Der Neubau an der Bahnhofstraße kommt gut voran, doch die Staatsanwaltschaft Köln lässt mit Cum-Ex-Anklagen auf sich warten.
Neues JustizgebäudeSiegburg wartet auf die ersten Steuerbetrugsprozesse
Viel fehlt nicht mehr, dann können im neuen Justizgebäude an der Bahnhofstraße die ersten Urteile gesprochen werden. Im großen Saal im Obergeschoss bewahrt bereits ein Schutzbelag das wertvolle, dunkle Stabparkett vor Schäden. Die Montage der Holzlamellen für die Akustik hat begonnen, und am 4. November, so Bauleiter Valeri Konn, werden die Möbel angeliefert.
„Wir arbeiten uns von oben nach unten durch“, schildert Bauherr Stefan Weismann, Präsident des Landgerichts Bonn, auf der Baustelle. Trockenbau- und Streicharbeiten laufen in anderen Räumen, Parkettböden werden poliert. Als Letztes werden die Türen eingebaut, dann, zum Jahreswechsel, soll die Übergabe erfolgen. Fast im Zeitplan, nachdem Weismann noch im Frühjahr mit der Fertigstellung im November gerechnet hatte.
Sorge um Leerstand im Siegburger Bauausschuss
Vorgesehen sind auf zweimal 220 und einmal 300 Quadratmetern Fläche drei Säle. Die beiden kleineren sind durch eine mobile Trennwand getrennt, sodass sie auch als 440 Quadratmeter großen Saal nutzbar sind. Für Angeklagte gibt es eine Vorführschleuse, für Richter mehrere Arbeitsräume.
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Im Bau- und Sanierungsausschuss der Kreisstadt hatte der Vorsitzende Dieter Thiel unlängst mit besorgtem Unterton den Technischen Beigeordneten Stephan Marks nach einem Zeitplan für die angesetzten Prozesse gefragt: Viel Mühe habe sich die Stadt gegeben, viele Bäume seien gefällt worden, um Platz zu schaffen. Thiel fürchtet, das Gebäude könne fertiggestellt und dann nicht genutzt werden. Marks betonte, er würde sich wünschen, „dass sich andere in der Republik ebenso viel Mühe bei der Aufarbeitung der Prozesse geben“. Ein Zeitplan sei ihm nicht bekannt.
Ohne den größten Fall von Wirtschaftskriminalität der BRD-Geschichte, die sogenannten Cum-Ex-Steuerbetrugsfälle, wäre das 43 Millionen Euro Gebäude wohl gar nicht erst gebaut worden. Statt eines Terminplans gab es in den vergangenen Monaten eher beunruhigende Nachrichten: Die leitende Staatsanwältin Anne Brorhilker hängte ihren Job an den Nagel, um sich in der Bewegung Finanzwende zu engagieren. Das Verfahren gegen Christian Olearius wurde wegen dessen angeschlagener Gesundheit eingestellt. Und das neue Bürokratieentlastungsgesetz dürfte Tätern in die Karten spielen, die Unterlagen jetzt schon nach acht und nicht erst nach zehn Jahren schreddern dürfen.
Erste Prozesse im Siegburger Neubau ab Februar
Genaue Termine vermag auch Weismann nicht zu sagen, hofft aber, dass im Februar der erste Prozess im Neubau stattfindet. Für ihn steht fest: „Das Gebäude wird auf jeden Fall genutzt.“ Die Staatsanwaltschaft Köln habe viele Klagen angekündigt, bislang aber nicht geliefert. Von Gerichtsseite sei alles Nötige erledigt worden, betont Weismann. Ebenso wie die Handwerker im Gebäude hervorragende Arbeit leisteten, gehe es auch bei der Fertigung der Anklagen letztlich um Handwerk. Gute Arbeit hätten auch die Stadt Siegburg und der Rat geleistet, kooperativ und unkompliziert.
Dass es weitergehen muss, steht für ihn außer Frage. Immerhin gebe es bereits mehrere Urteile in Cum-Ex-Verfahren. Der Schaden durch Cum-Cum-Geschäfte, verursacht nach einem ähnlichen Schema, sei noch weit größer, einer Schätzung zufolge 155 Milliarden Euro. Bei verjährten Steuerforderungen seien die Strafverfahren die einzige Möglich des Staats, an sein Geld kommen.
Ein Mahnmal, den Rechtsstaat durchzusetzen
Geld, das nach Ansicht Stefan Weismann fehle, um etwa in wichtige Infrastruktur zu investieren, in Kindergärten, Schulen oder Brücken etwa. Es dürfe nicht sein, dass sich einige wenige derart bereicherten und das nicht verfolgt werde. Letztlich sei die Baustelle auch ein Mahnmal, den Rechtsstaat durchzusetzen. Nicht zuletzt für den Standort Deutschland sei es wichtig, die schwarzen Schafe zu erwischen.
Entsprechend kritisch sieht Weismann das Bürokratieentlastungsgesetz. „Die Aufbewahrungspflicht hätte auf 20 Jahre erweitert statt verkürzt werden müssen“, findet er. Zumal die Erleichterungen mittelständischen Unternehmen nichts brächten, die Belege und Unterlage ohnehin digital speicherten.
Doch auch abgesehen von den Prozessen um die windigen Aktiengeschäfte werde man das Gebäude brauchen, ist sich der Landgerichtspräsident sicher. Gerade bei Wirtschaftsstrafsachen brauche man große Säle, was die Dauer von Verfahren erheblich beschleunigen könne.
Möglich seien große Verhandlungen mit vielen Beteiligten und hohem Medieninteresse landesweit nur in zwei Sälen in Köln und Düsseldorf. Schon allein die moderne technische Ausstattung, etwa zum Simultandolmetschen, werde dazu führen, dass die Siegburger Säle gebucht würden. Und was Cum-Ex angeht, sagt er: „Wir werden das ans Laufen kriegen, da bin ich ganz sicher. Aber es braucht einen langen Atem.“