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Neubauten geplantAnwohner in Siegburg sehen ihre „kleine Gartenstadt“ in Gefahr

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann zeigt in seinen Garten

Anwohner im Dreieck von Hopfengartenstrasse, Hönerlaach und Alfred-Keller-Straße kämpfen um den Erhalt ihrer 'Gartenstadt', Hans G. Knüttgen in seinem Garten.

Seit Generationen verzichten Eigentümer darauf, lukrative Grundstücke in Wolsdorf zu verkaufen. Jetzt wehren sie sich gegen Neubaupläne.

Von Premium-Lage spricht man angesichts solcher Verhältnisse gerne, erst recht in der dicht besiedelten Kreisstadt: Schmucke Villen finden sich in unmittelbarer Nähe des Siegwerks ebenso wie einfachere Wohnhäuser und modernere Mehrfamilienhäuser, es ist ruhig, ausgedehnte Gartengrundstücke und hohe alte Bäume sorgen für gute Luft und Kühle.

Doch Anwohner im Dreieck von Hopfengartenstrasse, Hönerlaach und Alfred-Keller-Straße sehen das Idyll in Gefahr, wenn jetzt zunehmend Grundstücke den Besitzer wechseln und alte Häuser abgerissen werden.

Sorge um eine „kleine Gartenstadt“ in Siegburg

„Wir haben ständig Post von Projektentwicklern im Briefkasten“, schildert Hans G. Knüttgen. Gleich neben seinem Haus an der Alfred-Keller-Straße wird gerade ein betagtes Haus abgerissen und soll seines Wissens nach durch ein Mehrfamilienhaus ersetzt werden, weitere Projekt dieser Art könnten in unmittelbarer Nähe folgen, fürchtet er.

Knüttgen und Nachbarn pochen auf die Geschichte des Viertels als in mehr als 100 Jahren historisch gewachsener „Kleiner Gartenstadt“. Viele Grundstückseigentümer hätten seit Generationen ihre grünen Parzellen nicht verkauft, sondern gehegt und gepflegt. Bis in die 40er Jahre hinein habe es einen städtischen Schulgarten gegeben. Regelmäßig würden Füchse und ein Uhu-Pärchen gesichtet, auch Fledermäuse und Igel seien heimisch, es gebe einen mehr als 100 Jahre alten Baumbestand.

Knüttgen und weitere rund 40 Anwohner haben eine Petition für den Erhalt der Kleinen Gartenstadt unterzeichnet und monieren, dass sie bei dem Vorhaben nicht gehört worden seien. Baurechtlich gilt bei dem Gebiet der Paragraf 34 im Baugesetzbuch, der unter anderem vorsieht, dass sich ein Neubau „in die Eigenart der näheren Umgebung“ einfügen muss.

„Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.“ Davon darf abgewichen werden, wenn es etwa um die „Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes“ geht.

Anlieger fühlen sich nicht von der Siegburger Stadtverwaltung gehört

Die Anlieger fordern, „den demokratischen Weg einzuhalten und vor einem finalen Beschluss den Rat und die Ausschüsse als Vertreter der Siegburger Bürger zu hören“. Das Bauamt setze sich über die Vorteile und den Charakter des Viertels hinweg.

Auf die Petition angesprochen, versichert der Technische Beigeordnete der Stadt, Stephan Marks, dass die Politik über die Vorhaben informiert sei, auch wenn sie nicht unter laufenden Bauvorhaben im Planungsausschuss vorgestellt worden seien.

Ein Haus im Abbruch, das Dach ist bereits abgedeckt

Dieses Haus an der Alfred-Keller-Straße soll einem Fünfparteienhaus weichen.

Konkret gehe es um zwei Fünfparteienhäuser mit jeweils zwei Etagen plus Staffelgeschoss und Tiefgarage, die im Mai genehmigt worden seien. Ähnliche Häuser gebe es seit längerem in der Umgebung. Eine historisch gewachsene Gartenstadt, etwa im Sinne des britischen Sozialreformers und Stadtplaners Ebenezer Howard, der Projekte mit gartenähnlich gestarteten Parks um 1900 vorantrieb, gebe es dort nicht, auch der Unteren Denkmalschutzbehörde zufolge nicht.

„Es kann nicht sein, dass Anwohner über die Erteilung einer Baugenehmigung abstimmen“, betont Marks, schon gar nicht, wenn nach Paragraf 34 direkt an der Straße gebaut werden solle. Auch gebe es in dem Fall keine Verpflichtung zu einer Bürgerbeteiligung. Anders sieht es für ihn mit den großen, von Bebauung umschlossenen Grünanlagen aus: Die seien definitiv schützenswert, und Bauanträge für diese Flächen werde die Stadt auch ablehnen müssen.

Eina Gartenanlage auf einem alten Schwarzweiß-Foto

Der alte Schulgarten auf einem historischen Foto.

Die Frage, wie mit Bauanträgen nach Paragraf 34 umzugehen ist, beschäftigte im Februar 2023 auch die Kommunalpolitik. Die schwarz-grüne Ratsmehrheit wollte vorab über solche Anträge informiert werden. Das allerdings stieß auf den Widerstand des Technischen Beigeordneten, der eine rechtliche Prüfung ankündigte. Die FDP-Fraktion machte Bedenken geltend, der Beschluss könne „bei Betroffenen das Gefühl der Teilenteignung hervorrufen“, das Vertrauen in Politik und Verwaltung gestört werden.

Auf Nachfrage der Liberalen setzte der Landrat Grenzen: Zwar sehe er das Informationsbedürfnis der Kommunalpolitiker, in die Kompetenzen der Bauaufsicht dürfe aber nicht eingegriffen werden. „Die Bearbeitung beziehungsweise Bescheidung von Bauanträgen ist als ein Geschäft der laufenden Verwaltung zu betrachten und unterliegt damit gemäß Paragraf 41 Abs. 3 GO NRW grundsätzlich dem Bürgermeister“, wurde betont. Informationen an Ratsmitglieder müssten anonymisiert werden.

Siegburger Ratsfraktion signalisieren Gesprächsbereitschaft

Jürgen Becker (CDU), Vorsitzender des Planungsausschusses, hob damals hervor, der Landrat habe das Vorgehen „als gemeindeinternes Verfahren zur Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit“ angesehen. Es gehe keineswegs darum, in Baugenehmigungsverfahren einzugreifen.

Knüttgen hofft jetzt, dass die Petition als Bürgerantrag im Rat geprüft werden kann: „Die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion und die SBU haben sich mittlerweile bei uns gemeldet und Gesprächsbereitschaft signalisiert.“