Veedels-CheckHöhenberg und Vingst – zwei Kölner Veedel, ein Land
Köln-Höhenberg – Es gibt Zahlen und Statistiken, bei denen die Vororte Höhenberg und Vingst weit hinten liegen. So ist man mit 42 Prozent Kinderarmut und 28 Prozent überschuldeter Familien derzeit das Schlusslicht in der Skala. Aber es gibt auch einiges, mit dem die beiden Stadtteile so richtig punkten können, Vorbildcharakter für die gesamte Stadt haben und weit vorne liegen. So etwa mit der in dieser Woche angelaufenen Ferienspiel-Aktion Hövi-Land, bei der 620 Pänz von 113 jugendlichen Leitern und 300 Erwachsenen betreut, bespaßt, bekocht und verpflegt werden – alles ehrenamtlich. Das gibt es so nirgendwo in Köln.
Dazu bietet die Ökumenische Familienwerkstatt Hövi mehr als 100 Veranstaltungen zu Bildung und Freizeit an – zum Null-Tarif. Und über Höhenberg und seine Geschichte gibt es als einzigem der 86 Veedel in der Stadt ein umfangreiches Buch – mit 850 Seiten und 3400 Bildern, dreieinhalb Kilogramm schwer.
Die Ferienspiel-Aktion, in diesem Jahr zum Motto „Die geheimnisvolle Insel Hövi-Land“, ist das Vorzeigeprojekt im Veedel – und das schon im 25. Jahr. Es war von Anfang an ein ökumenisches Projekt. Der damalige Vingster Kaplan Ansgar Puff – inzwischen Weihbischof am Kölner Dom – und die evangelische Jugendleiterin Petra Kempe hatten 1994 die Idee, für die Kinder aus dem Stadtteil, die wegen sozialer und finanzieller Probleme nicht in Urlaub fahren können, ein erlebnisreiches und kreatives Ferienprogramm zu organisieren. Die Grundidee damals wie heute: Ein Veedel hilft sich selbst.
Ausgehend von den beiden Kirchengemeinden wurde seitdem Jahr für Jahr für drei Wochen auf einem Gelände hinter dem Vingster Bad – die Zufahrt wurde auf Beschluss der Bezirksvertretung offiziell in „Hövilandweg“ umbenannt und ist auch so im Stadtplan eingezeichnet – eine riesige Zeltstadt errichtet. Mit Gruppenzelten für die Kinder, mit einer Küche und einem Café für Mitarbeiter und Besucher. Daneben gibt es ein Ausstellungszelt, eine Bühne, einen Spielebus und eine Erste-Hilfe-Station, ein Arzt-Zelt und gar eine eigene Post-Station.
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„Ehrenamtlich“ heißt das Zauberwort, und so engagieren sich jedes Jahr mehr als 110 Jugendliche und 300 Erwachsene aus allen Altersstufen, die zumeist selbst in den beiden Stadtteilen leben. Darunter viele „Wiederholungstäter“, die für diese drei Wochen mit den Pänz sowie zusätzlichen Auf- und Abbau-Tagen große Teile ihres Jahresurlaubs investieren. Und so mancher Junge und manches Mädchen, die vor Jahren Hövi-Land als Kind miterlebt haben, sind inzwischen zum Gruppenleiter oder gar Motto-Minister aufgestiegen. Auch wenn Hövi-Land vorrangig von den beiden Kirchengemeinden getragen wird, ist es längst zu einer Stadtteilaktion geworden, an der sich viele Menschen, Vereine und Gruppierungen außerhalb der Kirche beteiligen.
Die Kosten des Projektes liegen bei rund 150.000 Euro. Mehr als die Hälfte davon sind Spenden, rund ein Drittel steuern Stadt und Land bei. Der Rest kommt durch die Teilnahmebeiträge zusammen. Dieser Beitrag ist in all den 25 Jahren unverändert geblieben. Früher waren es 30 Mark, seit der Euro-Einführung dann 15 Euro pro Woche. „Freiwillig darf man auch mehr bezahlen, aber viele Familien sind mit 45 Euro für drei Wochen schon überfordert“, hat Sozialraumkoordinator und Mit-Organisator Andreas Hildebrand beobachtet.
„Bei den Anmeldetagen haben wir kürzlich noch mal hautnah erlebt, wie viele Familien an der Armutsgrenze sind und bei jedem Cent, den sie ausgeben, genau überlegen müssen.“ Allerdings ist eins auch ganz klar: Kein Kind bleibt aus finanziellen Gründen zu Hause, alle machen gemeinsam Urlaub.
„Ökumene ist doppelt so gut und halb so teuer“, weiß der äußerst rührige Pfarrer Franz Meurer, der das gesamte Jahr über Spenden für die Projekte im Veedel sammelt und für seinen Einsatz bereits zum alternativen Ehren-Bürger ernannt und von Karnevalisten mit dem „goldenen Steuerrad“ ausgezeichnet wurde. Mit Blick auf die Angebote der Ökumenischen Familienwerkstatt gerät Meurer regelrecht ins Schwärmen. „Da ist doch wirklich für jeden etwas dabei.“ Das Angebot reicht vom Tanz-Training für die Mini-Mäuse, Yoga, Basketball über Näh- und Koch-, Mal- und Bastelkurse bis hin zu Heilfasten, Karneval für Frauen, einer Holzwerkstatt für Männer und vielem mehr.
So manche der jeweiligen Veranstaltungsorte finden sich auch in dem von Reinhold Horz herausgegebenen Buch „Leben auf dem Höhenberg“ wieder. „Es ist entscheidend, Geschichte und Geschichten festzuhalten, die sonst in einigen Jahrzehnten verschwunden sein werden. Dieses Buch ist ein wichtiger Ansatz dafür“, lobte Mario Kramp, Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, die achtjährige Fleißarbeit des Hobby-Historikers Horz. Ausführlich beschreibt Heimatforscher Straßen, Siedlungen und Häuser, von denen so manche unter Denkmalschutz stehen.
Vingster Hof existiert seit 1186
Ist in Vingst der Vingster Hof, der schon im Jahr 1186 urkundlich erwähnt wurde, eines der architektonischen Schmuckstücke, so ist es in Höhenberg die Germania-Siedlung. Diese wurde zwischen 1920 und 1928 von der Wohnungsbaugesellschaft GAG auf dem ehemaligen Gelände der „Zeche Germania“ errichtet – mit 1400 Wohnungen für Arbeiter, Angestellte und Beamte.
Namhafte Architekten waren an der Planung beteiligt, denen die Siedlung ihre Besonderheit verdankt. Die verschiedensten Baustile der Weimarer Republik finden sich hier vereint zu einem Gesamtwerk, das schon damals als vorbildlich für den städtischen Wohnungsbau galt und nach einer umfangreichen Sanierung seit einigen Jahren wieder in neuem Glanz erstrahlt.
Museumswohnung eingerichtet
Wie Menschen in der Siedlung früher wohnten, kann man in einer originalgetreu eingerichteten Museumswohnung erfahren, die die GAG in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum im Paul-Schwellenbach-Haus an der Weimarer Straße gestaltet hat.
Überhaupt ist diese Wohnungsbaugesellschaft früher wie heute der größte Vermieter im Veedel. Die GAG besitzt oder verwaltet mehr als 60 Prozent aller Wohnungen in Vingst und Höhenberg. So auch an der Sibelius- und an der Oranienstraße, im Neubaugebiet Vingstveedel und in der renovierten Nobel-Siedlung.
Nicht nur da zeigt sich, dass das Veedel aufgehübscht wird. So werden derzeit an der U-Bahn-Station an der Kuthstraße die seit Jahren von den Bürgern geforderten Aufzüge eingebaut und sogar an der Germaniastraße, die mit Schlaglöchern, maroden Radwegen und Bürgersteigen jahrelang als eine der schlechtesten Straßen der Stadt galt, haben kürzlich die Bauarbeiten zur Sanierung begonnen.
Die größten Baustellen in den Vingst und Höhenberg
Wie in den Nachbarstadtteilen fehlen auch in Vingst und Höhenberg weiterhin Plätze in Kindertagesstätten und in den Schulen. Die Grundschulen sind genauso überfüllt wie die Gesamtschule. Nachdem die Wohnungsbaugesellschaft GAG in den vergangen Jahren viele ihrer Wohnungen – von der Germaniasiedlung bis zum Vingstveedel, von der Nobel- bis zur Sibeliusstraße – weitgehend renoviert hat, wünschen die Bürger weitere Neubauten. So schon seit Jahren auf dem Gelände des städtischen Bauhofes an der Frankfurter Straße. Doch statt junger Familien residieren auf dem Areal weiter Steine und Schilder. Geduld braucht es hier oft: Bürger und Kommunalpolitiker hatten bereits vor mehr als zehn Jahre über den Zustand von Fahrbahn, Radweg und Bürgersteig an der Germaniastraße geklagt. Vor drei Monaten haben die Sanierungsarbeiten begonnen. Das Ende ist noch nicht absehbar.
Die Geschichte von Vingst und Höhenberg
Im Jahr 1003 wird Vingst erstmals in einer Schenkungsurkunde des Kölner Erzbischofs Heribert an die Abtei Deutz erwähnt. Es gibt allerdings Hinweise, dass der Ort bereits in römischer Zeit besiedelt war, schließlich führte eine römische Hauptstraße von Porz aus über Vingst nach Norden. Lange Zeit war Vingst ein ländlicher Ort mit dem heutigen Heßhofplatz als Mittelpunkt und dem Unkelshof, dem Gremberger Hof sowie dem vor 1180 erbauten und heute noch existierenden Vingster Hof. Von 1900 bis 1910 führte Vingst mit Gremberg eine eigene Bürgermeisterei innerhalb der damals selbstständigen Stadt Kalk. Erster und einziger Bürgermeister von Vingst war Aloys Kuth. Am 1. April 1910 wurde Vingst nach Köln eingemeindet. Höhenberg entstand im Zuge der Industrieansiedlungen in Kalk. Erste Wohnhäuser wurden nach 1840 – da zählte man vier Einwohner – gebaut. 1905 gab es 40 Häuser, in denen 364 Menschen lebten. 1910 wurde die Pfarrkirche St. Elisabeth geweiht und zwischen 1920 und 1928 entstand unter der Regie der Wohnungsbaugesellschaft GAG nach und nach die Germania-Siedlung mit insgesamt mehr als 1500 Wohnungen, die heute weitgehend unter Denkmalschutz stehen. Seit 1927 ist Höhenberg ein eigener Stadtteil.