900-Jahr-JubiläumKurt Oberdörster schreibt ein Buch über das Wahlscheider Platt
Lohmar – Der kleine Kurt spitzte die Ohren, wenn der Vater mit dem Onkel und den Nachbarn diskutierte und auch mal auf den Tisch haute. Die brachten Nachrichten mit aus dem „Jrongk“ (Grund) hinauf nach Schönenberg. Der deftigen Debatte hätten Zugezogene wohl nicht folgen können – und heute kaum noch ein Einheimischer. Dem „Wahlscheder Platt“ hat Kurt Oberdörster ein Denkmal gesetzt, pünktlich zum 900-jährigen Bestehen des Ortes.
Es ist ein interessantes Buch geworden, gefüllt mit vielen Geschichten und viel Geschichte, mit Anekdoten, Sprüchen und Fotos. Platt muss der Leser nicht können, das verheißt der Untertitel „Leserlich in Hochdeutsch geschrieben“.
Der Autor hat auf den 127 Seiten im Hochformat auch ein Stück seiner Familiengeschichte verewigt. Acht Generationen lebten von der Landwirtschaft, vier Generationen bewirtschafteten den Hof in Schönenberg am Rande des Naafbachtals. Mit Kurt Oberdörster endete diese Tradition: „Mein einziger Sohn Ulrich ging zum Gymnasium, studierte Theologie, ist heute Pfarrer.“ Plattdeutsch sprechen kann er nicht.
Das Wahlscheider Platt
Das Wahlscheider Platt ist reich an Umlauten wie ä, ö, ü, das zeigt das Wörterverzeichnis. Einige Beispiele aus Oberdörsters Liste:
Füürspöönsdösjen – StreichholzschachtelBrutkösch – BrotkrusteQuätschewäremt – Milchsuppe mit ZwetschgenÄscheschoß – AschenkastenÄet – EggeSchürepoez – ScheunentorStöver – HandfegerÄssel – EselPärdsbell – Glockepöhle – pflockenbös – bis
Buch über das Wahlscheider Platt: Sohn und Enkel tippten ab
Aber ein wenig schreiben – durch die Mitarbeit an dem Buch. Sohn und Enkel Cedrik tippten Kurt Oberdörsters handschriftliche Aufzeichnungen ins Reine. Zwei DIN A4-Blöcke hatte der Senior in den vergangenen Jahren gefüllt. Außerdem nutzte er als Quelle die Aufzeichnungen von Siegfried Helser, der stets mit den Leuten im Gespräch war und Jahrzehnte lang Begebenheiten sammelte und notierte. „Seine Bücher waren zu Lebzeiten nicht mehr fertig geworden“, bedauert Oberdörster. „Zum Glück haben nach seinem Tod seine Frau Inge und seine Kinder die Reihe »Wie et fröhe woe« veröffentlicht.“
Das Wahlscheider Platt spiegelt das Leben, den bäuerlichen Alltag, die Arbeit und die Feste, Essen und Trinken, Freundschaft und Streit. „Foßball-Fans verkamesölten sich nom Spell“, jemand wurde „for zehn Mond verknackt“, Ehepaare waren „en jot Jespann“, und wenn mal alles zuviel wurde, ging das auf „ken Koh-Hock“ (keinen Kuh-Hocker beziehungsweise Melkschemel).
900 Jahre Wahlscheid
Jubiläumsfeier am 21. August
Vor 900 Jahren wurde Wahlscheid erstmals urkundlich erwähnt: Die Siegburger Abtei forderte die Bewohner auf, eine Mark für Arme zu spenden. Ob die Wahlscheider damals freimütig ihre Abgaben gezahlt haben, ist nicht überliefert. Bekannt ist indes, dass die Wahlscheider zusammenhalten und die Geselligkeit pflegen.
Gelegenheit ist dafür bei der Jubiläumsfeier am Samstag, 21. August, im Forum. „Wir werden alles daransetzen, die Veranstaltung Corona konform auszurichten, sodass wir unbeschwert gemeinsam feiern können“, teilt Bürgermeisterin und Wahl-Wahlscheiderin Claudia Wieja mit. Die Gäste müssen nachweisen, dass sie geimpft, getestet oder genesen sind.
Das Programm gestalten die Chöre Harmonie Honrath, Frohsinn Höffen, St. Cäcilia Neuhonrath, La Voce Honrath und Eintracht Honrath. Horst Schöpe, Bürgermeister a. D. und sachkundiger Bürger rund um die Wahlscheider Geschichte, wird in einem Festvortrag die Vergangenheit des Ortes lebendig werden lassen. Den Abend moderiert Gastwirt Ralf Günther. Karten sind zum Preis von 900 Cent im Laden 78, im Modestübchen sowie an der Infotheke im Stadthaus erhältlich. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr, Einlass ist ab 18 Uhr.
Lesung zum Jubiläum
Bei einer Lesung stellen drei Autoren aus Lohmar und Wahlscheid am Montag, 23. August, um 19 Uhr im Forum Wahlscheid, Wahlscheider Straße 56, Geschichten vor, die sich alle mit Wahlscheid beschäftigen. Kurt Oberdörster liest aus seinem Werk „Wahlscheider Platt“. Gerd Streichardt präsentiert Geschichten, Klaus Schönenberg stellt „Nubbel – elf wahre Lügengeschichten“ vor. Eintritt frei, es werden aber nur 50 Personen eingelassen. Veranstalterin ist die Stadtbibliothek. Anmeldung mit Namen und Telefonnummer unter 02246/15 500 oder per E-Mail.
Meddendren-Bühne und Kirmes
Mit der Meddendren-Bühne am Freitag, 3. September, und der Kirmes gehen die Jubiläumsfeierlichkeiten weiter. (coh)
Einiges erschließt sich erst nach längerem Nachdenken, so „Dä hät en Ähz (Erbse) am wandere“ für jemanden, der nicht ganz gescheit ist. Manches, wie „Do bess noch nit am Schmitz Backes vobei“ (Freu’ dich bloß nicht zu früh), hat die Zeiten überstanden.
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Jedes Platt habe eine eigene Prägung, weiß Oberdörster, ein paar Kilometer machten oft den Unterschied: „Das Seelscheider ist anders als das Wahlscheider.“ Dass die Dialekte verschwinden, sei wohl der Lauf der Zeit. Dass sie nicht verloren gehen, dazu könne sein Buch vielleicht einen kleinen Beitrag leisten.
200 Exemplare, die kleinstmögliche Auflage, hat Kurt Oberdörster auf eigene Kosten drucken lassen. „Wahlscheder Platt“ ist für 15 Euro in Schönenberg erhältlich. Kontakt: 02206-3370.