Ruppichteroth – Die Arzttasche steht fertig gepackt neben der Patientenliege. So kann Jelena Laurent jederzeit zu einem Hausbesuch aufbrechen. Und dafür nimmt die Ärztin auch längere Autofahrten in die entlegenen Ortsteile von Ruppichteroth auf sich. Die 53-Jährige arbeitet seit einem Jahr als Hausärztin in der Bröltalgemeinde.
Hier hat sie eine Praxis übernommen – wie ihre Kollegin Martina Berger, die sich im Haus schräg gegenüber niedergelassen hat. Beide haben von der Strukturförderung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein profitiert.
Die KV will mit Investitionszuschüssen Ärzte aufs Land locken, um dort den Medizinermangel zu bekämpfen. 70000 Euro wurden für Ruppichteroth pro Praxis bewilligt. Das klingt nach einer üppigen Finanzspritze, doch die Summe wird über fünf Jahre gestreckt, und Jelena Laurent hat für die Übernahme ihrer Praxis 130000 Euro bezahlt.
Ein großer Pluspunkt, sagt die Internistin, sei gewesen, „dass ich drei erfahrene Mitarbeiterinnen übernehmen konnte, die viele Patienten sehr gut kennen. Sonst hätte ich das nicht gemacht“.
Jelena Laurent stammt aus Tallinn, der Hauptstadt des heutigen Estland. In Sankt Petersburg hat sie Medizin studiert und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ihre Ausbildung zur Fachärztin absolviert. Im Eitorfer St.-Franziskus-Krankenhaus arbeitet sie lange als Oberärztin. „Ich war glücklich mit meiner Arbeit, die sehr vielseitig war.“ Doch ein Anruf in der Klinik änderte alles: Dr. Kerstin Bartolic suchte für ihre Praxis an der Brölstraße eine Nachfolge.
„Mein Mann und ich hatten uns vor zwei Jahren ein Haus in Ruppichteroth-Büchel gekauft“, erzählt Laurent, die vorher in Siegburg gelebt hat. Ein beruflicher Wechsel lag also in der Luft; und dass sie nun nicht mehr wie in der Klinik an Wochenenden und Feiertagen Dienste übernehmen muss, empfindet die 53-Jährige als großen Vorteil.
Zwar teilt die KV auch Hausärzte für Notdienste ein, doch mit zwei Diensten im Jahr halte sich diese Belastung sehr in Grenzen, findet Laurent.
In ihrer Praxis betreut sie 1000 Kassen- und 200 Privatpatienten. Ihre Klientel nimmt sie als „sehr bodenständig“ wahr. „Auf dem Land probieren es die Leute oft zuerst mit Hausmitteln, die sie noch von der Oma kennen, bevor sie zum Arzt kommen. Manche sind hart im Nehmen.“
Etwa acht Hausbesuche schafft Jelena Laurent an einem Nachmittag, und dazu gehört auch ein Schwätzchen mit den Kranken. „Das ist gerade für die alten Menschen wichtig, die nicht mehr Treppen steigen können“ – die Praxis liegt im ersten Stock. „Sie blühen dann regelrecht auf, wenn man sich ein bisschen Zeit nimmt.“
Für die Ärztin wird es dann abends oft spät. Ein großstädtisches Kulturleben vermisst die Mutter zweier erwachsener Kinder deshalb nicht, zumal sie noch einen Garten mit Hühnern und Enten zu versorgen hat.