Sportchef Christian Keller hat bei der Besetzung freier Trainerstellen am Geißbockheim bislang Kreativität bewiesen. Führt die Spur nach der Ära Steffen Baumgart diesmal ins Ausland?
Trainersuche beim 1. FC KölnKeller könnte mit kreativer Lösung im Ausland fündig werden
Kreativität gilt bei der Trainersuche als eine der wichtigsten Kompetenzen. Insbesondere dann, wenn eine Lösung gewünscht ist, die sich von den üblich gehandelten Kandidaten abheben und für ein Gefühl von Frische an der Seitenlinie sorgen soll. Wie das gelingen kann, zeigte in der Hinrunde der Fußball-Bundesliga der FC Augsburg. Die bayerischen Schwaben überraschten im Oktober mit ihrer Wahl, den international erfahrenen Dänen Jess Thorup (53) als Nachfolger von Enrico Maaßen zu installieren. Der Schachzug ist voll aufgegangen. Der Meistertrainer des FC Kopenhagen und FC Midtjylland führte den FCA ins Mittelfeld, wo er mit acht Punkten Vorsprung auf den vom 1. FC Köln belegten ersten Abstiegsplatz überwintert.
Bei den Kölnern befindet sich derweil Sportchef Christian Keller seit der Trennung von Steffen Baumgart vor einer Woche auf der Suche nach einem neuen Cheftrainer. Legt man die bisherigen Entscheidungen Kellers bei der Besetzung freier Trainerstellen am Geißbockheim zugrunde, lässt sich ebenfalls eine Vorliebe für Kreativität erkennen. Mit Evangelos Sbonias, der zuvor beim Oberligisten SG Sonnenhof Großaspach tätig war, zauberte Keller im Sommer für die Regionalliga-Mannschaft einen Übungsleiter aus dem Hut, den wohl niemand auf dem Zettel hatte. Der vierte Tabellenplatz zur Winterpause zeugt von einer gelungenen Wahl, die Sbonias nun sogar in den erweiterten Kandidatenkreis für die Baumgart-Nachfolge beförderte.
Ähnlich verhielt es sich bei Kellers Vorgehen im Zuge der Trainersuche für die Frauen-Bundesliga-Mannschaft. Daniel Weber fiel ebenfalls in die Kategorie „Überraschung“, weil er vor seinem Wechsel nach Köln im männlichen Nachwuchs des FC Bayern unterwegs war. Auch hier scheint die Zielsetzung in Erfüllung zu gehen: Mit einem verbesserten spielerischen Ansatz liegen die Kölnerinnen auf Kurs Richtung Klassenerhalt. Was Sbonias und Weber ebenfalls gemein haben: Bevor sie den Zuschlag des FC erhielten, mussten sie ein Assessment-Center durchlaufen, das bei Trainer-Auswahlprozessen des promovierten Sportwissenschaftlers Christian Keller fester Bestandteil ist. Im Gegenzug kann es mit der Suche zwar etwas länger dauern. Doch Keller ist überzeugt davon, mit dieser Art des Auswahlverfahrens die Chance auf ein stimmiges Resultat zu erhöhen.
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Bei der Suche nach einem Baumgart-Nachfolger ist der deutsche Trainermarkt geprägt von altbekannten Gesichtern. Nachdem Bo Svensson, Stefan Kuntz und Friedhelm Funkel wie von der Rundschau berichtet aus unterschiedlichen Gründen nicht infrage kommen, verbleiben an verfügbaren und realistischen Kandidaten unter anderem Thomas Reis, André Breitenreiter und Heiko Herrlich. Wer wie der 1. FC Köln womöglich nach einer innovativen Lösung mit Perspektive sucht, für den lohnt sich ein Blick ins benachbarte Ausland.
In Österreich hat sich etwa Christian Ilzer einen Namen gemacht. Der 46-Jährige wurde in seinem dritten Jahr in Graz erstmals zum „Trainer der Saison“ gekürt, nachdem er die stetige Entwicklung des SK Sturm mit dem Pokalsieg und der Vizemeisterschaft gekrönt hatte. Erfolge, die keine Eintagsfliege waren: Mit dem Hauptstadtclub der Steiermark und dem Wolfsberger AC erreichte Ilzer vier Mal in Folge die Europa League. „Er macht vom ersten Tag an großartige Arbeit, legt tagtäglich einen Hunger an den Tag und will die Mannschaft verbessern“, schwärmte Sturm-Sportchef Andreas Schicker bei „Sky“.
Ilzers Aufstieg hat sich über die Landesgrenzen hinaus herumgesprochen. Im Sommer wurde der als stark in der Analyse und Menschenführung geltende Österreicher als Nachfolger seines Landsmannes Oliver Glasner bei Eintracht Frankfurt gehandelt. Da Ilzer in Graz noch bis 2025 unter Vertrag steht, wäre für die klammen Kölner die Zahlung einer Ablöse fällig. Zudem müsste Sportchef Keller wohl Überzeugungsarbeit leisten: Der Club aus der Geburtsstadt von FC-Kapitän Florian Kainz überwintert in Schlagdistanz zu Serienmeister RB Salzburg als Zweiter sowie auf europäischer Bühne in der Conference League. In Köln wäre dagegen Abstiegskampf angesagt, erschwert durch eine Transfersperre.
Bon Henriksen könnte beim FC Zürich vor dem Abschied stehen
In der Schweiz gilt Bo Henriksen (48) als heißes Trainer-Eisen. Der deutschsprachige Däne hat den FC Zürich in knapp einem Jahr von ganz unten nach fast ganz oben geführt. Im Oktober 2022 lag der FCZ nach einem schlimmen Start unter Vorgänger Franco Foda sieglos am Tabellenende – als Meister. Henriksen, als Pokalsieger-Trainer des FC Midtjylland gekommen, richtete den gestürzten Champion über Vertrauen, Mentalität und Glaube wieder auf. Allesamt Eigenschaften, die auch den zweifelnden Spielern des 1. FC Köln im Kampf gegen den Abstieg gut zu Gesicht stünden.
Henriksens Lieblingsthema ist die Menschenführung. „Um das geht es doch im Leben. Um Beziehungen. Um Vertrauen. Um Glauben. Und als Trainer ist es entscheidend, dass die Spieler für dich kämpfen. Dass du weißt und spürst, welcher Spieler Liebe braucht und welcher einen Tritt in den Hintern“, sagt der frühere Mittelstürmer, der – wie Steffen Baumgart – als mutig, ehrlich und authentisch gilt und für schnelles Umschaltspiel steht. Sein Vertrag läuft aus, die Zeichen stehen dem Vernehmen nach auf Abschied. Erst kürzlich brachte sich Henriksen via „kicker“ für höhere Aufgaben in Stellung: Es sei sein „Traum, in einer der Top-Fünf-Ligen zu arbeiten“. Die Berater von Christian Ilzer und Bo Henriksen ließen eine Bitte um Stellungnahme am Donnerstag zunächst unbeantwortet.