Ein herabstürzender tonnenschwerer Ast verletzte 2021 eine Chirurgin im Troisdorfer Stadtwald. Jetzt verklagt sie die Stadt auf Schadensersatz.
Schwere VerletzungenÄrztin verklagt Stadt Troisdorf wegen herabstürzenden Astes im Wald
Es war ein gewaltiger Ast, der vor mehr als drei Jahren von einer uralten Roteiche im Wald des angrenzenden Vogelparks in Troisdorf auf eine Spaziergängerin gefallen war: zwölf Meter lang, mit 40 Zentimeter Durchmesser und einem Gewicht von mehr als 200 Kilo. Es fehlte nicht viel, und die damals schwangere Frau wäre von dem plötzlich herabstürzenden Riesenast erschlagen worden.
Die 39-Jährige wurde immer noch so hart getroffen, dass sie zu Boden ging und bewegungslos liegen blieb. In der Bonner Uniklinik stellten die Ärzte Brüche der Brustwirbel und am Schulterblatt fest, eine große Platzwunde am Hinterkopf sowie Hirnblutungen. Nicht nur die Frau, auch das Kind konnte gerettet werden. Geblieben sind dennoch Einschränkungen ihrer rechten Hand, weshalb sie nicht mehr als Chirurgin arbeiten kann.
Vor dem Bonner Landgericht hat die heute 42 Jahre alte Ärztin die Stadt Troisdorf wegen des „Naturereignisses“ vom 24. Juni 2021 auf 120.000 Euro Schadensersatz verklagt. Sie wirft der Stadt mangelnde Verkehrssicherung vor: Der Wald, der an den Vogelpark angrenzt, werde nicht regelmäßig kontrolliert, und damit werde die Gefahr von Astbrüchen nicht verhindert. Immerhin habe sie sich damals mit einer Freundin und ihrem Hund auf einem ausgewiesen Rad- und Spazierweg befunden, der das Stadtzentrum mit Spich verbindet. Es gab kein Sturm, keinen Wind, das Wetter sei unauffällig gewesen.
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Bonner Richter macht der Klägerin wenig Hoffnung auf Erfolg
Der Vorsitzende der 1. Zivilkammer, Stefan Bellin, machte im Gütetermin deutlich, dass die Klägerin trotz des tragischen Vorfalls kaum eine Chance vor Gericht habe: Ein Wald unterliege per Gesetz keiner Verkehrssicherungspflicht. Denn einem Waldeigentümer sei es nicht zuzumuten, permanente Maßnahmen gegen „typische Waldgefahr“ – wozu vor allem Astbrüche gehörten – zu ergreifen. Deswegen gebe es die klare Regel für jeden Spaziergänger: „Wer in den Wald geht, der handelt auf eigene Gefahr.“ Entsprechend hafte die Stadt Troisdorf nicht für den herabgestürzten Ast.
Klägeranwalt Torsten Kowalewsky hielt entschieden dagegen: Der Vogelpark, der ja einer Verkehrssicherungspflicht unterliege, gehe ohne eine Markierung oder einen Hinweis in den Wald über. „Für Besucher ist nicht zu erkennen, wo der Park endet und der Waldweg beginnt.“ Auch gebe es „eine Kenntnis von einem sehr schlechten Zustand des Waldes“, in dem sich viele Menschen aufhielten, oft sogar Kindergartengruppen. Wiederholt, auch schon vor dem Unfall, habe die Klägerin bei der Stadt wegen morscher Baumzustände Alarm geschlagen: Aber darauf sei vielfach gar nicht oder erst sehr spät reagiert worden.
Stadtverwaltung sieht den Troisdorfer Wald in einem guten Zustand
Der Leiter des städtischen Grünflächenmanagements widersprach: Die Troisdorfer Forstflächen seien noch in einem guten Zustand, auch wenn die Schäden des Klimawandels zunehmend sichtbar seien. Natürlich könne er nicht mit seinen zwei Mitarbeitern die 190 Hektar Wald regelmäßig kontrollieren; allerdings gebe es regelmäßige Begehungen in der Nähe von Bänken, Schutzhütten, angrenzenden Straßen oder Grundstücken.
Trotz rechtlicher Aussichtslosigkeit für die Klägerin schlug der Kammervorsitzende Stefan Bellin wegen des folgenschweren Unfalls einen gütlichen Vergleich vor: Die Stadt Troisdorf zahlt einmalig 6000 Euro an die Klägerin - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Beide Parteien wollen darüber noch einmal nachdenken.
Für die Chirurgin hingegen schien eine Geldzahlung nicht das Wichtigste zu sein. Die Zusage des Forstaufsehers, die er ihr nach dem Termin in die Hand versprochen hatte, war ihr Hauptanliegen: Er werde demnächst mit seinen Leuten in den Wald gehen und aufräumen.