Veedels-CheckWarum es in Raderthal besonders geheim zugeht
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Köln-Raderthal – Wer sich Raderthal auf der Karte anschaut, sieht jede Menge Grün, eine Kaserne und ansonsten wenig, das auf den ersten Blick ins Auge stechen würde. Und tatsächlich geht es in dem Veedel im Kölner Süden ruhiger zu als es die Nähe zur Altstadt vermuten lassen könnte. Raderthal ist ein Veedel zum Wohnen und Erholen. Wer will und sein Veedel nicht verlässt, hat hier seine Ruhe. Alle anderen sind mit dem Fahrrad in zehn Minuten in der Altstadt.
Seine Nachbarn trifft man in Raderthal nicht in der Kneipe, die gibt es nämlich nicht mehr, seit das „Räderscheidt“ vor drei Jahren dicht gemacht hat. „Das war für uns damals ganz bitter“, meint Manfred Linke vom SDS e.V., dem Verein der Anwohner auf der Schulze-Delitzsch-Straße. Wenn er mit seinen Nachbarn etwas zu besprechen hat, geht er einfach vor die Haustüre.
Gerade in den Abendstunden und am Wochenende bilden sich auf den Gehwegen und in den Vorgärten regelmäßig kleine Sitzkreise. Mehr als ein Stuhl und ein Kölsch braucht man dafür nicht. Falls die Runde doch mal größer wird, trifft man sich im Clubheim des TC Arnoldshöhe am Bonner Verteiler oder beim Griechen um die Ecke. Der Imbiss von Kosmas Michaildis ist im Norden des Veedels ein fester Anlaufpunkt. „Manche Leute sagen, das sei hier das kulturelle Zentrum Raderthals“, scherzt der 52-Jährige.
Seit 1994 verkauft er in Raderthal Gyros, Pommes und Kölsch. Und nicht nur das: Gegenüber des großen Gyrosspießes, der sich vor der Gasflamme dreht, hängen die Wimpel der Karnevalisten aus der Schulze-Delitzsch-Straße. Der Imbiss ist Hofburg des kleinsten Karnevalsumzugs der Stadt. Im Jahr 2011 holten die Anwohner der Schulze-Delitzsch-Straße diesen Kölner Rekord nach Raderthal.
Als Wagenbauhalle dient eine Doppelgarage, und weil ein Zugweg von 300 Metern doch zu schnell vorbei ist, ziehen sie eben zweimal durch die Straße. „Das ist gar nicht so einfach, so klein zu bleiben“, sagt Anwohner Linke, schließlich ist der Zug inzwischen weit über die Veedelsgrenzen hinaus bekannt.
Doch eines steht für die Karnevalisten fest: Viel größer als jetzt soll der Zug nicht werden. Denn Größe ist nicht ihr Ziel, sondern eine Institution zu sein im Veedel. Finanziert wird der Karneval mit den Einnahmen aus dem Septembermarkt, in diesem Jahr steht der Trödelmarkt am 2. September an.
Wer ins Grüne möchte, ist im südlichen Teil von Raderthal am besten aufgehoben. Der Grüngürtel macht flächenmäßig etwa die Hälfte des Veedels aus. Auf der großen Wiese, die früher den britischen Soldaten zum Cricket spielen diente, hat sich inzwischen die deutsche Freizeitkultur breit gemacht. Gerade an den Wochenenden treffen sich hier viele Anwohner zum Fußballspielen und Grillen. „Als der neue Spielplatz hier vor einigen Jahren gebaut wurde, ist die Gegend viel bekannter und belebter geworden“, sagt Werner Burauen. Er kümmert sich um den Fritz-Encke-Park nur wenige Meter entfernt.
Die beschauliche Anlage mit ihrem Tempelbrunnen gilt als der „vergessene Park“ von Köln. Damit der Name nicht komplett zum Programm wird, kommen Burauen und einige Nachbarn regelmäßig hier vorbei. Dann holen sie sich ihre Gartengeräte aus dem Bauwagen neben dem Park, bringen die Staudenbeete auf Vordermann und kümmern sich um den Brunnen. Davon gab es früher einmal zwei, einer wurde inzwischen jedoch abgebaut.
„Das hat uns sehr geärgert und wir wollten nicht, dass der zweite Brunnen auch noch wegkommt“, sagt Thomas Rhein. Er hat sich im Jahr 2004 dafür eingesetzt, dass der Brunnen saniert wurde. Nun sorgt eine Solaranlage dafür, dass bei schönem Wetter das Wasser aus dem Brunnen sogar wieder munter vor sich hin plätschert. Der 70-Jährige hat eine ganz besondere Verbindung zum Park. „Wir haben uns hier kennengelernt“, sagt seine Frau Karin Rhein, auch sie hilft bei der Gartenarbeit.
Damals in den 60er Jahren war der Park jedoch noch deutlich größer. „Mit dem Bau der Häuser hat der Park dann ein bisschen seine Bedeutung verloren“, sagt Andreas Wulf, Sprecher der AG Heidekaul. Die Siedlung neben dem Park entstand nach dem Zweiten Weltkrieg, als die britische Militärverwaltung hier Wohnungen und Häuser errichten ließ – komplett nach dem Vorbild einer englischen Gartenstadt mit dem typischen geschwungenen Straßen- und Wegenetz. Sie ist bis heute als die „Englische Siedlung“ oder „Siedlung Heidekaul“ bekannt. Die unterschiedlich großen Wohnungen spiegelten die verschiedenen Ränge der Militärs wider.
Auf dem Areal des Parks entstanden ein Hochhaus, mehrgeschossige Flachdachbauten, Reihenhäuser und freistehende Einfamilienhäuser. Weil an der Gestaltung der Häuser namhafte Architekten wie Wilhelm Riphahn, Fritz Schaller und Hans Schilling beteiligt waren, stehen viele Gebäude heute unter Denkmalschutz. Noch heute leben hier viele aktive und ehemalige Soldaten. Heute ist hier zwar kein Militär mehr stationiert, komplett verschwunden ist es aus dem Stadtteil allerdings noch nicht.
Militärische Einrichtungen untergebracht
In der Konrad-Adenauer-Kaserne sind immer noch mehrere militärische Einrichtungen mit insgesamt 2000 Mitarbeitern untergebracht. Unter anderem das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) und das Amt für Heeresentwicklung. Während sich das BAMAD als Geheimdienst vor der Öffentlichkeit eher bedeckt hält, wenn es darum geht, über die eigene Arbeit zu sprechen, ist man im Amt für Heeresentwicklung deutlich offener. Zum Jahresempfang des Amtschefs kommt sogar das Kölner Dreigestirn in die Kaserne.
„Wir sind nicht die Gruppe, die sich grün anmalt und draußen herumläuft, unsere Waffe ist der Laptop“, sagt Major Mirko Hörmann, der sich im Heeresamt um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. Er und seine Kollegen entwickeln Ideen, wie sich die Ausbildung in der Bundeswehr verändern kann und überlegen, in welchen Bereichen die Bundeswehr bei der Ausrüstung aufstocken sollte. Die meisten dieser Mitarbeiter leben übrigens nicht in Raderthal sondern pendeln aus anderen Veedeln, anderen Städten und teilweise sogar aus ganz Deutschland nach Raderthal.
Die größten Baustellen in Raderthal
Die Bonner Straße liegt zwar östlich von Raderthal, trotzdem beschäftigt der Bau der Nord-Süd-Stadtbahn auf der Straße die Menschen im Veedel. Ein Grund dafür ist das geplante Pendlerparkhaus auf dem Gelände des Tennisclubs TC Arnoldshöhe. Die Tennisspieler müssen dann umziehen. Doch sehen sie der Veränderung gelassen entgegen (siehe Seite 32). Doch auch kritische Töne sind zu hören. „Das ist wenig durchdacht“, meint Andreas Wulf, Sprecher der AG Heidekaul. Viel sinnvoller als ein Parkhaus am Bonner Verteiler seien zusätzliche Parkflächen weiter außerhalb etwa in Godorf.Das würde nicht nur dafür sorgen, dass der Tennisplatz und das als Treffpunkt beliebte Clubheim am jetzigen Standort stehen bleiben könnten. Es würden auch zusätzliche Staus auf dem Weg zum Bonner Verteiler entstehen. Einkaufen im Veedel ist nicht so bequem wie sich das viele Raderthaler wünschen würden. Nachdem auf der Markusstraße immer mehr Geschäfte geschlossen haben, ist das Angebot dünn geworden. „Was hier fehlt ist ein kleiner Supermarkt“, meint Manfred Linke vom SDS e.V., dem Verein der Anwohner auf der Schulze-Delitzsch-Straße. Zwar hält einmal in der Woche ein mobiler Supermarkt in der Straße, er versorgt die Anwohner aber nur mit dem Nötigsten. Viele wünschen sich das größere Angebot eines stationären Supermarktes.
Die Geschichte von Raderthal
Woher Raderthal seinen Namen hat, ist nicht abschließend geklärt. Eine Theorie geht davon aus, dass die Vorsilbe „rad“ für das Roden steht. Schließlich mussten in dem bewaldeten Gebiet viele Bäume gefällt werden, als sich hier im 19. Jahrhundert die ersten Kleinbauern angesiedelt haben. Eine andere Erklärung könnte eine frühe Gerichtsstätte auf dem Materberg im benachbarten Raderberg sein. Hier wurden zum Tode Verurteilte mit dem Rad hingerichtet. Unstrittig ist der zweite Teil des Veedelsnamens: Ein ehemaliges Flussbett eines Rheinarms sorgte in der Gegend für ein Tal – und verlieh ihr so seinen Namen. Die erste zusammenhängende Wohnsiedlung im Veedel entstand Anfang des 20. Jahrhunderts in der Schulze-Delitzsch-Straße und der benachbarten Markusstraße. Auf dem Gelände eines ehemaligen Pulvermagazins legte der städtische Gartenbaudirektor Fritz Encke Anfang der 20er-Jahre den Volkspark an.