AboAbonnieren

Wahl 2023Benjamin Meybohm will mit viel Mut die finanzielle Misere Niederkassels beenden

Lesezeit 6 Minuten
Benjamin Meybohm (39), der als parteiloser Kandidat bei der Niederkasseler Bürgermeisterwahl am 26. November antritt, steht am Rande des Rheidter Werths.

Benjamin Meybohm (39) tritt bei der Niederkasseler Bürgermeisterwahl am 26. November als parteiloser Kandidat an.

Am 26. November wird in Niederkassel ein neuer Bürgermeister gewählt. Das sind die Kernthemen des parteilosen Kandidaten Benjamin Meybohm.

Bei der Bürgermeisterwahl am 26. November in Niederkassel können sich die rund 31.000 Wahlberechtigten zwischen drei Bewerbern entscheiden. Es kandidieren die beiden bisherigen Vizebürgermeister Marcus Kitz (CDU) und Matthias Großgarten (SPD) sowie der politisch bislang nicht in Erscheinung getretene parteilose Benjamin Meybohm. Die Redaktion hat die Kandidaten zu ihrer Person und ihren politischen Vorstellungen befragt.

Warum kandidieren Sie in einer Situation, in der die Politik in Niederkassel angesichts dramatisch leerer Kassen kaum noch Handlungsspielraum hat?

Benjamin Meybohm: Dass sich Niederkassel in einer, was den Haushalt betrifft, schlechten Ausgangslage befindet, macht die Aufgabe unfassbar spannend und herausfordernd. Natürlich gibt es diverse Gründe für die finanzielle Misere. Die anfallenden Pflichtaufgaben dennoch kreativ, zukunftsgerichtet und bürgernah zu erledigen, erlaubt immer noch einen gestalterischen Spielraum. Wir können in einigen Bereichen immer noch sehr gut handeln und müssen die Stadt stetig weiterentwickeln. Der Wunsch aus der Bevölkerung nach neuen Wegen ist sehr groß und Herausforderungen anzunehmen und zu lösen liegt mir im Blut.

Was qualifiziert Sie für das Amt des Bürgermeisters?

Meine Kandidatur steht für Mut, Entschlossenheit, Fleiß, Ehrlichkeit, Unbestechlichkeit und viel Empathie. Diese Attribute und Fähigkeiten können wir bei den vielen Herausforderungen gut gebrauchen. Wer mir als Bürgerin und Bürger das Vertrauen des Bürgermeisteramts ausspricht, der weiß, dass ich für das „Wir“ in Niederkassel stehe. Jedem Menschen begegne ich mit Respekt und auf Augenhöhe. Viele Anliegen und Prozesse betrachte ich gewohnt analytisch.

Welche beiden Themen würden Sie im Falle ihrer Wahl vordringlich angehen?

Die vielen Herausforderungen in Niederkassel auf nur zwei Themen zu begrenzen, ist fast unmöglich. Wir müssen als oberstes Ziel einen ausgeglichenen Haushalt erreichen, damit wir wieder alleinhandlungsfähig sind. Einklang dazu gehört die energetische Ausrichtung der Stadt, um weitere Einnahmen zu generieren.

Wie wollen Sie der dramatischen Haushaltslage der Stadt begegnen?

Verwaltung und Stadtrat müssen mutig sein, auch unbeliebte Entscheidungen zu treffen, was Kürzungen betrifft. Diese werden mit Zahlen belegt sein müssen und im Sinne des Gemeinwohls abgewogen werden. Wir sollten das Haushaltssicherungskonzept nutzen, um alles auf den Prüfstand zu stellen.

Dafür plädiere ich auch externe Beratungsunternehmen mit ins Boot zu nehmen, um einer möglichen Betriebsblindheit vorzubeugen. Ein weiterer Baustein werden attraktive Gewerbegebiete sein, um das Gewerbe stark auszubauen und den Chemiepark Lülsdorf mit rekordverdächtigen Genehmigungsverfahren beim Ausbau unterstützen.

Unzureichende Betreuungszeiten bei den Kitas und offenem Ganztag belasten Niederkasseler Familien. Wie könnte die Stadt bei diesem Thema Abhilfe schaffen?

Ziel werden attraktive Räumlichkeiten mit entsprechenden Angebotsmöglichkeiten sein. Die OGS kann dauerhaft und verlässlich nur durch Träger abgebildet werden.

Der neue Besitzer will das ehemalige Evonik-Areal in Lülsdorf als Gewerbestandort weiterentwickeln. Welche Vorstellungen haben Sie für das Gelände?

Das werden die weiterführenden Gespräche zeigen. In erster Linie obliegen die Verhandlungen zur Erweiterung des Chemieparks Lülsdorf der ICIG und nicht mir. In die Verantwortlichen des Werks habe ich, Stand heute, vollstes Vertrauen und kann von äußerst freundlichen und offenen Gesprächsatmosphären berichten, welche mich sehr optimistisch für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in die Zukunft blicken lassen.

Das geringe Gewerbesteueraufkommen ist eine der Ursachen für die finanziellen Probleme der Stadt. Wie wollen Sie dieses Problem angehen?

Wir werden intelligente und attraktive Gewerbeflächen entwickeln müssen, damit auch attraktive Unternehmen mit relativ wenig Platzbedarf, von Softwareentwicklung, bis Start-up und kleinen Think-Tanks den Weg zu uns finden. Wir können von der Nähe zu Köln und Bonn profitieren, wo kaum mehr (bezahlbare) Flächen und Büros für Unternehmen zur Verfügung stehen.

Um kurzfristig Gewerbeflächen zu ermöglichen, werden wir prüfen, ob wir ein Förderprogramm oder andere Anreize für Bestandsgewerbe auflegen, dass wenn diese entsprechenden Flächen zur Verfügung stellen, wir für eine Übergangszeit von 24 bis48 Monaten neuen Gewerbetreibenden anbieten können. Dies muss im Einklang mit dem Haushaltssicherungskonzept stehen und natürlich auch rechtlich einwandfrei sein.

Eine solche Lösung nimmt Druck aus der Planung und vermeidet Fehler, wie sie in vielen unseren bestehenden Gewerbegebieten passiert sind. Ebenso ist es wichtig, unsere im Wachstum befindlichen Unternehmen in Niederkassel die Möglichkeiten zu bieten, mittelfristig in Niederkassel weiter zu expandieren. Wer einmal mit seinem Gewerbe seine Stadt gefunden hat, verlässt diese auch nicht wieder so schnell, das kann ich aus eigener Erfahrung bezeugen.

Bürgerinnen und Bürger erwarten von ihrer Stadtverwaltung einen bürgernahen Service mit digitalen Angeboten? Welche Ideen haben Sie, um diesen Erwartungen gerecht zu werden?

Im ersten Schritt müssen die Internetseiten der Stadt Niederkassel übersichtlich gestaltet und mit Inhalten gefüllt werden. Es fehlen einige wichtige Punkte und bieten somit auch wenig Serviceinformationen für die Bürgerinnen und Bürger. Im Bereich der Digitalisierung haben wir beim Einsatz von KI noch keine Rechtssicherheit. Das sehe ich auch als Chance, um einige Prozesse mithilfe der KI zu verbessern oder Services mithilfe der KI anzubieten.

Eine telefonische Erreichbarkeit durch KI (Voicebots) ist bereits möglich. Dieser Service soll unbedingt für nicht internetaffine Bürgerinnen und Bürger eingerichtet werden. Eine telefonische Auskunft zu den häufigsten Anfragen kann somit theoretisch 24/7 zur Verfügung gestellt werden. Wir werden den Dienstleistungsgedanken in den Vordergrund rücken und pragmatische Lösungen implementieren, um den bürgernahen Service zu erhöhen.

Je mehr Informationen wir digital den Bürgerinnen und Bürger zukommen lassen, desto mehr Papier und Porto kann gespart werden. Es müssen Prozesse optimiert werden, damit Unterlagen von Bürgerinnen und Bürgern nicht doppelt an die Verwaltung gesendet werden müssen, wie zum Beispiel für die Kita, OGS usw.

Auch in Niederkassel sind die Folgen des menschengemachten Klimawandels immer deutlicher spürbar. Was wollen Sie im Falle ihrer Wahl unternehmen, um mit städtischen Maßnahmen die Folgen zu lindern?

Durch den bereits beschriebenen energetischen Wandel, welchen ich gerne vorantreiben möchte, emittieren wir deutlich weniger CO₂. Durch eine mögliche Biogasanlage haben wir am Ende des Prozess‘ Humus. Und Humus bindet CO₂.

Um in der Landwirtschaft zu bleiben, sollten wir zusammen mit den Landwirten und Experten die Agroforstwirtschaft besprechen, um Felder mit Bäumen zu bestücken. Die Vorteile einer solchen Bewirtschaftung sind sehr vielfältig und ein wichtiger Schritt. Ebenso gehört in meinen Augen auch, dass wir nicht jede freie Fläche in Niederkassel mit einem Wohngebiet oder sonstiger Bebauung versehen. Die Betonplatte am Mondorfer Fähranleger sollte uns ein mahnendes Beispiel sein, wie man es nicht machen darf.

Der Markt/Parkplatz in Niederkassel-Ort ist ein weiteres Beispiel, wo aufgrund der Gegebenheiten eine Pflanzung unmöglich ist. Bereits versiegelte Flächen können mit einfachsten Mitteln begrünt werden. Dazu zählt zum Beispiel das Aufstellen von „Bäumen in Töpfen“.

Eine private Frage jenseits der Politik: Was verschafft Ihnen in der Freizeit einen Ausgleich zu Beruf und Ehrenamt?

Zeit mit den Kindern und meiner Frau und unsere Auszeit sonntags von 09.25 bis 11:30 Uhr. In dieser Zeit bleibt auch das Handy komplett aus und es fühlt sich wie eine Woche Urlaub an.

„Wahlkampfarena“ mit dem Niederkasseler Kabarettisten Christoph Brüske

Alle drei Kandidaten stellen sich am Freitag, 3. November, in der „Wahlkampfarena“ ab 19 Uhr (Einlass 18 Uhr) den Fragen des Niederkasseler Kabarettisten Christoph Brüske. Die Veranstaltung findet im Rheidter Saal „Zur Linde“ (Marktplatz 4) statt. Die Wahlkampfarena wird via Zoom-Meeting auch als Livestream übertragen (Meeting-ID: 885 9340 5428, Kenncode: Wahlkampf).


Zur Person: Benjamin Meybohm

Benjamin Meybohm ist in der Niederkasseler Politik bislang nicht in Erscheinung getreten. Der parteilose 39-Jährige ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er arbeitet als geschäftsführender Gesellschafter eines Dienstleisters für Energieoptimierung bei Druckluft und technischen Gasen.