Der Anwalt des 44-jährigen Busfahrers schilderte, dass der Familienvater sich von dem Angriff nie wieder erholt habe. Sein rechtes Auge ist irreparabel geschädigt.
Für zwei JugendlicheHaftstrafen nach brutaler Attacke auf Busfahrer in Troisdorf gefordert
War es ein fast tödlicher Racheakt oder pure Notwehr? Im Bonner Landgerichts-Prozess um einen 44-jährigen Busfahrer, der von zwei jungen Männern ins Koma geschlagen wurde, wurden die Plädoyers gehalten. Die Staatsanwältin hat für beide Angeklagte – 23 und 20 Jahre alt – wegen gefährlicher Körperverletzung eine Jugendstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten Haft gefordert. Sie ist sich sicher, dass die beiden Angeklagten am 23. November 2021 den Fahrer am Busbahnhof in Troisdorf angegriffen haben, nachdem er in einer Dienstpause von der Toilette zurückgekommen war.
Der mutmaßliche Hintergrund des Verbrechens: Der Jüngere der beiden Angeklagten, damals 18 Jahre alt, hatte sich wiederholt über den Busfahrer geärgert. Zuletzt, als der 44-Jährige von ihm sein Busticket sehen wollte. Da hatte er den Stadtwerke-Fahrer beleidigt, ihm den Stinkefinger gezeigt und den Bus wieder verlassen. Das habe er nicht auf sich sitzen lassen wollen.
Verteidigerin fordert Freispruch für 20-jährigen Angeklagten
Die beiden Angeklagten hatten eingeräumt, den 44-Jährigen geschlagen zu haben. Beide haben beteuert, dass das spätere Opfer auf sie zugekommen sei - und dieser den ersten Faustschlag versetzt habe. Um diesen wichtigen Beweispunkt aufzuklären, hatte die 8. Große Strafkammer unter dem Vorsitz von Anja Johansson noch kurz vor den Plädoyers einen Zeugen der Verteidigung geladen, der an dem Abend beim Vorbeigehen die Szene beobachtet haben will. Der aber konnte auch kein klärendes Licht auf die Situation werfen. Der Zeuge bestätigte zwar, dass der Busfahrer offensiv auf die beiden Angeklagten losgegangen sei, aber ob er auch geschlagen hat, das habe er nicht gesehen.
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Dennoch forderte Verteidigerin Melanie Jüde nach einem ungewöhnlichen Plädoyer für den 20-Jährigen einen Freispruch. Sie geht davon aus, dass ihr Mandant in Notwehr gehandelt habe: Entweder weil er tatsächlich vom Busfahrer angegriffen wurde oder weil er bei diesem brenzligen Aufeinandertreffen glaubte, dass der 44-Jährige ihm einen Schlag versetzen werde.
Dass die Situation schließlich völlig eskaliert und der Busfahrer schwerverletzt liegen geblieben ist, bezeichnete Jüde juristisch als einen Notwehr-Exzess: Der Angeklagte sei über die normalen Grenzen einer Notwehr hinausgegangen. Er habe mehr gemacht als nötig, um sich zu wehren.
44-Jähriger kann seinen Beruf nach brutaler Attacke nicht mehr ausüben
Nebenklage-Anwalt Thomas Ohm hingegen hat für beide Angeklagte vier Jahre Jugendstrafe und mindestens 10.000 Euro Schmerzensgeld gefordert. Er schilderte erneut, dass der Familienvater sich von dem Angriff nie wieder erholt habe; er sei nicht mehr in der Lage, seinen Beruf wieder auszuüben.
Abgesehen von dem Trauma ist sein rechtes Auge irreparabel geschädigt. Als Zeuge hatte der 44-Jährige geschildert, dass er den Jüngeren tatsächlich wegen des Stinkefingers zur Rede stellen wollte. Aber dazu sei es gar nicht mehr gekommen; er sei sofort von hinten gepackt und geschlagen worden.
Es ist bereits der dritte Prozess um den brutalen Vorfall vor drei Jahren. Zweimal bereits mussten sich die Jugendlichen vor dem Amtsgericht Siegburg verantworten. Schließlich wurde das Verfahren an das Bonner Landgericht verwiesen: Nicht ausgeschlossen, so das Argument der Richterin, dass es bei der Straftat - auch wegen der Schwere der Verletzungen - um ein versuchtes Tötungsdelikt handelt. Davon allerdings scheint keine Partei mehr auszugehen: In den Plädoyers wurde diese rechtliche Möglichkeit nicht mehr thematisiert.
Ein Urteil soll in zwei Wochen gesprochen werden.