweiten Treffer am Dienstagabend im Leipziger Stadion plötzlich mit beiden Händen den sogenannten Wolfsgruß, ein Handzeichen und Symbol der „Grauen Wölfe“. Später teilte er ein Bild der Szene in den sozialen Medien und schrieb dazu: „Glücklich, ein Türke zu sein!“

Auf Nachfrage erklärte er die Geste. „Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun“, sagte Demiral nach Mitternacht im Leipziger EM-Stadion. „Deswegen habe ich diese Geste gemacht. Ich habe Leute im Stadion gesehen, die diese Geste auch gemacht haben.“ Es stecke „keine versteckte Botschaft“ dahinter.

Demiral feiert EM-Tor für die Türkei mit Wolfsgruß – und erntet scharfe Kritik

„Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein und das ist der Sinn dieser Geste“, sagte er. Damit irrt Demiral allerdings, denn der Sinn dieser Geste ist offenkundig ein anderer. Der Wolfsgruß wird von der einer bestimmten Gruppe genutzt. „Graue Wölfe“ werden die Anhänger der rechtsextremistischen „Ülkücü-Bewegung“ bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Kemal Bozay, Kölner Professor für Sozialwissenschaften, hatte im Februar in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ den naiven Umgang mit den Grauen Wölfen kritisiert. Diese folgten denselben Leitbildern wie Neonazis: Rassismus, eine Überhöhung des eigenen Volkes.

Dementsprechend ist der Aufschrei in der Politik groß. „Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen. Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel. Wir erwarten, dass die UEFA den Fall untersucht und Sanktionen prüft“, schrieb Innenminister Nancy Faeser am Mittwoch auf X. Zahlreiche andere Politikerinnen und Politiker äußerten sich ähnlich.

UEFA eröffnet Untersuchungsverfahren wegen Wolfsgruß-Jubel von Merih Demiral

„Wenn ein Spieler meint, seine Freude mit einem faschistischen Gruß zum Ausdruck zu bringen, müssen Konsequenzen folgen“, äußert sich Serap Güler, stellvertretende Parteivorsitzende der CDU in Köln. Sie fordert die UEFA auf, entsprechend zu handeln, nimmt aber auch die türkische Mannschaft in die Pflicht, sie solle „selbst Konsequenzen ziehen“.

Die UEFA reagierte am Mittwoch. Die Disziplinarkammer des europäischen Fußballverbands hat inzwischen Ermittlungen gegen Merih Demiral eingeleitet. Es gehe dabei um ein angebliches unangemessenes Verhalten des 26-Jährigen, teilte die UEFA am Mittwochvormittag mit. Sollte Demiral bestraft werden, könnten ihm Folgen für das anstehende Viertelfinale gegen die Niederlande drohen.

Rassistische Parolen vor EM-Achtelfinale zwischen Österreich und Türkei

Bereits kurz vor dem EM-Achtelfinale zwischen Österreich und der Türkei war es auf Fan-Seite zu einem weiteren Eklat gekommen. Während einer Übertragung des Schweizer Fernsehens SRF war am Dienstag vor dem Spiel zu sehen, wie Anhänger der ÖFB-Auswahl in der Stadt zur Melodie des Lieds „L'Amour toujours“ die Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ singen.

Die Leipziger Polizei teilte am Dienstagabend auf Nachfrage mit, sie habe einen Anfangsverdacht aufgenommen und gehe der Sache nach.

ÖFB-Anhänger singen „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ – Eklat erinnert an Sylt

Bundesweit bekanntgeworden war die rassistische Parole durch ein Video von der Insel Sylt. Darin hatten zahlreiche junge Menschen bei einer Feier „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“ zu dem Lied von Gigi D'Agostino gegrölt. Mittlerweile sind zahlreiche weitere Vorfälle bekannt. Auf einigen Volksfesten soll das Lied daher nicht gespielt werden, auch bei der Fußball-EM ist es nicht zugelassen.

Das eigentlich sehr friedliche Lied „L'Amour toujours“ gehört normalerweise zu den Songs, die im Umfeld der österreichischen Nationalmannschaft gespielt werden. Der Verband hatte auch einen Antrag gestellt, dass das Lied nach siegreichen EM-Spielen in den Stadien in Deutschland gespielt wird – nach den Vorfällen mit der rassistischen Parole nahmen aber der ÖFB und die Europäische Fußball-Union davon Abstand. Der italienische DJ D'Agostino hatte klargestellt, dass es in seinem Lied ausschließlich um Liebe gehe. (pst mit dpa)

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