Veedels-CheckBrück – Das Veedel der großen Vorgärten
Brück – Hält man im Jahr 2018 zusammen in den Veedeln? Gibt es sie noch, die typisch kölschen Veedel? Mehr als 30.000 Kölner haben sich an unserer nicht repräsentativen Umfrage beteiligt und Noten für Ihre Stadtteile verteilt. Alle 14 Tage veröffentlichen wir die Ergebnisse von fünf weiteren Veedeln.
Brück – das Porträt
„Die Leute hier sind wie eine große Familie“, sagt Manuela Panciera auf die Frage, was denn typisch ist für diesen Kölner Stadtteil an der Grenze zum Bergischen Land. „Man kennt sich über Generationen.“ Seit 50 Jahren ist die Eisdiele der Familie Panciera eine verlässliche Institution in Brück. Sieht man einmal vom Preis für die Eiskugel ab, hat sich hier nicht viel verändert in all den Jahren. Im Sommer stehen die Kunden in einer Schlange bis zum Marktplatz. Manuelas Ehemann Franco, der schon als 16-Jähriger als Angestellter ins Geschäft kam, ist in Brück bekannter als die sieben Oberbürgermeister im fernen Kölner Rathaus, die zeitgleich mit ihm die Stadt prägten.
Fragt man die Einheimischen nach den Disziplinen, in denen ihr Stadtteil ein Kölner Rekordhalter sein könnte, fällt ihnen neben der Eisdiele vieles ein: das friedlichste Stadtviertel, der gefühlt grünste Vorort, der längste Veedelszoch am Karnevalssonntag jenseits der Innenstadt. Vereine aus Rath und Merheim helfen, dass er das bleibt. Man könnte hier – im Verhältnis zur Einwohnerzahl – auch die größte Dichte an überdimensionierten Vorgärten, benachbarten Bäckereien und frommen Messdienern vermuten. Doch nichts davon lässt sich durch Statistiken belegen. Nur eine Zahl ist tatsächlich ein Brücker Rekord: Hier lebt die größte Hirschpopulation mit einem festen Wohnsitz in der Stadt. Wer sie besuchen will, geht ins Wildgehege im Königsforst. Und noch etwas ist einmalig: Hier wird die Faulheit mit einem Denkmal gewürdigt. Auf dem Marktplatz wird der „Fuhle Weet“ geehrt, ein legendärer Kneipier mit spezieller Arbeitsauffassung.
Ein privilegiertes Viertel
Das Veedel ist von Grün umgeben: Im Norden und Süden die Auen des Flehbachs, im Osten der dichte „Wald des Königs“ mit Wildpark und überall ringsherum weite Wiesen und Felder für endlose Spaziergänge. Hier befand sich mal ein Rheinarm. Eine Bruchlandschaft blieb zurück. Bis ins 19. Jahrhundert soll hier eine Fischerei gute Geschäfte gemacht haben. Keine Frage, Brück gehört zu den privilegierteren Vierteln Kölns. Wer es etwas ruhiger mag, ist hier genau richtig.
In Brück sagt man „Ich fahre in die Stadt“, wenn man sich Richtung City aufmacht. Brück ist Köln – und doch irgendwie auch nicht. Man war und ist schneller im Bergischen als auf der linken Rheinseite – nicht erst, seitdem der Kalker Tunnel oder Brückensanierungen jeden Tag für Staus sorgen. Die Verbindung zu den östlichen Nachbarn war schon immer eng. Früher hörte man in Brück einen ganz eigenen Dialekt: Bergisches Platt mischte sich mit Kölsch. Wenige erhaltene denkmalgeschützte Häuser mit Schieferfassaden, die Reste von Hofanlagen sowie die alte Grundschule, in der sich ein empfehlenswertes Restaurant befindet, erinnern bis heute eher an ein Dorf im Bergischen als an ein Großstadt-Quartier.
Viele naheliegende Ziele für den Familienausflug befinden sich jenseits der Stadtgrenze. Nicht wenige Brücker haben „Bergisch Gladbach“ im Pass stehen, weil ihre Mütter zur Niederkunft das Krankenhaus in Bensberg wählten. Dort fährt der Brücker auch Schlittschuh oder geht in die Sauna. Wenn fürs Kind ein Platz an einem Gymnasium gesucht wurde, lag die Saaler Mühle oft näher als Ostheim oder Kalk – wahrscheinlich nicht nur wegen der guten Nahverkehrsanbindung. Böse Zungen behaupten: Ein bisschen Standesdünkel dürfte auch eine Rolle spielen.
Ein ehemaliges Bauerndorf
Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Leben in Brück eher einfach und bescheiden. Dann kam die Anbindung an die Kleinbahn, die Eingemeindung nach Köln. Die Stadt förderte den Siedlungsbau und lockte so Angestellte und Beamte mit ihren Familien in das ehemalige Bauerndorf an Mauspfad und Olpener Straße, über die einst Napoleon mit seinen Soldaten Richtung Moskau gezogen ist. Aus den Feldern wurde Bauland. Noch in den vergangenen zehn Jahren entstand ein neues Einfamilienhausquartier auf einem Areal im Westen des Orts.
Dort, wo vor noch nicht allzu langer Zeit der Acker gepflügt wurde, hat man zahlungskräftigen Neubürgern einen architektonischen Wildwuchs erlaubt. Dass man mit Bauland besser umgehen könnte als hier, steht wohl außer Frage.
Dass Zugezogene und Alteingesessene immer zueinander fanden und finden, sei dem regen Brücker Vereinsleben zu verdanken, sagt der Vorsitzende der Bürgergemeinschaft, Dieter Richmann. Das Engagement und die Strukturen der Vereine sorgten für „den sozialen Zusammenhalt einer großen Gemeinschaft“.
Dazu gehören die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden. Ihre Bindungskraft ist zwar längst nicht mehr so groß wie in den Zeiten, als bei Pancieras die Kugel Eis noch 20 Pfennig kostete. Und auch die Zahl der kirchlichen Vereine, die sich in Pfarrsälen und Jugendheimen trafen, ist kleiner geworden. Und doch spielen die katholische Pfarrei St. Hubertus und die evangelische Johanneskirche noch eine wichtige Rolle im Ortsleben.
Der ruhmreiche SC Brück ist ebenfalls seit ein paar Jahren wieder da. Nach der Fusion mit Viktoria Köln 1994 war es lange ruhig. 2007 gründete sich der Mittelrheinmeister von 1988 und 1991 und Ex-Oberligist neu und macht mittlerweile – trotz schwieriger Rahmenbedingungen – wieder ein breites Angebot für Kinder und Jugendliche. Auch der Schützenverein oder die Freiwillige Feuerwehr erweisen sich gegenüber dem allgemeinen Trend, sich an möglichst nichts mehr richtig binden zu wollen, als recht resistent. Ein reges Seniorennetzwerk setzt seit 2011 neue Impulse. Es gibt offene Treffs, Fitness-Angebote, Spielnachmittage und ein regelmäßiges „Veedelsfrühstück“. Hinzu ist mit „Willkommen in Brück“ eine Initiative gekommen, die sich um Flüchtlinge kümmert. Viele, die mitgeholfen haben oder immer noch mithelfen, loben ein neues Netzwerk, das sich nicht nur mit Flüchtlingen befasst, sondern auch den Ort aktiv mitgestaltet.
Und noch etwas erweist sich als äußerst vital und prägend: Hier wird kräftig Karneval gefeiert – im Festzelt auf dem Marktplatz, im Saal des Brücker Hähnche sowie Karnevalssonntag auf den Straßen. Die KG „Löstije Brücker Müüs“ organisiert Veranstaltungen und einen herrlichen Veedelszoch. Da ist dann auch ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Veedels zu bestaunen. Mit den Brücker „Funken blau-weiß Feinripp“ präsentiert der Stadtteil eine in Köln einmalige Karnevalstruppe: einen in langen Unterhosen tanzenden Männerbund.
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