In Eitorf droht Einsturzgefahr: Die Arbeiten an der Grube Harmonie werden voraussichtlich noch bis Oktober andauern.
„Ketchupflaschen-Effekt“Spezialisten füllen über 150 Jahre alte Bergbau-Schächte in Eitorf
Halbseitig gesperrt ist seit April die Harmoniestraße, und was zunächst unspektakulär aussieht, hat es in sich – und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Zwei alte Schächte der Grube Harmonie werden seit dem Frühjahr von Spezialisten verfüllt.
4000 alte Schächte hat die Abteilung für Bergbau und Energie der Bezirksregierung Arnsberg in ihrem Programm für Risikomanagement gespeichert und nach Risikogruppen klassifiziert, „Je nach Lage der Grube, was abgebaut wurde und ob der Schacht an einer Straße liegt“, erläutert Fiona Groppe von der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg. Die Grube Harmonie, in der Ende des 19. Jahrhunderts Kupfererz und Schwefelkies abgebaut wurden, stand weit oben auf der Liste.
Eitorf: Schacht-Verfüllung läuft seit April
Nachdem die Grube 1888 außer Betrieb ging, wurde sie mit sogenannten Lockermassen zugeschüttet, Schutt, Erde, Sand. Mit zunehmendem Alter erhöhe sich die Wahrscheinlich des „Ketchupflaschen-Effekts“, sagt Peter Hogrebe, Leiter Nachbergbau NRW in Arnsberg: „Ein Bauteilchen gerät in Bewegung, und dann macht es Blupp.“
Von außen sichtbar sei dies zunächst nicht, erläutert Ingenieur Matthias Höfer. Doch bei einem Bruch rutsche Erdreich weg wie in einem Trichter. Daher sei von der Grube Harmonie durch die Lage unter der Straße durchaus eine Gefahr ausgegangen.
„Alle zwei Tage kommt ein 28-Tonnen-Lkw mit einer neuen Lieferung“, berichtet Frank Nüßler, Polier im Spezialtiefbau. Über eine Schnecke läuft Spezialdämmmaterial, ein zementartiges Pulver, aus dem Silo in einen Mischer, wo es mit Wasser zu einer dünnen Flüssigkeit verrührt wird. Seit dem 12. April wird in Harmonie der Füllstoff in den alten Maschinenschacht gepumpt, bis zu achteinhalb Stunden lang pro Tag. Ein schmalerer Schacht auf der anderen Straßenseite wird ebenfalls verfüllt.
Das Material härte nicht so schnell aus wie Beton, erläutert Geograf Matthias Killing vom Geotechnik-Institut Dr. Höfer. „Es muss ja in die Tiefe gepumpt werden und sich dort ausbreiten.“ 28 Tage härte das grundwasserverträgliche Material aus. Das aufsteigende Grundwasser wird vom Füllstoff verdrängt.
Grubenbilder sind teils über 150 Jahre alt
Anders als bei den Grubenarbeiten damals: Da musste das Grundwasser aus dem Boden gepumpt werden, um in Schacht und Stollen arbeiten zu können. „Mit der Erfindung der Dampfmaschine war dies überhaupt erst möglich“, weiß Killing. War das Wasser abgepumpt, wurde ein Arbeiter herabgelassen.
1866 wurden die Grubenbilder aus Harmonie angelegt, die der Bezirksregierung Arnsberg vorliegen, 1878 weitere Eintragungen gemacht. Ein Maschinenschacht ist eingezeichnet, „90 Meter Sohle, Gang da“ ist zu lesen.
Der Kupfererz führende Gang verlief nördlich und südlich zum Teil unter der Sieg, und je mehr gefördert wurde 1873 schon 100 Tonnen, desto mehr Wasser drang ein; ab 1878 bis zu zwei Kubikmeter pro Sekunde. Das schreibt Bernd Habel in einer Publikation zum Erzbergbau. Das Wasser war dann auch der Hauptgrund für die Schließung der Grube; aber erst 1990 wurde sie offiziell gelöscht.
Eine Betonplatte vor einer privaten Garage an der Harmoniestraße markierte den zwei mal drei Meter großen Schacht von oben. Wo genau der Schacht in der Tiefe verläuft, mussten die Ingenieure erst herausfinden.
Arbeiten dauern voraussichtlich bis Oktober an
Mit einem Sicherheitsabstand von zehn Metern „sind wir dann mit Schrägbohrungen fächerartig in den Boden gegangen“, berichtet Bauleiter Martin Will. „Sind wir auf Wasser getroffen, haben wir keinen Widerstand gespürt, dann wussten wir, dass wir den Schacht gefunden haben. “ Dass es neben der Straße einen Stolleneingang gegeben habe, der auf einem alten Foto zu sehen ist, bezweifelt Killing: „Das kann nichts mit dem Schacht zu tun gehabt haben.“ Er vermutet einen angelegten Gang zur Lagerung von Werkzeug und Lebensmitteln.
Bis Oktober werden die Arbeiten voraussichtlich dauern. Wer meint, das dauere zu lang, sei an die erste Sicherung erinnert: 1844 beschwerte sich Bürgermeister Matthias Engels über den Zustand des damals ruhenden Schachts, der „ganz offen stünde und eine Gefahr für Mensch und Vieh sey“.
Mit starken Hölzern solle er zugelegt, dann mit Rasen und Schutt bedeckt werden, damit das Holz nicht gestohlen werde. Zugegeben, einfacher als heute und mit 79 Talern wohl auch deutlich preiswerter — allerdings dauerte es damals 13 Jahre bis zum Abschluss der Maßnahme. Und ein Jahr später stürzte alles wieder ein.