Fahrradanhänger, Deutschlandticket und verschiedene Leihfahrzeuge ersetzen die Großraumlimousine von Familie Franke.
Großraumvan verkauftWie eine Siegburger Familie ohne eigenes Auto lebt
Familie Franke hat die Verkehrswende schon vor fast vier Jahren vollzogen. Damals wurde der Großraumvan verkauft, der ohnehin die meiste Zeit ungenutzt vor der Haustür stand. Seither ist die vierköpfige Familie aus Siegburg ohne eigenes Auto mobil.
„Wir brauchten nicht zwei Tonnen Blech vor der Tür“, beschreibt Felix Franke die Überlegungen, die er mit Ehefrau Rachel anstellte. Einmal die Woche für 500 Meter zum Einkaufen – dafür den Großraum-Van zu starten, erschien den beiden nicht sinnvoll. „Meine Frau fährt ohnehin selten“, sie arbeitet als Selbstständige zu Hause.
Das Auto stand die meiste Zeit ungenutzt vor der Haustür in Siegburg
Die Kinder– heute 19 und fast 16 Jahre alt – waren schon vor dreieinhalb Jahren ziemlich selbstständig unterwegs: Seit der fünften Klasse fahren sie mit Bus und Bahn zur Schule. Und Franke selbst legte damals wie heute die Strecke zum Arbeitsplatz in Spich an der Grenze zu Köln ohnehin meist per Fahrrad zurück.
Einen grundsätzlichen Abschied vom Auto plante das Paar dennoch nicht. „Wir wollten ein kleineres Auto“, sagt Franke, nach einem Elektroauto sahen sich die beiden um. Sie erlebten aber „lustlose Verkäufer“ und fassten einen Plan: „Lass uns das Auto verkaufen und probieren, wie es ohne geht.“
Sein Fazit nach fast vier Jahren? „Es war nicht schlimm, man muss sich ein bisschen umgewöhnen.“ Manche Dinge müssten mehr geplant werden, berichtet der 56-Jährige. Besucht er beispielsweise die Mutter in Schleswig-Holstein, dann mietet er nach der Anreise per Bahn vor Ort ein Auto. „Einfach mal wohin fahren“ geht eben sonst nicht.
Nur wenige Alltagssituationen sind im Gedächtnis, die ein eigenes Auto erleichtert hätte: Eine nächtliche Fahrt in die Krankenhausambulanz gehört dazu. Hin und wieder nutzt die Familie Carsharing-Autos, wenn zum Beispiel die Last für den Fahrradanhänger zu groß und schwer wird: „Mit einer Tochter, die Harfe spielt, braucht man eben manchmal auch einen Transporter.“
Hin und wieder ist Felix Franke manchmal auch mit einem Leih-Lastenrad unterwegs – und er hat Spaß daran, dessen Möglichkeiten auszuloten. So wie unlängst, als er Regalböden abholte und auf dem Heimweg noch vier Getränkekisten einpackte.
Ein Lastenrad gehört nur leihweise zum Fuhrpark der Siegburger Familie
„Es macht Spaß“, beschreibt der Familienvater die Fahrt mit dem Lkw unter den Fahrrädern. „Das erste Mal ist das ein Gefühl, als sitze man in einem Bus“; man gewöhne sich aber schnell daran. Wird das also der nächste Zugang zum Fuhrpark der Familie? Eher nein: „Es wäre nicht bei ausreichend Einsätzen im Vorteil.“ Und: „Ich habe schon genug Fahrräder.“
Ein Pedelec oder E-Bike ist nicht darunter. „Ich komme zum Radfahren über mehrtägige Touren“, die komplette Unabhängigkeit gebe es eben nur, wenn man nicht immer wieder einen Akku aufladen müsse. „Zum Pendeln wäre es sicher angenehmer“, räumt der stellvertretende Sprecher der Ortsgruppe Siegburg im ADFC ein. Und er wisse auch von Leuten, dass sie mit dem E-Bike mehr fahren, das Auto öfter stehen lassen.
Für den Siegburger und die Familie funktioniert der Alltag ohne eigenes Auto
Ist Felix Franke also ein „Überzeugungstäter“ in Sachen Autoverzicht? „Ich schon“, sagt er. Vielleicht sehe die Familie das ein bisschen anders. Aber: „Es funktioniert“, weil eine Buslinie mit gutem Takt vor der Haustür vorbeiführt, der Siegburger Bahnhof nur 15 Minuten Fußweg entfernt liegt. Wenig weiter liegen einige der Carsharing-Stationen in der Kreisstadt entfernt.
Natürlich kennt auch Felix Franke das Argument, dass so etwas auf dem Land nicht möglich sei. „Ein Feigenblatt“ sieht darin der Chemiker, der für seinen Arbeitgeber in der Abteilung technische Schulung tätig ist. „Dann fahren die Leute auch die zwei Kilometer zum Bäcker mit dem Auto“, hat er beobachtet. Die Selbstverständlichkeit, alles mit dem motorisierten Untersatz zu machen, kannte Familie Franke nicht, als sie noch ein Auto besaß.
Stattdessen haben alle vier Familienmitglieder ein Deutschlandticket. Er habe es gekauft, wohl wissend, dass er den Preis nicht „rausfahren“ werde. „Seither fahre ich mehr“, stellt der Siegburger aber fest. Mit dem Ticket entfalle eine Hemmschwelle, man könne „einfach einsteigen“ ohne Nachdenken. Seit langem befürworte er einen kostenlosen ÖPNV für alle, sagt Felix Franke. Das Deutschlandticket gehe „schon mal in die richtige Richtung“.