AboAbonnieren

FC-Trainer im InterviewStruber spricht über Krise, Winterzugänge und den Torwartwechsel

Lesezeit 9 Minuten
Cheftrainer des 1. FC Köln Gerhard Struber  im Interview mit der Kölnischen Rundschau.

Gerhard Struber, der Cheftrainer des 1. FC Köln, im Interview mit der Kölnischen Rundschau.

Gerhard Struber ist auf dem Sprung. Der Trainer des 1. FC Köln nutzt das spielfreie Wochenende in der 2. Fußball-Bundesliga, um bei seiner Familie in Salzburg zu sein. Vorher traf sich der 47-Jährige mit der Kölnischen Rundschau zum Interview.

Herr Struber, die Karnevalssession hat begonnen. Für Sie ist das alles noch Neuland. Wie haben Sie den 11.11. erlebt?

Morgens hatte ich eine Besprechung mit meinem Trainerteam. Nachmittags wollte ich dann erstmals erleben, was in der Stadt los ist, und habe mich mit einem Freund unter die Leute gemischt. Ich habe einiges über den Kölner Karneval gehört, war aber sehr zurückhaltend und habe beobachtet. Das war spannend zu sehen.

Was fanden Sie spannend?

Die vielen unterschiedlichen Maskeraden sahen schon sehr cool aus. Und, dass es schon früh am Abend so viele lustige Leute auf der Straße zu sehen gibt (lächelt).

Das haben Sie jetzt aber nett beschrieben. Wie lautet also Ihr allererster Eindruck vom Karneval?

Ich habe eine unglaubliche Feierkultur wahrgenommen. Die Menschen liegen sich in den Armen und haben einfach nur gemeinsam Spaß. Ich denke, dass die Kölner eine sehr offene Haltung gegenüber verschiedensten Dingen entwickeln können. Karneval bietet die Möglichkeit, einfach einmal Dinge zu vergessen und sich frei zu fühlen.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie durch die Kultur des Karnevals die Stadt und die Menschen besser kennenlernen können?

Ja, denn der Karneval bietet einem die Momente, in denen man mit den Kölnern in Kontakt kommt. Ich denke, dass ich dem Brauchtum gerade auf den Sitzungen näherkommen werde. Der Karneval hat sicher einen tieferen Sinn, als nur miteinander zu feiern und schnell lustig zu werden.

Ich habe eine unglaubliche Feierkultur wahrgenommen.
Gerhard Struber, FC-Trainer, über den Kölner Karneval

Die Stadt ist Karneval, die Stadt ist auch der 1. FC Köln. Welchen Eindruck haben Sie nach knapp fünf Monaten vom Club?

Was mir im Zusammenhang mit den Fans, mit dem Verein, der Stadt und den Medien vorhergesagt wurde, ist eingetroffen. Der FC ist pure Emotionalität. Ich habe das gerade in den letzten Wochen positiv wahrgenommen, obwohl es gekriselt hat. Es gibt viele Menschen in dieser Stadt, die mir sehr optimistisch und ermutigend begegnet sind. Man sollte sich nicht täuschen lassen von bestimmten Beiträgen und nicht alles überbewerten. Wir müssen da gut ausbalanciert sein, wie die Mannschaft auf dem Platz, und dürfen uns nicht emotional treiben lassen. Ich denke, das ist uns und auch mir persönlich weitgehend gut gelungen. Das ist ein schönes Gefühl, das die Lebensqualität und -erwartung erhöht (grinst). Beim FC ist es wichtig, inhaltlich fokussiert zu bleiben und gleichzeitig die Dinge drumherum wahrzunehmen und gut einzuordnen.

Nach dem Pokalsieg gegen Kiel haben Sie aber eher einen emotional angefassten Eindruck hinterlassen.

Es ist nicht immer alles ausgewogen. Bestimmte Ressourcen gehen auch mal zur Neige, vor allem nach so einem Spiel und nach zwei Niederlagen. Die Pressekonferenz nach Kiel war sicher nicht so glücklich und ich emotionaler als sonst. Ich bin auch nur ein Mensch. Wir versuchen alle, immer professionell zu sein, aber es gibt dann auch mal Momente, in denen man sich nicht immer voll kontrollieren kann.

Haben Sie nach den Niederlagen gegen Darmstadt und Paderborn mit solch einer Wucht der Kritik gerechnet?

Ich habe es vorher noch nicht erlebt, dass innerhalb kürzester Zeit alles infrage gestellt wird. Gleichzeitig ist es aber in Köln einfach so und man muss lernen, damit umzugehen.

Locker bleiben, zielstrebig bleiben und mit der Mannschaft auf partnerschaftlicher Ebene im engen Austausch stehen.
Gerhard Struber

Wie gehen Sie damit um?

Möglichst locker bleiben, zielstrebig bleiben und mit der Mannschaft auf einer partnerschaftlichen Ebene in einem engen Austausch stehen.

Kam in Ihnen das Gefühl auf, dass Sie auch für Dinge verantwortlich gemacht werden, die in der Vergangenheit liegen, wie zum Beispiel den Abstieg?

Verantwortlich nicht, aber ich bin und bleibe der Cheftrainer. Ich habe gewusst, was auf mich zukommt und dass hier viel gelitten wurde. Es passiert, dass man als Cheftrainer dann mal mit unter die Lawine gerät. Ich sehe in meinem Engagement beim FC für mich aber mehr Chancen als Risiken.

War die attraktive Spielweise mit einem sehr hohen Pressing zu Beginn der Saison mehr Risiko als Chance?

Ich war optimistisch, dass wir dieses mutige Spiel schneller so etablieren, dass wir auch eine Balance reinbekommen. Im Rückspiegel muss man sagen, dass es attraktiv und dominant war, wir in der letzten Linie aber auch zu anfällig waren. Das war der Grund dafür, etwas zu ändern und uns etwas defensiver zu definieren. Unseren Prinzipien bleiben wir aber treu. Wir wollen proaktiv bleiben, nur etwas ausgewogener und besonnener.

Der nächste Schritt muss sein, wieder attraktiver aufzutreten.
Gerhard Struber

Mit durchschlagendem Erfolg, oder?

Wir sind stabil und haben dreimal zu null gespielt. Das war enorm wichtig, um tabellarisch nicht abreißen zu lassen. Der nächste Schritt muss aber sein, wieder attraktiver aufzutreten. Da arbeiten wir dran und ich glaube, wir haben die Jungs insgesamt gut abgeholt in der schwierigen Situation. Aus meiner Sicht waren ein paar Änderungen einfach notwendig.

Wie darf sich ein Außenstehender eine solche Entscheidungsfindung vorstellen?

Die Gedanken entwickeln sich im Trainerteam – wir diskutieren immer. Dazu hilft es mir, dass ich mit Thomas Kessler und Christian Keller in einem guten Austausch bin und meine Ideen auf den Tisch lege. Ich will niemanden überrumpeln, sondern alle abholen und mitnehmen. Wir haben sehr offen darüber gesprochen.

Ist es bei der Torwartentscheidung auch so gelaufen?

Ja und in diesem Fall war klar, dass es eine bestimmte Reaktion geben wird. Und die galt es, vorher mit allen Beteiligten zu besprechen.

Wie schwer ist Ihnen die Entscheidung gefallen, Jonas Urbig gegen Marvin Schwäbe auszuwechseln?

Bei allen Entscheidungen steht die Verantwortung gegenüber dem Club und der Mannschaft im Vordergrund. Was ist das Beste in dieser Situation? Diese Entscheidung fiel mir natürlich nicht leicht, aber dann geht es darum, sie sauber zu kommunizieren. Ich tausche mich gut mit Jonas aus und klar war es eine riesige Enttäuschung für ihn. Er soll es trotzdem als Chance sehen. Es geht nicht immer um das reine Torwart-Handwerk, sondern auch um Dinge wie Führung. Das kann man von Jonas in diesem jungen Alter noch nicht in vollem Ausmaß verlangen. Es gibt einfach in jeder Karriere Lernmomente. Jonas ist ein fantastischer Keeper und sehr reflektiert.

Krisen können auch stärken. Das werden die nächsten Spiele dann zeigen.
Gerhard Struber

Ist das Team in der schwierigen Phase mit Darmstadt und Paderborn näher zusammengerückt?

Krisen können auch stärken. Das werden die nächsten Spiele dann zeigen. Nach Paderborn hat es einen Austausch gegeben, der mal ganz anders war. Dieser Moment hat das Miteinander im engsten Kreis sicher gestärkt. Man bekommt mit, wie sich Menschen unter Druck verhalten. Wir sind durch die harten, klaren und ehrlichen Gespräche zusammengeblieben. Und eins ist klar, wir brauchen ein starkes Team.

Sie haben nach dem Spiel gegen Fürth gesagt, dass das Team nun in der 2. Liga angekommen sei. Darf ich das mal so übersetzen, dass auch Sie angekommen sind, in der Liga und beim FC?

Ich finde, ich bin schon etwas länger angekommen. Ich habe das Gefühl, dass alles zusammenpasst. Es macht mir viel Spaß, hier zu sein. Das ist nicht selbstverständlich. Was das Team betrifft, gibt es schon Jungs, die nach dem Abstieg etwas Zeit gebraucht haben, um zu akzeptieren, dass jetzt 2. Liga draufsteht. Wir wissen inzwischen besser, was es braucht, um in dieser Liga Siege einzufahren.

Zum Beispiel funktionierende Führungsspieler?

Nehmen wir mal Timo Hübers. Er war sehr selbstkritisch mit sich und seinen Leistungen. Dann kann ein Spieler im Kritischen bleiben oder er denkt darüber nach, wie man etwas ändern kann. Mit Timo, Marvin Schwäbe, Dominique Heintz, Mark Uth, Florian Kainz und noch einigen anderen haben wir Jungs, die sagen, was sie meinen und auf dem Platz auch danach handeln. Die letzten Spiele und die Krisenphase waren wichtig, um zu sehen, wer der Schwimmer auf hoher See ist und wer möglicherweise davontreiben könnte.

Da geht es nicht um Glück, sondern es trifft eine gute Vorbereitung mit der richtigen Haltung auf die Gelegenheit.
Gerhard Struberüber das 1:0-Siegtor von Damion Downs gegen Fürth

Nach dem 1:0 gegen Fürth ist viel darüber geredet worden, dass die ganze Stimmung an dem einen Tor in der 94. Minute hing. Wie gehen Sie als Trainer damit um?

Wir spüren doch alle, dass so ein Sieg hinten raus etwas Cooles ist und sich entsprechend gut anfühlt. Für mich bleibt auch stehen, dass in diesem Spiel nicht alles gut war. Wir hatten hinten raus aber ein gutes Händchen bei unseren Entscheidungen und die Jungs hatten den Glauben. Jeder hat Verantwortung übernommen. Dann geht es nicht um Glück, sondern es trifft eine gute Vorbereitung mit der richtigen Haltung auf die Gelegenheit. Und die haben wir durch Damion Downs genutzt.

Der Grundstein ist mit den drei Siegen gelegt. Wie sehen die nächsten Schritte aus?

Ja, das Gebilde ist stabiler. Wir unterstützen uns besser gegenseitig in den Positionen. In dem Wissen, dass viele Gegner einen tieferen Block gegen uns stellen werden, geht es darum, wie wir dagegen aus unserer Ordnung heraus Chancen kreieren und in unserem Gegenpressing bleiben. Wenn man viel Ballbesitz hat, ist es wichtig, nach einem Fehlpass sofort wieder in Ballbesitz zu kommen und in der Ordnung zu bleiben. Unsere Intensität und unser Anlaufverhalten müssen ausgefeilt sein, damit wir für den Gegner unberechenbar bleiben.

Ab Januar darf der FC wieder neue Spieler registrieren. Es heißt, ein Stürmer und ein Rechtsverteidiger sollen kommen. Sehen Sie weitere Positionen, auf denen es Verstärkungen braucht, der Kader mehr Tiefe und Konkurrenzkampf benötigt?

Ja und gleichzeitig nein. Die Frage ist, was bietet uns der Markt? Wir werden im Winter ins Handeln kommen und wollen die Richtigen reinholen. Sie müssen fußballerisch eine Verstärkung sein und auch von der Mentalhaltung her passen. Wir befinden uns in einem sensiblen Umfeld, Köln ist ein anspruchsvoller Standort, an dem ich als Spieler dem Druck standhalten können muss. Und sie müssen zur Spielidee passen. Da werden wir gemeinsam mit Christian und Thomas genau hinsehen. Das Scouting hat schon gute Arbeit geleistet. Jetzt geht es darum, in den Verhandlungen gut zu sein und die Jungs davon zu überzeugen, dass es Sinn macht.

Die Jungs wissen, dass uns das ein oder andere frische Gesicht guttut und ein gesunder Konkurrenzkampf etwas Normales ist.
Gerhard Struber

Was macht das mit den Spielern, die aktuell im Kader sind?

Die Jungs wissen, dass uns das ein oder andere frische Gesicht guttut und ein gesunder Konkurrenzkampf etwas Normales ist. Und wenn wir neue Spieler verpflichten, ist es nicht so, dass sie vom ersten Moment an Stammspieler sind.

Was ist mit dem 1. FC Köln in dieser Saison also möglich?

Wir müssen uns extrem von Spiel zu Spiel bewegen, dann traue ich uns einiges zu. Mit den Erfahrungen, die wir gerade gemacht haben, ist es wichtig, dass wir uns viel zutrauen, aber nicht zu weit nach vorne schauen.

Wie in einem Marathon. Ein Thema, mit dem Sie sich auch sehr beschäftigen. Was reizt Sie daran, einen Marathon zu laufen?

Ich laufe gerne. Und es braucht Kontinuität, einen langen Atem und den Glauben, es schaffen zu können. Ein Marathon ist nicht immer lustig, man braucht deshalb auch mentale Stabilität. Eine Fußballsaison ist genauso.