Köln – Steffen Baumgart hat am Geißbockheim eine neue Denkweise etabliert. Sie hat dafür gesorgt, dass die Bundesliga-Saison 2021/22 in den Köpften aller Beteiligten noch lange nicht vorbei war, als der 1. FC Köln bereits Anfang April sein vorrangiges Ziel erreicht hatte. Stattdessen wurde nach dem frühzeitigen Klassenerhalt ein neues, spannendes Vorhaben ausgerufen.
Das war ebenso untypisch wie dringend erforderlich für einen Club, der in den vergangenen Jahrzehnten dazu neigte, sich eher mit den kleinen Dingen zufrieden zu geben. Ein paar Wochen später hat das dauerhafte Streben nach Mehr den letztjährigen Fast-Absteiger in die sensationell anmutende Ausgangslage katapultiert, unmittelbar vor der Rückkehr auf die Bühne des europäischen Vereinsfußballs zu stehen.
Der 1. FC Köln darf nun träumen
Doch damit nicht genug. Vor dem letzten Kölner Heimspiel der Saison am Samstag (15.30 Uhr) gegen den VfL Wolfsburg sind die Bewerber um die internationalen Plätze derart eng zusammengerückt, dass den SC Freiburg auf Champions League-Rang vier (55 Punkte) und den 1. FC Union Berlin auf Conference League-Platz sieben (51 Punkte) nur noch vier Zähler voneinander trennen. Dazwischen tummelt sich neben dem Starensemble von RB Leipzig (54 Punkte) der 1. FC Köln (52 Punkte), der als Tabellensechster dazu berechtigt ist, in alle Richtungen träumen zu dürfen. Allen voran von der erneuten Teilnahme an der Europa League, die den Geißböcken mit zwei abschließenden Siegen gegen Wolfsburg und beim VfB Stuttgart sicher wäre – unabhängig vom Abschneiden der Konkurrenz. Und, ja, selbst die Champions League, deren Hymne die Kölner bislang nur aus dem Fernsehen kennen, gehört bei einem optimal verlaufenden Schlussspurt zumindest nicht mehr zur Utopie.
Vier Siege in Folge geben dem FC Auftrieb
Steffen Baumgart weiß um die vielleicht einmalige Chance, die sich dem Überraschungsgast im Konzert der Großen bietet. Und deshalb will er sie mit aller Macht ergreifen. „Wir wollen gucken, dass es vielleicht noch den einen oder anderen Schritt weiter geht“, sagte der FC-Coach nach der Trainingseinheit am Dienstag, ohne dabei einen der drei möglichen internationalen Wettbewerbe beim Namen zu nennen. Die Rechnung des 50-Jährigen geht wie folgt: „Wir haben noch sechs Punkte zu vergeben. Und so, wie die Mannschaft auftritt, ist auch die Möglichkeit gegeben, das größtmögliche Ziel zu erreichen. Die Jungs setzen die Dinge im Moment um. Hoffen wir, dass das so bleibt.“ Nach vier Siegen in Folge mit teilweise mitreißenden Leistungen gelte es nun, „bloß nicht nachzulassen. Es geht darum, weiter zu arbeiten, was wir bislang sehr gut gemacht haben“, erklärte Baumgart, der auch am 33. und 34. Spieltag das Optimum herausholen will. „Wir sollten versuchen, so viele Punkte wie möglich einzusammeln – um dann zu schauen, welche Konstellation noch entstehen kann.“
Deshalb kommt es für den FC-Coach auch nicht infrage, selbst im Falle eines Sieges gegen Wolfsburg und der dann möglichen vorzeitigen Europa-Qualifikation die Sektkorken knallen zu lassen. „Ich glaube nicht, dass wir am Wochenende überhaupt etwas genießen können“, entgegnet Steffen Baumgart mit einem Tritt auf die Feierbremse: „Mit dem Feiern habe ich es am Samstag auf keinen Fall. Wir werden uns vielleicht über ein Ergebnis freuen. Aber ich glaube nicht, dass wir ins Feiern kommen, wenn wir den letzten Spieltag noch vor uns haben. Wir sollten wirklich erst dann feiern, wenn der letzte Spieltag abgeschlossen ist.“
Der Griff nach Höherem
Baumgart spekuliert nämlich darauf, zum Saisonfinale in Stuttgart nach noch Höherem greifen zu können. Durch die Ergebnisse des 33. Spieltags ergebe sich „vielleicht eine andere Konstellation. Ich weiß nicht, ob dann schon Schluss ist“, sagt der 50-Jährige, der „große Vorfreude“ im Umfeld und in seiner Mannschaft ausgemacht hat und bereit ist, diese zu genießen: „Im Moment musst du alles aufsaugen. Ich habe das erste Mal die Möglichkeit, so ein Ziel zu erreichen. Ich glaube, viele der Jungs auch. Deshalb sollte man das Drumherum mitnehmen.“ Gleichzeitig sei es wichtig, „klar und bei sich zu bleiben“.
Am Ende einer schon jetzt sagenhaft erfolgreichen Saison ist das Vertrauen von Steffen Baumgart in seine Spieler größer denn je: „Ich kann jeden auf den Platz stellen und muss mir keine Gedanken machen, dass irgendetwas nicht läuft.“