AboAbonnieren

Skandal auf SyltWie der alte Party-Hit eines italienischen DJs von Rechten missbraucht wird

Lesezeit 3 Minuten
ARCHIV - 04.07.2020, Berlin: Eine Diskokugel dreht sich bei einer Party. Im Suff über 'nen Puff grölen: Das beschreibt vielleicht besonders anschaulich das Pop-Phänomen «Layla». An dem Lied führt im Sommer 2022 jedenfalls nichts vorbei. Das bringt ihm jetzt auch den offiziellen Titel «Sommerhit des Jahres» ein. (zu dpa "Deutschland hat 'nen Sommerhit - und der heißt «Layla») Foto: Christoph Soeder/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der Hit „L'Amour toujours“ von Gigi d'Agostino wird häufig rassistisch umgetextet (Symbolbild).

Auf Sylt grölten Feiernde den Song mit dem Text „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ mit. Das Phänomen gibt es seit 2023.

Eigentlich ist „L'Amour toujours“ ein völlig harmloser Liebessong mit eher schlichtem Text. „Baby, ich werde immer an deiner Seite sein“ oder „Jeden Tag und jede Nacht träume ich von dir“, heißt es da auf Englisch. Dennoch schaffte es der Party-Stampfer des italienischen DJs Gigi d'Agostino seit 2023, von der rechten Szene gekapert zu werden und sowohl auf Volksfesten als auch von „Rich Kids“ auf der Millionärsinsel Sylt mit rassistischem Text mitgegrölt zu werden.

Dabei veröffentlichte Gigi d'Agostino seinen Song bereits vor einem Vierteljahrhundert. 1999 erschien „L'Amour toujours“ erst auf dem gleichnamigen Album, 2001 dann als Single. Von da an trat der Italo-Dance-Track seinen Siegeszug um die Welt an. In neun europäischen Ländern erreichte er die Top-10 der Single-Charts. 2004 erschien eine neue Version von „L'Amour toujours“. Seitdem ist der Song ein Dauerbrenner bei Partys und Volksfesten.

Seit dem Jahr 2023 wurde das Lied dann mit der Zeile „Deutschland den Deutschen/Ausländer raus“ umgedichtet. Wobei umdichten nicht ganz richtig ist, denn der Refrain des Originals hat eigentlich überhaupt keinen Text.

Erster Fall von rassistischem „L'Amour toujours“ in Mecklenburg-Vorpommern?

Den möglicherweise ersten Fall des Missbrauchs des erfolgreichen Songs entdeckte das Magazin „Katapult MV“, wie das ZDF schreibt. Bei einem Fest in einem kleinen Ort in Mecklenburg-Vorpommern grölten junge Leute die Zeilen zu den Techno-Beats. Sogar der Sohn des Bürgermeisters von Pasewalk soll mitgesungen haben.

Anschließend sprangen rechte Akteure auf den Zug auf und nutzen den Song für ihre Kampagnen. In einem Video des Rechtsextremen Martin Sellner vom Januar 2024 ist „L’Amour toujours“ im Hintergrund zu hören, wie das ZDF schreibt. Auch in TikTok-Videos aus dem Umfeld der „Jungen Alternativen“ tauche der Song häufig als Untermalung auf. Auch wenn nicht immer der rassistische Text zu hören sei, wüssten sehr viele Menschen inzwischen, was bei der Verbreitung im bestimmten Kontext gemeint sei.

„Ausländer raus“-Gegröle zu Gigi d'Agostino auch in Löningen – Verbot auf Oktoberfest

Mittlerweile scheint sich der Trend so verselbständigt zu haben, dass auch viele weitere Menschen, die mit der organisierten rechten Szene nichts zu tun haben, bedenkenlos den ausländerfeindlichen Text grölen, oft in alkoholisiertem Zustand. So wurden auch bei einer Veranstaltung in Löningen westlich von Cloppenburg in Niedersachsen am Pfingstmontag der rassistische Text zu „L’Amour toujours“ gesungen. Die rechte Szene kann es als Erfolg verbuchen, dass die Hemmschwellen auch dank einer solchen Strategie immer weiter zu sinken scheinen und rechte Parolen sich verbreiten.

Inzwischen wird der Song auf breiter gesellschaftlicher Ebene mit einem rassistischen Hintergrund assoziiert. Dies machte sich im Februar 2024 auch bei einem Karnevalsverein in Oberberg bemerkbar. Eine Tanzgruppe wurde angefeindet, weil sie das Stück in einem Medley verwendet hatte. Darauf verzichtete die Gruppe auf das Lied und distanzierte sich klar von rechtem Gedankengut.

Auf dem Oktoberfest in München soll der Song vorsorglich verboten werden. „Auf der Wiesn ist für den ganzen rechten Scheißdreck kein Platz“, so Oktoberfest-Chef Clemens Baumgärtner am Montag. Das Lied an sich sei zwar nicht rechtsradikal, aber es habe eine „ganz klare rechtsradikale Konnotation“ bekommen.

Gigi d'Agostino selbst äußerte sich inzwischen zum Missbrauch seines Hits, wenn auch nur knapp. Auch internationale Medien hatten über den Vorfall im Club „Pony“ auf Sylt berichteten. „In meinem Lied 'L'amour toujours' geht es um ein wunderbares, großes und intensives Gefühl, das die Menschen verbindet. Es ist die Kraft der Liebe, die mich hochleben lässt“, teilte der Produzent auf Anfrage der dpa mit. Zentral sei zudem die Freude über die Schönheit des Zusammenseins.

Der DJ ist inzwischen 56 Jahre alt und leidet unter einer schweren Krankheit, wie er 2021 seinen Fans mitteilte.

Um welche Krankheit es sich handelt, wurde allerdings nicht bekannt. Mittlerweile feierte der Italiener aber sein Comeback und wurde im Februar 2024 beim Festival in Sanremo umjubelt.