Neues Buch vom OrtshistorikerGerd Streichardt erforscht Lohmar seit 50 Jahren
Lohmar – Wie ein Löwe hat Gerd Streichardt um den Löwen gekämpft. Das tönerne Relief ist das einzige, was übrig geblieben ist von dem alten Gründerzeithaus an der Hauptstraße 44, das 2017 dem Erdboden gleich gemacht wurde. Der Leo, der Ähnlichkeit aufweist mit dem Stadtwappentier, ziert das neue Buch des Ortshistorikers, in dem es um Altes, Verschwundenes, Erhaltenswertes geht. „Geschichten und Geschehnisse vom Mittelalter bis in die Neuzeit“, so der Untertitel, hat Streichardt auf 222 unterhaltsamen Seiten gesammelt.
Wenn man so will, steht der Löwe sinnbildlich für das Fehlende in Lohmar, meint der Autor. Viele alte, geschichtsträchtige Bauten verschwänden, da sie nicht unter Denkmalschutz stünden, das Stadtbild werde zunehmend durch Neubauten geprägt. Es gibt kein städtisches Heimatmuseum, noch nicht mal eine Vitrine im Rathaus für historische Relikte. So liegt das gute Stück nach fachmännischer Restaurierung durch den Steinmetz Markus Weisheit in Streichardts Gartenhäuschen.
Seit 50 Jahren erforscht der 77-Jährige die Vergangenheit seiner Heimatstadt, bei den Recherchen half mitunter auch die Familie, so der Onkel, der jahrelang im gehobenen Dienst bei der Gemeindeverwaltung arbeitete und ihm Einblicke gab „in das politische und gesellschaftliche Geschehen“, heißt es im Vorwort zu „Querbeet durch unser Lohmar“.
Nicht alles durfte er veröffentlichen. So bewegte in der Nachkriegszeit ein Korruptionsfall im Rathaus die Gemüter, wurden zwar in der Presse damals Namen genannt und Fotos abgedruckt und der Gerichtsprozess begleitet, doch heute habe der Datenschutz ein stärkeres Gewicht, bedauert Streichardt. Sein Tipp: „Im Stadtarchiv wird man fündig.“
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In seinem Buch hat er Höfe und Häuser, Kirchen, Kapellen, Friedhöfe und Wegekreuze beschrieben, sich der Alltagskultur gewidmet, Straßennamen erforscht. Krieg, Flucht und Vertreibung bilden ein Kapitel; Verkehr, Wirtschaft und Handwerk ein weiteres. Dem Leser begegnen viele Namen, Personen, Familien, die den Ort über Jahrzehnte geprägt haben.
Ein wichtiger Schwerpunkt ist die Natur, der Wald, der nicht nur der Erholung diente, sondern stets auch wichtiger Wirtschaftsfaktor war.
Neues Buch zeigt auch Verborgenes in Lohmar
Es ist ein Lesebuch mit Texten und Fotos, so reich an Wissenswertem, dass es immer wieder zum Blättern anregt. Viel Verborgenes gibt es auch heute noch, Gerd Streichardt bringt zum Beispiel den Soldatenfriedhof in Erinnerung, der selbst Einheimischen oft nicht bekannt ist. Akribisch hat der Stadthistoriker Informationen aus längst vergangenen Zeiten zusammengetragen. Verblüffend sind die Details: Auf einer rund 110 Jahre alten Postkarte „Gruß Lohmar“, die die Hauptstraße zeigt, hat er nicht nur die Besitzer der Häuser ausfindig gemacht, sondern auch die Namen einiger dort abgebildeter Leute, Frauen wie Lena Kümmler (links, mit weißer Schürze) und Thekla Haberg (rechts, im schwarzen Kleid), Kinder wie Klara Zimmermann und ihr Bruder Paul, genannt „de Schwan“.
Überhaupt, die Hauptstraße: Erst 1823 bis Siegburg gebaut, 1845 zwischen Beuel und Overath neu ausgebaut, war 1958 eine schöne, ruhige Allee, die zum Flanieren einlud, das zeigt ein Foto der Familien Roloff und Brüns. Metzger, Bäcker, Kolonialwarenhändler hatten hier ihre Geschäfte. Verkehr gab es kaum.
In den letzten Jahren hat die Hauptstraße ein moderneres Gesicht bekommen, auch das beschreibt Streichardt. Für den langjährigen, früheren Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins und viele seiner Mitstreiter vielfach ein Gesichtsverlust. Und das betrifft nicht nur das Haus mit dem Löwen.
Das Buch von Gerd Streichardt, „Querbeet durch unser Lohmar“, Verlag ratio books, ist für 24 Euro im Buchhandel erhältlich.