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Omikron-WelleRhein-Sieg-Kreis verzichtet auf Nachverfolgung von Kontakten

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Auch die Erfassung der Infektionsfälle bereite – trotz Unterstützung der Bundeswehr – Probleme. (Symbolbild)

Rhein-Sieg-Kreis – Die Omikron-Welle ist auch in den Krankenhäusern des Rhein-Sieg-Kreises angekommen. Die Helios-Klinik in Siegburg weist im Internet tagesaktuell die Belegungszahlen aus. Waren es vor zwei Wochen noch zwei Patienten mit Covid-19 auf den Normalstationen und einer auf Intensiv, waren es am 26. Januar bereits 22 auf Normalstation, dazu 203 ohne Virusbefund, drei auf Intensiv, 28 weitere wegen anderer schwerer Erkrankungen. In beiden Fällen entspricht das etwa zehn Prozent an Covid-19-Patienten.

Die Kurve zeigt weiterhin steil nach oben. Im Vergleich zu den Vorjahren liegen die Zahlen insgesamt aber niedriger. Bislang hat die Klinik 643 Patienten mit Covid-19 behandelt und entlassen.

Omikron-Welle hat Krankenhaus Eitorf noch nicht erreicht

Durchschnittlich lagen sie 10,9 Tage im Krankenhaus in Siegburg. 129 Menschen starben an und/oder mit dem Virus. 196 Erkrankte wurden auf der Intensivstation behandelt, durchschnittlich 9,3 Tage lang. 113 Patienten mussten beatmet werden, im Durchschnitt 216 Stunden. Vier benötigten die ECMO, die extrakorporale Membranoxygenierung. Dabei wird das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff versorgt und vom Kohlendioxid befreit.

Während in der Helios-Klinik Siegburg deutlich mehr Covid-Patienten ankommen, hat die Omikron-Welle das Krankenhaus Eitorf noch nicht erreicht. „Wir merken noch keinen Anstieg“, sagte Geschäftsführerin Petra Nöhring auf Anfrage. In der vergangenen Woche seien drei bis fünf mit dem Virus Erkrankte stationär behandelt worden. Diese Quote sei seit fast zwei Jahren stabil. „Wir stemmen da als kleines Haus schon eine ganze Menge.“ Prozentual sei das bei 95 Betten vergleichbar mit größeren Häusern. „Wir sind in der Grundversorgung mit unserem Angebot sehr wichtig.“ Aktuell stehe die Gründung eines Verbandes kleiner Krankenhäuser bevor.

Infektionsfälle können nicht mehr tagesaktuell erfasst werden

Unterdessen hat das Kreisgesundheitsamt angesichts der rapide steigenden Infektionszahlen, wie andere Gesundheitsbehörden auch, die Verfolgung der Kontakte Infizierter weitgehend aufgegeben. Eine Nachverfolgung erfolge nur noch bei Infizierten aus den vulnerablen Gruppen, teilte Kreissprecherin Rita Lorenz mit. Zudem berate und unterstütze das Amt Einrichtungen wie Seniorenheime.

Auch die Erfassung der Infektionsfälle bereitet Probleme. „Die rasante Ausbreitung des Coronavirus führt dazu, dass der Rhein-Sieg-Kreis zum jetzigen Stand die infizierten Personen – trotz Unterstützung der Bundeswehr – nicht mehr tagesaktuell erfassen kann“, sagt Lorenz. Wer nachweislich infiziert sei, werde über Verhaltensregeln persönlich informiert – per SMS. Dabei sei angesichts der Überlastung des Gesundheitsamtes aber mit Verzögerungen zu rechnen.

Omikron-Welle in Rhein-Sieg: Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste sind gerüstet

Falls die Lage in der Corona-Pandemie außer Kontrolle gerät, könnte das gravierende Folgen für das öffentliche Leben haben. Wie sind die Institutionen im Rhein-Sieg-Kreis auf eine solche Katastrophenlage vorbereitet? Ein Überblick.

Feuerwehr

Die 19 Feuerwehren im Kreis mit ihren Freiwilligen und den hauptamtlichen Wachen haben Notfallpläne entwickelt, die je nach Lage in unterschiedlichen Stufen greifen.

Die Feuerwehr arbeitet seit dem 17. Januar erstmals in der Geschichte der Feuer- und Rettungsleitstelle in 24-Stunden-Schichten. „Das ist eine Hygienemaßnahme“, bestätigte Kreispressesprecherin Rita Lorenz. Dadurch solle verhindert werden, dass sich Infektionen im größeren Maße verbreiten könnten. Abgestimmt ist das Arbeitszeitmodell mit den Führungskräften und Mitarbeitern. Es ist befristet bis zum 28. Februar. Für die dauerhafte Einführung fehlt das Personal, demnächst sollen 16 weitere Disponenten eingestellt werden.

Außerdem wird der Übungsdienst zurückgefahren, alle Ausbildungsgänge sind ausgesetzt. Geschult wird derzeit nur per Video. Zu den Vorplanungen gehören Schattendienstpläne, die das Infektionsgeschehen aktuell berücksichtigen. Das kann bis zur festen Besetzung von Gerätehäusern bei der Freiwilligen Feuerwehr gehen.

Dirk Engstenberg

Der Kreis würde im Notfall koordinieren, wenn es in einer Kommune keine Wachbereitschaft mehr geben sollte. Dann gäbe es eine überörtliche Hilfeleistung.

„Hygienepläne, Maske und Abstand werden bei den Hauptamtlern viel stringenter umgesetzt als privat“, berichtet Engstenberg. Vor dem Dienst werde jeder getestet.

Bei den Freiwilligen gehe das nicht, sie könnten nicht erst einen Test machen, bevor sie ausrückten. Es gilt 2G, kein Ungeimpfter fährt mit in den Einsatz. Die Impfquote liege bei weit über 90 Prozent, „es sind 95 bis 96 Prozent“, schätzt der Kreisbrandmeister. Die Pläne könnten stufenlos herauf- und heruntergefahren werden. „Wir sind im Moment ja noch in der Vorsorge. Wir wollen Infektionen vermeiden.“

Rettungsdienste

Die Notfallpläne für die Rettungsdienste seien schon zu Beginn der Pandemie geschrieben worden, berichtet Christian Diepenseifen, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Rhein-Sieg-Kreis. Wenn etwa Rettungswagen ausfallen, können Fahrzeuge verschoben oder zusätzliche besetzt werden.

Insgesamt gibt es 17 Rettungswachen. „Wir gehen davon aus, dass nicht alle gleichzeitig schwer belastet werden“, sagt Diepenseifen. Die Hilfsorganisationen haben sich auf scharfe Hygienevorgaben geeinigt, durchgängig wird eine FFP2-Maske getragen, Kontaktvermeidung und Lüften werden durchgehalten.

Christian Diepenseifen

Bei regelmäßigen Treffen der Leitungen mit dem Ärztlichen Leiter werden gemeinsame Maßnahmen abgestimmt. Die Erkrankungs- und Quarantäneraten bei den mehr als 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern waren schon während der vergangenen Wellen sehr niedrig. In den Rettungsdiensten ist die Impfquote bei etwa 98 Prozent. „Da gibt es kein Vertun.“

Auch mit dem Boostern sind viele schon durch. „Wir wollen mit allen Mitteln vor die Lage kommen, damit es nicht erst zu einer Vielzahl von Infektionen kommt“, sagt Diepenseifen. In der Vergangenheit habe es keine einzige Situation gegeben, in der es auch nur annähernd Probleme gegeben habe.

Polizei

„Wir machen das nicht zum ersten Mal“, sagt Polizeipressesprecher Stefan Birk. „Bis hier kein Streifenwagen mehr fährt, muss schon viel passieren.“ Zu den Notfallplänen gehört, dass viele Beamtinnen und Beamte im Homeoffice arbeiten. Auf den Wachen wird der Pool aufgelöst, bei dem die Polizistinnen und Polizisten ihre Schichten frei eintragen können.

Stattdessen werden überall die Dienstgruppen wieder eingeführt, so dass immer dieselben Menschen im Dienst zusammen kommen. Genauso werden feste Teams auf den Streifenwagen gebildet, damit möglichst wenig gemischt wird.

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Im Innendienst laufen die Besprechungen, wo es möglich ist, per Video. In den Dienstgebäuden gelten Maskenpflicht und Mindestabstand, außerdem stehen Selbsttests zur Verfügung. Die Impfquote bei der Polizei liegt im Land bei 96 Prozent. „Bei uns dürften die Werte ähnlich sein“, versichert Birk. „Der Streifendienst und die Leitstelle haben höchste Priorität.“ Würde Personal dort ausfallen, müsste es von anderen Dienststellen ausgeglichen werden.

So könnten Kriminalbeamte und Innendienstler ja auch Streife fahren, schließlich seien das alles Polizisten. In einer weiteren Eskalationsstufe könnte von drei auf zwei Schichten umgestellt werden. Der Verkehrsdienst wird bereits ab diesem Montag auf drei Dienstgruppen umgestellt, die keinen Kontakt zueinander und zu anderen Wachen haben.

Ärzteschaft

„Der Rhein-Sieg-Kreis ist sehr gut aufgestellt“, betont Dr. Jacqueline Hiepler, Ärztin aus Hennef und Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) im Rhein-Sieg-Kreis. Schon jetzt werde in 325 Praxen kreisweit geimpft, „und mehr werden sich vielleicht noch beteiligen, wenn die Zahlen hochgehen“.

90 Prozent der Impfungen würden in den Praxen verabreicht, die schon längst ihre internen Abläufe angepasst hätten: Vieles laufe digital ab, es gebe Sprechstunden per Video oder telefonisch. „Das würden wir dann ausweiten.“

Jacqueline Hiepler

Unter den Beschäftigten getrennte Teams zu bilden lasse sich in einer Praxis mit meist wenigen Mitarbeitenden nicht umsetzen, doch „wir schützen uns alle, testen uns täglich“. In Hieplers Team gab es bislang keine Infektionen, auch im Rhein-Sieg-Kreis gab es bislang „ganz wenige Praxen, die sich abgemeldet haben“. Sollte das der Fall sein, wird die Vertretung nach dem Kollegialitätsprinzip organisiert – so, wie es schon jetzt für Urlaubszeiten üblich ist.

Vorkehrungen zu treffen, sei immer wichtig, betont Hiepler: „Die Sterbefälle von heute sind die Erkrankten von vor vier Wochen.“

Müllentsorgung

Die im März 2020 aufgestellten Notfallpläne wird die Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft (RSAG) aus der Schublade ziehen, wenn es notwendig werden sollte. Das betrifft, wie Vorständin Ludgera Decking sagte, zum einen die 295 Beschäftigten der Logistik, also der Müllabfuhr. In Stufen werde dann zum anderen wie im Vorjahr „die Abfuhr der Fraktionen eingestellt“: Je nach Wichtigkeit werde Müll abgefahren oder eben nicht.

Als erstes beträfe das den Sperrmüll, der keinerlei Einfluss auf die Hygiene hat. Am anderen Ende der Skala stehe der Restmüll, dessen Abfuhr wenn irgend möglich „bis zum Schluss“ aufrecht erhalten werde.

Ludgera Decking

Auch auf den Anlagen wie Müllumladestationen werde nach Dringlichkeit gearbeitet, sagte Decking. „Es muss vor allem Personal da sein, um die Müllfahrzeuge anzunehmen.“ Wenn es schlimmer komme, müsse man über die Öffnungszeiten und schlimmstenfalls über Schließungen nachdenken.

Kopfzerbrechen bereitet der Vorständin die Betreuung von Kindern der Beschäftigten im Krisenfall. Im vergangenen Jahr seien weniger RSAG-Mitarbeitende wegen Corona selbst ausgefallen als wegen fehlender Kinderbetreuung. „Man muss sehen, ob die Beschäftigten kritischer Infrastrukturen ihre Kinder dann in eine Notbetreuung geben können.“

Öffentlicher Personennahverkehr

„Diverse Szenarien“ hätten, so der Geschäftsführer Volker Otto, die Verantwortlichen der kreiseigenen Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft (RSVG) durchgespielt „und auf die meisten Szenarien eine Antwort gefunden“. Bei einem hohen Krankenstand werde das Angebot je nach Wichtigkeit der Verbindungen bedient. Stark genutzte Hauptlinien würden dann vorrangig berücksichtigt, erklärte Otto.

Volker Otto

Zugleich warte man in der RSVG-Zentrale auf weitere Weisungen und Beschlüsse der Politik und reagiere darauf. Sollte beispielsweise entschieden werden, die Schulferien zu verlängern, bleibe der Ferienfahrplan in Kraft. Möglich sei, wie vor etwa einem Jahr, auch ein Betrieb nach Samstagsfahrplan.

Stadtwerke

Seit vielen Jahren gebe es bei den Stadtwerken Troisdorf Notfallpläne, sagt Sprecherin Daniela Simon. „Damit jeder weiß, was er tun soll.“ So seien nach einer Lockerung während des Sommers schon seit zwei Monaten wieder rund 90 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice.

Bei den Monteuren, die das natürlich nicht könnten, seien Teams gebildet worden, damit Krankheit oder Quarantäne im Notfall nur einzelne Mitarbeitende träfen. Kostenfreie Tests bieten die Stadtwerke „schon lange“ an, Weihnachtsfeiern fielen aus.

Sollte es nötig werden, könnte der Energieversorger auf externe Dienstleister zurückgreifen, wie das schon bei der großen Gasumstellung geschehen sei.

Darüber hinaus hielten, so Simon, die Versorgungsunternehmen „ganz klar zusammen“, nicht zuletzt über den Verband der kommunalen Unternehmen, und unterstützten sich gegenseitig.