Das Landgericht Bonn hat einen 44-jährigen Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs verurteilt. Die Taten liegen 18 Jahre zurück.
Landgericht BonnDrei Jahre Haft für 44-Jährigen wegen sexuellen Missbrauchs in Königswinter

Paragrafen-Symbole am Eingang des Landgerichts Bonn.
Copyright: dpa (Symbolfoto)
Es war eine Schicksalsbegegnung im Frühjahr 2007: Als der damals 13 Jahre alte Schüler seinen kaputten Computer zu einem Fachgeschäft in Sankt Augustin brachte, traf er das erste Mal auf den Mann, der bis heute eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen sollte. Denn der Junge lebte – nachdem die Eltern sich getrennt hatten und die Mutter eine Praxis aufbaute – als Schlüsselkind, völlig auf sich gestellt und vernachlässigt.
Die Begegnung mit dem 13 Jahre älteren Mitarbeiter im Computermarkt, der ihm so freundlich half und zugewandt war, war für das Kind ein unerwartetes Geschenk. Die beiden verabredeten sich bald darauf zum Billardspielen, kochten zusammen in der Königswinterer Wohnung des Mannes, machten Ausflüge. Er wurde sein Freund, sein Kumpel.
Das Opfer hoffte nach Jahren auf eine juristische Aufarbeitung
Doch wenige Monate später wurde der 13-Jährige das erste Mal von dem Älteren missbraucht. 18 Jahre später hat das Bonner Landgericht den heute 44-jährigen Tontechniker wegen schweren sexuellen Missbrauchs in sechs Fällen zu drei Jahren Haft verurteilt. Sein junger Freund – mittlerweile ein erfolgreicher Unternehmer mit 35 Mitarbeitern – hatte ihn erst vor zwei Jahren wegen der Übergriffe in den Jahren 2007/2008 angezeigt, da er – laut Urteil – „mit der Geschichte nicht fertig geworden“ sei.
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Bis zu seinem 18. Lebensjahr, so hatte er es den Richtern erzählt, sei er sich nicht sicher gewesen, ob er nicht doch homosexuell ist. Alle späteren Beziehungen mit Frauen waren demnach hochproblematisch, weil er keine körperliche Nähe zulassen konnte und immer den Argwohn hatte, benutzt zu werden. Allen Freundinnen hat er die Missbrauchsgeschichte mit dem Freund erzählt, den er wegen seines kaputten Computers kennengelernt hatte. Aber alle Gespräche und auch Therapien halfen nichts. Am Ende hoffte der heute 32-Jährige auf eine juristische Aufarbeitung.
Aber der Angeklagte, der dem Nebenkläger direkt gegenüber saß, bestritt sämtliche Vorwürfe und behauptete, der damals 13-Jährige würde ihn verwechseln. Tatsächlich gab es in dieser Zeit noch einen zweiten Täter, ein Mann, der in der Wohnung der Mutter des Kindes lebte. Diesem hatte der Junge sich in seiner Not anvertrauen wollen. Statt Unterstützung zu bekommen, wurde er von dem Mann ebenfalls missbraucht. Der Ältere bot dem Jungen Geld für sadistische Praktiken an. „Ein ganz und gar kranker Mensch“, wie das Missbrauchsopfer ihn später beschrieb.
Eine Verwechslung, so folgerte die Kammer am Landgericht, sei ausgeschlossen. „Die beiden Sextäter haben völlig verschiedene Täterprofile“. „Die präzisen und detailreichen Aussagen des Opfers sind so glaubhaft, dass es keinerlei Zweifel gibt“, so Kammervorsitzender Wolfgang Schmitz-Justen. „Wir glauben ihm restlos.“
Freundin hielt viele Einzelheiten in einem Tagebuch fest
Auch, weil der 32-Jährige den Angeklagten nicht übertrieben belastet habe: „Obwohl sein kindliches Vertrauen und Anhänglichkeit so furchtbar missbraucht wurden, hat er ihn eher geschont.“ Darüber hinaus habe er sich sogar selbst belastet: Auch er habe Schuld an dem Missbrauch, weil er damals nicht nein gesagt habe.
Wenn es noch Zweifel gegeben hätte, so hätte ein Tagebuch aus dieser Zeit diese widerlegt. Ein Mädchen, das den 13-Jährigen mochte, hatte Tag für Tag aufgezeichnet, wie verunsichert der Schüler in der Zeit der Übergriffe gewesen sei. Auch, dass er Angst gehabt habe, schwul zu sein, nachdem er den Mann kennengelernt habe. In dem Tagebuch stehen viele Einzelheiten, die der Junge dem Mädchen zeitnah anvertraut hatte. „Dem Tagebuch sei Dank“, so Schmitz-Justen im Urteil. Es sei das Drehbuch zu diesem Missbrauch.