Rhein-Sieg-Landrat zu Corona„Hätte ich eine weiße Fahne, ich würde sie raushängen“
Rhein-Sieg-Kreis – „Hätte ich eine weiße Fahne, ich würde sie raushängen“, Landrat Sebastian Schuster will zwar nicht kapitulieren, aber: „Wir kommen mit der Bearbeitung nicht mehr nach.“ Bei den Neuinfektionen gebe es erhebliche, so genannte Meldeverzüge, „der wir nicht mehr Herr werden“, so der Landrat. „Die traditionellen Inzidenz-Werte sind nicht mehr belastbar.“ Das Infektionsgeschehen werde nicht mehr realistisch wiedergegeben.
Etwa 1200 Befunde täglich, darauf sind die Kapazitäten ausgelegt. Allein am Dienstag konnten 1318 eingegeben werden. Täglich kommen aber mehr als 2000 Befunde im Kreishaus an. Derzeit sind etwa 6000 PCR-Befunde und 4000 positive Schnelltestergebnisse offen. Darunter seien aber, wie der Corona-Koordinator Ralf Thomas erklärte, auch Folgebefunde. Dazu gehört der Mensch, der ein positives Ergebnis hat und sich jeden Tag wieder testet. Oder es sind Sequenzierungen.
Sieben-Tage-Inzidenz im Rhein-Sieg-Kreis eher bei 1600 anstatt 700
Die an die Schnittstelle zum digitalen System gelieferten Daten können aber nicht automatisch eingepflegt werden. Jeder Befund muss von den mehr als 50 Mitarbeitern angefasst werden. Dabei wird zuerst überprüft, ob es eine Neuinfektion ist. Aktuell hat der Kreis umgestellt und bearbeitet so viel wie möglich tagesaktuell, um die Betroffenen über Quarantäneregeln zu informieren, bevor die Isolation vorbei ist. Zuvor wurde quasi von hinten gearbeitet, die ältesten Daten zuerst.
„Die eigenen Zahlen müssen wir kritisch sehen“, räumte Schuster ein. Er schätzte, dass die Sieben-Tage-Inzidenz nicht bei etwa 700 liegt, wie gemeldet, sondern eher in Bereichen wie in Bonn, dort liegt sie 1600. Der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Wert steht bei 4,67, die Intensivbelegung bei 9,07. Allein mit der Impfkampagne ist Schuster zufrieden, es sind 1,15 Millionen Injektionen verabreicht worden.
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Thomas erklärte, dass bei den PCR-Tests noch keine Vereinfachung des Datenimports in Sicht sei, bei den Schnelltests gerade aber eine Schnittstelle von einem Externen entwickelt werde. Mit dem Landrat war er sich einig, dass das Fehlen einer solch automatisierten Datenerfassung eine Bankrotterklärung in Sachen Digitalisierung der Gesundheitsämter sei. Die sammeln, gesetzlich gefordert, Daten, „möglicherweise sinnbefreit. Erkenntnisse sind daraus nicht zu ziehen“, so Thomas. Die Infektionen überrollen die Verwaltung regelrecht.
„Wir sind noch nicht bei der Umsetzung“, sagte Schuster zur Impfpflicht. Beim Landkreistag haben die vertretenen 31 Landkreise aber schon eine deutliche Stellungnahme entworfen. „Wir können diese verwaltungsseitige Abwicklung personell und datentechnisch nicht leisten.“ Es könne nicht sein, dass den ohnehin schon seit zwei Jahren überlasteten Gesundheitsämtern diese Aufgabe auch noch aufgebürdet würde.