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Leart Pacarada vom 1.FC Köln„Ich spüre Selbstverständlichkeit“

Lesezeit 9 Minuten
Leart Pacarada klatscht sich mit Tim Lemperle an.

Leart Pacarada klatscht sich mit Tim Lemperle an.

Leart Pacarada kommt nach einem schwierigen ersten Jahr beim 1. FC Köln immer besser rein. Im Interview spricht der Linksverteidiger über die Gründe für seinen Aufschwung und das Heimspiel gegen den SSV Ulm.

Leart Pacarada (29) kommt nach dem Training in Badelatschen zum Interview. Er hinterlässt einen reflektierten und entspannten Eindruck. Martin Sauerborn hat mit dem Linksverteidiger des 1. FC Köln über Jonas Hector, Max Finkgräfe und vier Torvorlagen in einer Halbzeit gesprochen.

Herr Pacarada, Sie werden am Dienstag 30 Jahre alt. Gehören Sie zu den Menschen, für die ein runder Geburtstag etwas Besonderes ist?

Grundsätzlich bin ich kein Geburtstagsliebhaber und konnte Geburtstage noch nie so richtig feiern. Warum auch immer. Die 30 macht mir auf den Fußball bezogen ein bisschen Angst, weil man spürt, dass das Ende der Karriere näher rückt. Grundsätzlich werde ich mich aber nicht anders fühlen als vorher. Dieser Geburtstag hat keinen besonderen Stellenwert für mich.

Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückblicken, überkommt Sie dann auch das Gefühl, dass alles sehr schnell vergangen ist?

Das ist unglaublich. Ich weiß noch, wie ich mit 17, 18 meine ersten Eindrücke als Profi-Fußballer bei Bayer Leverkusen gesammelt habe. Da waren Spieler wie Simon Rolfes, die Bender-Brüder, Ömer Toprak oder Gonzalo Castro dabei. Die haben als Ältere zu mir gesagt: Junge, die Zeit ist kurz, nutze sie richtig und arbeite. Wenn man jung ist, geht das hier rein und da raus. Ich habe gedacht, ich bin jung und hab noch so viel vor mir. Dann stehst du zehn Jahre später auf und denkst, was ist mit der Zeit passiert? Sie verfliegt wirklich, aber wahrscheinlich auch, weil es eine so schöne Zeit ist.

Jetzt sind Sie als älterer Spieler in der Rolle eines Rolfes, Bender oder Toprak. Sagen Sie heute das gleiche zu den jungen Spielern, was Sie damals zu hören bekommen haben?

Mein ehemaliger Trainer bei St. Pauli, Timo Schultz, hat immer gesagt, dass ich für ihn ein Bindeglied zwischen Alt und Jung bin. Ich habe immer darauf geachtet, mich nicht nur an Spieler meines Alters zu hängen, sondern versuche, auch die jungen Spieler mitzunehmen. Mit dem Wissen, dass die heutige Jugend anders ist. Man braucht als älterer Spieler viel Verständnis, dass wir heute einfach eine andere Zeit haben. Trotzdem denke ich mir bei allem, was ich mache: Ich war auch mal in dem Alter.

Welche Erfahrungen durften Sie machen?

Ich habe mich gefreut, wenn Simon Rolfes zu mir gesagt hat: Wenn du etwas brauchst, sag Bescheid. Und Ömer Toprak hat mir nach dem Training immer das Handy aus der Hand genommen und gesagt: Pack es weg, wir gehen jetzt noch in den Kraftraum. Das ist mir im Kopf geblieben.

Sie nehmen aber niemandem das Handy weg, oder?

Nein, dafür sind die sozialen Medien heutzutage viel zu wichtig. Aber ich versuche es mit einzubeziehen.

Es ist Ihre zweite Saison beim 1. FC Köln. Stimmen Sie zu, wenn jemand zu Ihnen sagt, dass Sie etwas Zeit gebraucht haben, um richtig anzukommen?

Ja, das erste Jahr war schwierig und auch unglücklich aufgrund der Verletzungen und der Krankheit. Zuvor hatte ich in meiner Karriere noch keine schwere Verletzung. Das war eine neue Situation für mich – dazu kam die Gesamtsituation. Wie die ganze Mannschaft hatte ich mir viel vorgenommen und war mit einem hohen Anspruch hierhergekommen. Ich konnte meine Stärken aber nicht so einbringen und dann saß ich auf einmal auf der Bank. So ist das im Fußball. Ich war trotzdem immer überzeugt davon, was ich kann, wenn ich meine geistige Frische und mein Selbstvertrauen wieder bekomme.

Sie mussten auch noch in die großen Fußstapfen von Jonas Hector treten.

Natürlich wurde mir von allen Seiten immer wieder gesagt, dass ich nicht verglichen werde. Aber am Ende war das unterbewusst doch der Fall.

Hat Sie dieser Vergleich sehr belastet?

Zu Beginn habe ich es geschafft, das Thema auszublenden. Mit ganz banalen Dingen bin ich aber immer wieder daran erinnert worden. Zum Beispiel beim Fußballtennis, wenn ein Mitspieler kam und erzählt hat, dass Jonas bei diesem Spiel der Wahnsinn war und nie Fehler gemacht hat. Oder bei der Videoanalyse, wenn die Trainer sagen, in der Situation hat es der Jonas so gemacht. Dann zieht man automatisch den Vergleich und die Erwartungshaltung des Umfelds ist da. Am meisten hat mich aber die Frage beschäftigt: Was wäre, wenn die Menschen sehen könnten, was für ein guter Spieler ich bin?

Das ist aber auch eine gute Motivation, es Ihnen zeigen zu wollen, oder? Zumal Ihr ehemaliger St. Pauli-Trainer Timo Schultz nach der Trennung von Steffen Baumgart zum FC kam.

Ja, aber die Umstände waren für mich nicht die besten. Ich kam nach der Winterpause aus einer Verletzung und war vorher sieben Wochen raus. Deshalb habe ich die ersten Spiele unter Timo verpasst. Und dann bin ich auch so ehrlich zu sagen, dass Max Finkgräfe als Linksverteidiger einen tollen Job gemacht hat. Das war das erste Mal in meiner Karriere, dass ich hinten dran war. Damit konnte ich zuerst nicht gut umgehen.

Und dann?

Habe ich mir gesagt, dass ich nur selbst etwas an dieser Situation ändern kann. Dafür habe ich gearbeitet und mir gesagt, dass ich irgendwann dafür belohnt werde. Hört sich leichter an, als es ist, denn diese Einstellung zu finden und umzusetzen, ist nicht einfach. Es ist aber der einzige Weg.

Sie sind dann krank aus dem Urlaub gekommen und mussten später in die Vorbereitung einsteigen. Wieder ein Rückschlag also.

Ich habe mir eine seltsame Infektion eingehandelt und war dreieinhalb Wochen krank. Ich wusste aber, dass es mit dem neuen Trainerteam und der neuen Liga ein kompletter Neuanfang ist – und als einer der wenigen hier die 2. Liga sehr gut kenne.

Satte 254 Zweitliga-Einsätze sind es mittlerweile für Sandhausen, St. Pauli und den FC.

Ich hätte gerne ein paar weniger, auch wenn ich dadurch mit Sicherheit viele Dinge einbringen kann, die andere nicht haben.

Wie war zu dieser Zeit der Austausch mit Cheftrainer Gerhard Struber?

(lächelt) Ich habe mich trotz meiner Krankheit schnell frisch gefühlt und beim Training sind mir ein paar gute Sachen gelungen. Der Trainer hat sich sicher vorher mit allen Spielern beschäftigt, Videos angeschaut und Meinungen eingeholt. Im Training hat er dann gesehen, was für ein Kicker ich bin und was ich mitbringe. Das zu fühlen und dann während der Vorbereitung voll zu überzeugen, war für mich eine wichtige Selbstbestätigung. Das hilft mir gerade sehr, auf und auch abseits des Platzes. Ich spüre viel Vertrauen und möchte es mit Leistungen zurückgeben.

Aufgrund der Verletzung von Max Finkgräfe gab es keinen Konkurrenzkampf. Was hat diese Situation mit Ihnen gemacht?

Konkurrenzkampf stärkt einen, weil man immer ans Limit gehen muss. Weniger Konkurrenzkampf kann einem aber auch die nötige Sicherheit, Freiheit und Selbstvertrauen geben, weil man davon ausgehen kann, am Wochenende zu spielen. Mir hat es zu Beginn der Saison gut getan, da ich das Gefühl hatte, an der der Reihe zu sein. Ich habe noch härter gearbeitet, um auf den Punkt da zu sein.

Max Finkgräfe kann wieder spielen. Und in dem Moment bereiten Sie vier Tore in einer Halbzeit vor. Ist das dieser Extraschub?

Das zeigt, dass auch der Konkurrenzkampf ein paar Prozentpunkte draufsatteln kann. Vier Vorlagen sind außergewöhnlich, aber sie zeugen auch von der Selbstverständlichkeit, die ich gerade in meinem Spiel spüre.

Wie sehen Sie den Konkurrenzkampf in den kommenden Wochen? Ist es vorstellbar, dass einer von Ihnen beiden auch eine Position weiter vorne spielt?

Eine Position weiter vorne spielt mit Linton Maina einer der wahrscheinlich gerade besten Spieler der Liga. Wird also eher schwierig. Grundsätzlich nimmt man als Spieler jede Position an, aber ich glaube, ich muss einfach weiter meine Leistung bringen.

Ihre vier Vorlagen gegen Karlsruhe waren alle unterschiedlich: ein hoher Ballgewinn mit Steckpass, ein 50-Meter-Pass, ein zurückgelegter Ball und eine flache Hereingabe. Ist die Variabilität im Passspiel das, was Ihr Spiel ausmacht?

In den meisten Situationen kann ich mich auf meinen linken Fuß verlassen, er macht seine Arbeit gut. Ich versuche, mich immer vorne einzuschalten und harmoniere gut mit Linton. Sauberes und vorausschauendes Passspiel gehört zu meinen Stärken. Meine größte Stärke liegt im Aufbauspiel, also im Linien überspielen, Schnittstellen erkennen und Drucksituationen mit dem nötigen Ruhepuls lösen.

Wir müssen auch über Ihr Defensivspiel sprechen. Zwei Gegentore gegen Karlsruhe sind nach Flanken von Ihrer Seite gefallen.

Mir ist bewusst, dass mein Defensivspiel ein Thema ist. Daran arbeite ich. Es wäre aber zu einfach, zu sagen, Leart Pacarada hat defensiv Probleme. Dass nach einer Flanke ein Tor fällt, damit kann ich leben. Das kann passieren. Gegen Magdeburg und Düsseldorf haben wir nicht viel zugelassen.

Das Spiel gegen Karlsruhe ist also aus der Art geschlagen?

Ja, es war untypisch. So wollen wir nicht spielen. Wir sind trotz des 3:0 nicht ins Anlaufen gekommen, nicht in die Rückwärtsbewegung, nicht ins Schließen und nicht richtig in die Zweikämpfe. Es hat an vielem gemangelt und ich kann Ihnen versichern, dass die Analyse nach dem Spiel klar, präzise und richtig knackig war.

Also wird es am Samstag gegen Ulm besser laufen?

Unsere Punkteausbeute ist nicht gut. Aber jeder sieht, wozu die Mannschaft fähig ist. Wir wollen am Samstag gewinnen. Wir haben die Themen aufgearbeitet und wissen, dass wir genug Qualität haben. Man darf nicht alles positiv sehen, trotzdem gehen wir mit einer extrem breiten Brust in das Spiel gegen Ulm.

Sie sprechen die Qualität an. Reicht diese für den Aufstieg?

Die Qualität haben wir allemal. Spielfreude und Spielidee sprechen auch dafür. Aber wir müssen die Themen bearbeiten, die es bislang verhindert haben, dass wir die Punkte holen, wie wir es uns vorstellen.

Drei Punkte gegen Ulm wären sicher das passende Geburtstagsgeschenk. Sie feiern Ihren 30. nächste Woche bei der Nationalmannschaft des Kosovo, mit der Sie gegen Litauen und Zypern antreten.

Ja, mal wieder. Der 8. Oktober ist fast immer Länderspielzeit. Ich glaube, es ist schon das sechste, siebte Mal. Da ich ja kein großer Freund von Geburtstagen bin, finde ich das überhaupt nicht schlimm (lacht). Bei der Nationalmannschaft habe ich meine Ruhe.

Also gibt es von den Teamkollegen keine Torte?

Doch, aber die ist von Jahr zu Jahr kleiner geworden. Beim ersten Mal war es noch eine mit einem Bild drauf, mittlerweile ist nur eine Kerze übriggeblieben. Ich freue mich aber trotzdem immer und habe eine wirklich gute Zeit bei der Nationalmannschaft. Es ist eine schöne Abwechslung und ich habe im Kosovo ja auch Familie, die ich dann sehen kann.