Mehr ausgesetzte TiereSo knapp wurde das Tierheim Opladen von der Flut verschont
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Leverkusen – Sechs Meter vor dem Parkplatz war Schluss: Da stoppte die Flut in der Nacht zum 15. Juli am Tierheim in Opladen. „Wir haben unfassbares Glück gehabt“, sagt Gerd Kortschlag, Leiter des Tierheims. Noch in der Nacht habe er einen Anruf vom Krisenstab der Stadt erhalten, zu zweit hätten sie dann die Tiere im Erdgeschoss in Boxen gepackt und auf die erste Etage gebracht. Das Blöde: Solche Tierboxen sind sperrig. „Deswegen sind die auseinandergebaut“, erklärt Kortschlag. Er musste sie erst wieder zusammenbauen, um Hunde und Kaninchen in das sichere Obergeschoss zu bringen. Mit Taschenlampen war er unterwegs, der Strom war da schon ausgefallen: „Das war schon Aufregung für die Tiere“, räumt der Leiter ein, aber „besser das als zu ertrinken“.
Die Katzen seien nicht in Gefahr gewesen, sie hätten innerhalb ihres Geheges die Möglichkeit, nach oben zu klettern. Bei denjenigen Hunden, die nicht gefahrlos freizulassen sind, war das schwieriger, man könne die Löwen im Zoo ja auch nicht einfach so freilassen, sagt Kortschlag, erleichtert, dass die Flut letztendlich das Tierheim und alle Tiere verschont hat.
Aufruf bei Facebook
Direkt nach dem Hochwasser gingen viele Futterspenden ein, nicht zuletzt, weil das Wasser auch Futter eines Händlers unverkäuflich gemacht hatte. Gerd Kortschlag hat auch sofort einen Aufruf bei Facebook gepostet, ob Haustierhalterinnen und -halter in Leverkusen in Not seien: Ob wer Futter, Leinen oder Katzenklos oder unentgeltlich einen temporären Platz für seine Tiere braucht, er wollte helfen. Es meldete sich: kaum jemand. „Da war ich verblüfft“, erzählt Kortschlag, es wundere ihn nach wie vor, dass Hilfe scheinbar nicht benötigt wurde. Er wertet es aber als gutes Zeichen.
Lediglich zwei Katzen wurden zeitweise abgegeben, solange die Halter ihre Wohnung in Ordnung bringen. Undein Gecko sei in einer Küche angespült worden, er wird solange gut versorgt, bis sich vielleicht sein Besitzer oder seine Besitzerin melde. Haustiere sind das eine, die Tiere in der Natur das andere: „Welches Tier in die Fluten geraten ist, kann es nicht überlebt haben“, sagt Kortschlag und schätzt, dass rundum die Wupperauen „alles ertrunken“ sein wird.
Viel los ist derzeit im Tierheim nicht: „Der Besucherstrom ist in den Sommerferien sehr übersichtlich“, hat Gerd Kortschlag festgestellt. Neu ist allerdings dieses Jahr, dass deutlich mehr Tiere ausgesetzt werden. „Es gibt immer Fundtiere“, erklärt er. „Aber in den letzten Jahren gab es keinen übermäßigen Anstieg in den Ferien. Das ist dieses Jahr anders.“ Gerade am Morgen hockten zwei Meerschweinchen vor der Tür – obwohl die Mitarbeitenden im Haus waren.
Die These: Es hätten sich während der Pandemie mehr Leute ein Tier zugelegt, man konnte ja vergangenes Jahr auch kaum in Urlaub fahren. Dieses Jahr geht das. Dass die Menschen sich wieder auf in die Ferien machen, sieht Gerd Kortschlag auch daran, dass ihn so viele Fragen nach Pensionsplätzen erreichen, dass er sogar schon Anfragen ablehnen musste. Die ganz große Abgabewelle ist in den Tierheimen bislang ausgeblieben. Doch Kortschlag ist nach wie vor pessimistisch und befürchtet, dass sie in ein bis zwei Jahren kommen wird.
Viele Menschen hätten sich einen Welpen angeschafft, ein Großteil der Hundeschulen sei aber pandemiebedingt geschlossen gewesen, viele Besitzer seien überfordert und hätten keine professionelle Hilfe. Wenn dann der Hund irgendwann in die Pubertät kommt, „landet er im Tierheim“.
Wer doch noch Hilfe bei seinen Haustieren benötigt: Sei es ein vorübergehender Platz im Tierheim, Futter oder Gegenstände, kann sich bei Gerd Kortschlag per E-Mail an kortschlag@tsvlev.de melden.
Ausbau geplant
Das Tierheim will sich vergrößern, doch noch stockt das Projekt. Sie würden immer noch auf die offizielle Baugenehmigung warten, erklärt Leiter Gerd Kortschlag. Zwischenzeitlich musste der Bauantrag geändert werden: Das Tierheim will den Erweiterungsbau nun in Holzbauweise erstellen lassen. Die Vorteile: Man müsse weniger Erde für die Baugrube ausheben. Da das Tierheim auf dem Gelände einer ehemaligen Mülldeponie liegt, müsste der Aushub als Sondermüll teuer entsorgt werden. Bei der Holzbauweise könne die Beton-Bodenplatte kleiner ausfallen, was weniger Aushub und somit weniger Kosten bedeutet. Auch der ökologische Gedanke habe eine Rolle gespielt, betont Kortschlag, und die Bauzeit sei kürzer. Sollte nun die Baugenehmigung kommen und man sich auf einen Anbieter einigen, könnte der Erweiterungsbau „im besten Fall“ im Juli oder August 2022 eröffnen, schätzt Kortschlag. (aga)