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BrandschutzbedarfsplanEitorfer Feuerwehr hat tagsüber zu wenig Einsatzkräfte

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Einsatzkräfte, die den Schriftzug der Eitorfer Feuerwehr auf dem Rücken tragen, spritzen aus Schläuchen Wasser in den brennenden Wald.

Großeinsatz für die Eitorfer Wehr: Der Waldbrand auf 8000 Quadratmetern oberhalb der Asbacher Straße im Juni.

Er fühlt sich nicht mehr sicher, warnt Gemeindebrandmeister Jürgen Bensberg und sieht ein Risiko für seine Feuerwehrleute.

Die Eitorfer Feuerwehr ist gut aufgestellt: 106 Freiwillige sind im Dienst (laut Brandschutzbedarfsplan müssen es 108 sein), und die meisten von ihnen sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Alles paletti also, wenn es in Eitorf brennt?

Nur, wenn das Feuer nicht werktags zwischen 6 und 18 Uhr ausbricht: Denn da können maximal fünf Einsatzkräfte innerhalb von vier Minuten an der Wache sein — vorausgesetzt, sie stehen nicht an Kurscheids Eck im Stau. Der ein oder andere aus dem Schichtdienst kommt noch dazu, aber: Der erste Trupp, der zum Brandort ausrückt, besteht nicht immer aus den notwendigen sechs bis neun Einsatzkräften mit den entsprechenden Qualifikationen.

Eitorfer Feuerwehr erreicht den Brandort in den vorgeschriebenen acht Minuten nur zu zehn Prozent

„Die Tagesverfügbarkeit ist zu gering“, urteilte Gutachter Patrick Habeth von der Forplan Forschungs- und Planungsgesellschaft für Rettungswesen, Brand- und Katastrophenschutz in Bonn jetzt im Hauptausschuss. Feuerwehrchef Jürgen Bensberg wurde deutlicher: „Zu gewissen Zeiten der Tagesbereitschaft fühle ich mich nicht mehr sicher. Wir kommen nicht auf die erforderliche Zahl an Einsatzkräften. Das ist ein Sicherheitsrisiko für die, die in den Einsatz gehen.“

Und auch die Hilfe selber kann sich verzögern, wenn nicht ausreichend Personal da ist. Vorgeschrieben ist, dass die Feuerwehr in kritischen Fällen wie einem Wohnungsbrand in 80 Prozent der Fälle innerhalb von acht Minuten nach Alarmierung eintrifft. In Eitorf schaffte es die Wehr im vergangenen Jahr tagsüber unter der Woche gerade mal in zehn Prozent aller Fälle.

Eitorfs Feuerwehrchef Jürgen Bensberg vor dem Gebäude, in dem die Feuerwache West an der Krewelstraße  in Eitorf untergebracht wird.

Eitorfs Feuerwehrchef Jürgen Bensberg vor dem Gebäude, in dem die Feuerwache West an der Krewelstraße in Eitorf untergebracht wird.

Besser sieht es aus, wenn der zweite Trupp ausrückt, der innerhalb von 13 Minuten nach Alarmierung am Brandort eintreffen soll: Dieses Schutzziel schafften Eitorfer Ehrenamtler tagsüber zu 70 Prozent.

Die Tagesverfügbarkeit ist nicht erst seit vergangenem Jahr ein Problem, und die Anzahl der Kräfte nimmt stetig ab. Erschwerend kommt hinzu, dass mit dem drohenden Aus für ZF die Betriebsfeuerwehr, die die Freiwillige Feuerwehr bislang bei Einsätzen unterstützte, nicht mehr zur Verfügung steht: „Das Fahrzeug steht noch auf dem Gelände, die Ausrüstung ist noch da, es wird immer noch alarmiert, aber es kommt keiner“, sagte Bensberg. „Der Antrag zur Auflösung liegt bei der Bezirksregierung.“

Eine dritte Feuerwache für Eitorf soll im Januar 2024 an der Krewelstraße eingerichtet werden

Aus der Gemeindeverwaltung sollten Mitarbeiter für die Feuerwehr gewonnen werden. Vor Jahren war ihre Zahl noch zweistellig, heute ist es noch einer, der das Ehrenamt ausübt. Neben einer schriftlichen Information wolle man mögliche Freiwillige auch persönlich ansprechen, die die Tagesbereitschaft verstärken könnten, kündigte die Erste Beigeordnete Iris Prinz-Klein an.

Den Helfern zu ermöglichen, im Gerätehaus an der Siegstraße per Remote-Arbeitsplatz ihren Job zu machen und die Arbeitgeber einzubinden, schlug Gutachter Habeth vor. Auch Bundesfreiwilligendienstler sollten angesprochen, Aus- und Fortbildungen der Ehrenamtler sozialverträglich gestaltet werden. Wohnraum und Steuererleichterungen könnten weitere Anreize sein. Ein Konzept dazu forderte Sascha Liene (FDP) von der Verwaltung: „Wir müssen aus dem Quark kommen!“

Eine Verbesserung, um die schnelle Erreichbarkeit von Einsatzorten im westlichen Gemeindegebiet sicherzustellen, konnte Jürgen Bensberg im Ausschuss bereits vorstellen: Die Schaffung eines dritten Standorts an der Krewelstraße. Vor drei Monaten erwarb die Gemeinde das große parkähnliche Grundstück für den neuen Schulstandort, Platz für eine schnell geschaffene dritte Wache ist dort auch, wie der Gemeindebrandmeister erläuterte.

Zum Januar 2024 soll die Wache testweise in Betrieb genommen werden, zwei Fahrzeuge können dort stationiert und dafür ein großes Industriezelt aufgestellt werden. Im Bestandsgebäude sollen die Umkleiden eingerichtet werden.


Nicht nur in Eitorf ist die Tagesverfügbarkeit ein Thema. Seit Jahren schon klagen die Feuerwehren darüber, dass es tagsüber knapp ist mit Personal, das über alle erforderlichen Qualifikationen verfügt. Da geht es um die ausreichende Zahl von Atemschutzgeräteträgern oder Fahrer, die die Großfahrzeugefahren können.

In Neunkirchen-Seelscheid lliegt die Erfüllungsquote für die genannten kritischen Einsätze für die erste Gruppe bei etwa 15 Prozent, so der Leiter der Feuerwehr, Henning Eckschlag. Drei Mitglieder der Wehr sind bei Bauhof und Wasserwerk beschäftigt, dazu kommen Schichtarbeiter und Selbstständige, die mit ausrücken. Doch bei den Selbstständigen fallen in den kommenden Jahren aus Altersgründen einige weg. Die Gemeinde arbeite an Konzepten zur Erhöhung der Verfügbarkeit.

In Much liegen Zahlen aus den Jahren 2016 bis 2019 vor, da waren es etwa 31 Prozent, so Pressesprecher Markus Frohn. Er sieht ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. Schichtarbeiter, Selbstständige und Homeoffice-Arbeitende sind tagsüber neben den fünf Gemeindemitarbeitern am Start. Bei neuen Feuerwehrgerätehäusern könnten digitale Arbeitsplätze mit geplant werden, um die Attraktivität fürs Ehrenamt zu erhöhen. (rvg)