Scharfe Kritik an Ministerin SpiegelChats zur Flutnacht sorgen für großen Wirbel
Mainz/Bad Neuenahr – Zwei Tage vor der geplanten Anhörung von Bundesministerin Anne Spiegel im Landtags-Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz sorgen bekanntgewordene Chat-Protokolle für Kritik. Nach den von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) und Focus online veröffentlichten Kurznachrichten ging es zwischen der Grünen-Politikerin sowie ihren Pressesprechern am Morgen nach der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 vor allem darum, ein „Wording“ zu finden, dass sie rechtzeitig gewarnt hätten. Spiegel war damals stellvertretende Ministerpräsidentin und Umweltministerin in Rheinland-Pfalz.
Spiegel schrieb in der veröffentlichten Kommunikation auch, dass sie ihrem Koalitionspartner, Innenminister Roger Lewentz (SPD), zutraue, dass er sage, die Katastrophe habe verhindert werden können oder sei weniger schlimm gewesen, wenn das Umweltministerium früher gewarnt hätte.
Die Warnungen vor der Katastrophe lagen alle vor
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion Bernhard Braun sprach von einer „bösartigen Kampagne“, um die bisherige Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses zu konterkarieren. Die bisherigen Zeugenaussagen im Untersuchungsausschuss hätten eindeutig gezeigt: „Die Warnungen lagen alle vor, auch vor Ort. Auch den für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden, die für die Einsatzleitung verantwortlich waren“, sagte Braun, der auch dem Gremium angehört. „In die Zuständigkeiten der Katastrophenschutzbehörden kann das Umweltministerium nicht eingreifen. Es gab aufgrund der Rückmeldungen die Gewissheit, dass alle Informationen vor Ort vorliegen.“
Blumenschau
Das Ahrtal will 2030 eine Landesgartenschau (Laga) ausrichten. Dies könne ein Zeichen der Hoffnung und eine zeitliche Zielmarke für den gesamten Wiederaufbau sein, teilte die Kreisstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler mit. Die für 2023 an der Ahr geplante Laga war wegen der Flutkatastrophe abgesagt worden.
Der Sprecher des Umweltministeriums in Mainz sagte: „Die Information der Einsatzkräfte vor Ort, die für die Warnung der Bevölkerung zuständig sind, war jederzeit über die Meldekette vom Landesamt für Umwelt zu den kommunalen Behörden sichergestellt.“ Spiegel habe am Morgen nach der Flutnacht zu einer Krisensitzung mit den nachgeordneten Behörden zur Hochwasserlage und den anstehenden Aufgaben eingeladen.
„Im Vordergrund der Arbeit des Ministeriums stand die Hilfe für die Menschen vor Ort bei der Wiederherstellung der Trinkwasserversorgung, der Abwasserentsorgung, der Energieversorgung und der Entsorgung der von der Flut herangespülten Müll- und Sperrmüllberge“, teilte der Sprecher mit. Spiegel habe an dem Vormittag auch an einer Sondersitzung des Kabinetts zu der Lage teilgenommen. Zu den nicht-öffentlichen Aktenauszügen des Untersuchungsausschuss werde das Ministerium keine Stellung beziehen.
Machtpolitik über die Not der Menschen gestellt
CDU-Fraktionschef Christian Baldauf kritisierte hingegen: „Spiegel stellt die mediale Performance und machtpolitisches Taktieren über die Not der Menschen im Ahrtal. Das ist beschämend und unwürdig für eine Ministerin.“ Dirk Herber, Obmann der CDU im Untersuchungsausschuss, forderte von Spiegel eine „lückenlose Aufklärung im Hinblick auf ihr Krisenmanagement in der Flutnacht“. Spiegel solle zudem sämtliche Kontakte zum Innenministerium während der Katastrophe offenlegen.
Der Obmann der SPD-Fraktion, Nico Steinbach, sagte: „Eine Kommentierung der Veröffentlichungen verbietet sich zum jetzigen Zeitpunkt, um die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht noch weiter zu beschädigen.“ Das Gremium werde am Freitag mit den Betroffenen „im Gesamtkontext der kompletten Akten – und nicht nur willkürlicher Auszüge daraus“ - den Dingen umfassend und tiefgehend auf den Grund gehen können.
Bei der Flutkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli 2021 waren im Ahrtal 134 Menschen ums Leben gekommen, und rund 750 verletzt worden. Viele leben noch immer in Not- und Ausweichquartieren. Der Untersuchungsausschuss des Landtags will aufklären, wie es zu der verheerenden Sturzflut kommen konnte.
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Spiegel wird dazu am Freitagabend in Mainz erwartet. Am Mittwoch war sie allerdings erneut positiv auf Corona getestet worden und weiterhin in häuslicher Isolation, wie eine Sprecherin des Ministeriums sagte.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt seit August 2021 gegen den damaligen Landrat Jürgen Pföhler sowie ein Mitglied seiner früheren Einsatzleitung. Es geht um den Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen wegen womöglich zu später Warnungen und Evakuierungen der Flutkatastrophe. (dpa)