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Einzug ins Europa League-FinaleBayer Leverkusen setzt sich das nächste Denkmal

Lesezeit 4 Minuten
Josip Stanisic jubelt nach seinem Tor zum 2:2

Josip Stanisic jubelt nach seinem Tor zum 2:2

Bayer 04 Leverkusen gewann trotz eines anfänglichen 0:2-Rückstands das Halbfinal-Rückspiel der Europa League gegen AS Rom. Das ist nicht zuletzt dem Coach zu verdanken.

Der Moment, nach dem Leandro Paredes seinen zweiten Elfmeter des Abends verwandelt hatte, offenbarte die ganze Stärke von Bayer 04 Leverkusen. Der neue deutsche Fußballmeister lag nach 66 Minuten des Halbfinal-Rückspiels der Europa League gegen AS Rom mit 0:2 in Rückstand. Der 2:0-Vorsprung aus dem Hinspiel war aufgebraucht. Der Werkself drohte die Verlängerung oder noch größeres Ungemach. Der Einzug ins Finale am 22. Mai in Dublin stand auf der Kippe

Xabi Alonso schüttelte sich an der Seitenlinie kurz. Dann nahm der Bayer-Coach sofort Blickkontakt zu seinen Spielern auf und tippte sich mit den Zeigefingern an die Schläfen. Eine Geste, die Granit Xhaka als Alonsos verlängerter Arm auf dem Spielfeld spiegelte und die nichts anderes zu bedeuten hatte, als dass ganz Leverkusen bei sich bleiben solle. Sich bewusst machen, dass nichts verloren ist – es noch alles zu gewinnen gibt. „Ich habe in den Augen der Spieler gesehen, dass sie daran glauben, gewinnen zu können. Wir lagen 0:2 zurück und haben so viele Chancen nicht genutzt. In diesem Moment können Zweifel am eigenen Spiel aufkommen, man kann die Kontrolle verlieren. Aber wir sind fokussiert geblieben und haben unseren Charakter gezeigt. Die Spieler besitzen das Selbstbewusstsein, um die richtigen Dinge zu tun“, versuchte Alonso den erneuten Wahnsinn zu erklären, den 30210 begeisterte Zuschauer in der ausverkauften BayArena erlebten.

Zuerst kann AS Rom punkten

Es war eine komplizierte Gemengelage. Der Bundesligist hatte das Spiel beherrscht, Chancen zuhauf herausgespielt, lag aber gegen clevere und abgezockte Römer im Hintertreffen. Erst hatte Abwehrchef Jonathan Tah den Ex-Leverkusener Sardar Azmoun unnötig zu Fall gebracht, dann sprang Adam Hlozek der Ball im Strafraum gegen die Hand, als er versuchte, sein Gesicht zu schützen. Der argentinische Nationalspieler Paredes verwandelte beide Strafstöße sicher (43./66.) und das Halbfinale stand wieder auf Null.

Bis Roms zuvor überragender Keeper Mile Svilar an einer Ecke von Alejandro Grimaldo vorbeigriff und Gianluca Mancini ein Eigentor der Marke Slapstick zum 1:2 fabrizierte (83.). Ein Spielstand, der Bayer 04 zum Einzug ins Finale gereicht hätte. Die Italiener brauchten ein Tor, aber Leverkusen war das Team, das auf den Ausgleich ging. „Es war eine komische Situation. Das 1:2 war genug, aber sie wollten mehr“, zeigte sich Xabi Alonso vom Mindset seines Teams verblüfft. Jede andere Mannschaft hätte versucht, das Ergebnis zu verteidigen. Bayer 04 aber hat in dieser Saison die Erfahrung getankt, alles möglich zu machen und unbesiegbar zu sein.

Xabi Alonso: Ich hatte keine Kontrolle

Was am Donnerstag sogar soweit ging, dass Leverkusens Meistertrainer in der Schlussphase keinen Einfluss mehr auf das Spiel seiner Mannschaft hatte. „Ich hatte keine Kontrolle, aber ich hatte ein gutes Gefühl“, räumte der 42-Jährige ein. Das totale Vertrauen in seine Spieler zahlte sich aus. Alonso wechselte mit Josip Stanisic zwar einen defensiven Spieler ein (90.), es war aber der Rechtsverteidiger, der in der siebten und letzten Minute der Nachspielzeit mit purer Energie und Spielkunst zum 2:2 traf. Die Serie der Unbesiegten war gerettet. Das alles erweckte fast den Eindruck, als sei diese einzigartige SSerie wichtigerals der Einzug ins Finale. „Ich sollte auf Stephan El Shaarawy aufpassen. Der Plan des Trainers war nicht, dass ich so offensiv dabei bin. Aber ich habe die Lücke gesehen und dachte mir: Okay, ich muss die Chance nutzen“, gestand Stanisic lächelnd Ungehorsam. Wer sollte ihm da schon böse sein.

Simon Rolfes war es jedenfalls nicht. Bayers Sportchef lobte lieber die außergewöhnliche Atmosphäre: „Es die Magie dieses Stadions, der Fans und der Mannschaft, die diesen ganz besonderen Spirit ergeben. Alle spüren, dass in den letzten zehn Minuten noch etwas geht.“ Es gibt kein Halten für die Werkself, egal wer auf dem Platz steht und welcher Gegner sich in den Weg stellt. Auch der Fakt, dass Spielmacher Florian Wirtz nur zu 70 Prozent fit war und erst spät eingewechselt wurde (81.), konnte Bayer nicht stoppen: „Normalerweise gibt es in einem solchen Prozess eine Niederlage“, wunderte sich auch Alonso, um sich wie nach jedem Spiel ohne Niederlage das Gleiche sagen zu hören: „Es gibt immer noch einen und noch einen. Vielleicht stoppen wir nach Berlin und gehen in den Urlaub.“

Dann sollen nach der Meisterschale auch der DFB- und der Europa League-Pokal in der Club-Vitrine stehen. „Natürlich ist das Triple unser Ziel“, sagte Simon Rolfes. Am liebsten natürlich ungeschlagen. Bochum, Augsburg, Atalanta Bergamo und Kaiserslautern heißen die vier Clubs, die diesen einmaligen Triumph noch verhindern können. Der dickste Brocken ist sicher Bergamo am 22. Mai in Dublin. „Wenn es ein Team gibt, das Leverkusen physisch und taktisch Paroli bieten kann, dann Atalanta“, kündigte Daniele De Rossi Schwerstarbeit für Alonso & Co. an. Wobei der geschlagene Coach von AS Rom auch nicht mit Lob für Bayer 04 sparte: „Sie machen es einfach gut.“ Und damit war an diesem Donnerstagabend auch alles gesagt.