Im Haushalt von Ruppichteroth fehlen 3,3 Millionen. Auch in Much und Windeck reicht das Geld nicht.
Leere GemeindekassenBürgermeister der bergischen Kommunen sind am Limit
Drei Bürgermeister, ein Problem: Das Geld in den Gemeindekassen von Norbert Büscher, Alexandra Gauß und Mario Loskill in Much, Windeck und Ruppichteroth reicht hinten und vorn nicht. Firmen und Privatleute hätten in vergleichbaren Situationen längst Insolvenz anmelden müssen.
Über die Situation ihrer bergischen Kommunen sprachen die Rathausspitzen mit der Redaktion Rhein-Sieg. „An der untersten Ebene bleibt alles kleben. Wir betreiben vor Ort inzwischen einen regelrechten Gemischtwarenladen“, klagt der Mucher Bürgermeister Norbert Büscher.
Gemeindefinanzen: Aufgaben der ländlichen Kommunen wachsen ständig
Corona, Katastrophenpläne, Kitaplätze, Breitbandausbau, Aufnahme Geflüchteter, Klimawandel: „Die Investitionsquote ist brutal nach oben gegangen.“ Auch bei der Abwasserentsorgung haben die bergischen Kommunen andere Sorgen als Städte. „Um Grundversorgungsstandards zu halten, müssen wir einen ganz anderen Aufwand betreiben“, wirft Gauß ein.
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Die Aufgaben, die Land und Bund den Gemeinden überließen, wüchsen ständig. Sachkosten würden meist durch Zuschüsse aufgefangen. Auf Personalkosten blieben die Kommunen oft sitzen. Es sei an der Zeit, gesamtstaatliche Aufgaben entsprechend zu finanzieren.
„Die Politik weckt Begehrlichkeiten, wo ich als Verwaltungschef Nein sagen müsste“, erklärt Büscher. Dass ländliche Kommunen mit der Jugendhilfe alleingelassen würden, sei „ein Unding“, wertet Mario Loskill. Der Posten mache allein fünf Millionen Euro im Ruppichterother Haushalt aus, in dem zurzeit 3,3 Millionen Euro fehlen. Beim Öffentlichen Personen-Nahverkehr und den Flüchtlingskosten sehe es ähnlich aus.
„Wir müssen entrümpeln und die Frage stellen, was tatsächlich kommunale Aufgaben sind“, fordert Loskill. „Wie viel Staat brauchen wir?“ fragt Büscher. Eine Folge des Finanzsystems sind Überziehungskredite in zweistelliger Millionenhöhe, die sogenannten Altschulden.
In Ruppichteroth eskalierte die Situation Ende März
In Ruppichteroth eskalierte die Situation Ende März. Um den Haushalt auszugleichen, müsse die Steuer für bebaute Grundstücke verdreifacht werden, verkündete Loskill damals und erntete einen Sturm der Entrüstung. Die Steuer wurde daraufhin nur mäßig erhöht. Eine Kommission soll jetzt prüfen, wie und ob der Haushalt auszugleichen ist.
Die Bürgermeister erinnern an Artikel 28 des Grundgesetzes. Der garantiere Städten und Gemeinden die Selbstverwaltung und finanzielle Eigenverantwortung. Beides sei zurzeit kaum möglich. „Wir müssen weg von voluminösen Förderanträgen. Das ist alles zu kompliziert“, stellt Loskill fest. Zudem binde das System Personal.
Büscher sieht feste Summen, über die die Gemeinderäte entscheiden könnten, als Alternative. „Wir können mit Geld umgehen, das haben wir schon immer bewiesen“, ergänzt Loskill. Er wünsche sich mehr Vertrauen von Bund und Land.
Statt jede Kommune für sich werkeln zu lassen, könne das Land etwa zum Thema Klimawandel Expertenteams einsetzen, die beraten und das Ergebnis als „Blaupause auch für andere“ verwenden, schlägt Gauß vor. „Du willst als Land Veränderungen, dann schick uns deine Experten.“ Auf Landesebene wünschen sich die Bürgermeister schlankere Strukturen.
„Die Bürokratie stammt aus der Zeit, als wir noch Briefe geschrieben haben“, meint Gauß. „Es gibt viel zu viele Regelungen und Kämpfe mit Genehmigungsbehörden. Das trifft neben den Gemeinden auch Unternehmen, die bei uns investieren wollen.“
Unterschiedliche Baugenehmigungsverfahren in den NRW-Behörden
Landschaftsverbände, Regierungspräsidien und Kreise als Verwaltungsebenen, „das gibt es woanders nicht“, sagt Büscher. In NRW gebe es in jeder Behörde unterschiedliche Baugenehmigungsverfahren, andernorts landesweit eins. Sieben Jahre für den Bau einer Windkraftanlage seien ein Unding. Lange Verfahren bei Freiflächen-Photovoltaik verprellten Investoren.
„Staatsverdruss“ fürchtet Gauß. „Wo findet in Gottes Namen denn Demokratie statt?“ unterstreicht Loskill die Bedeutung der Kommunalen Selbstverwaltung in den Rathäusern. Den Bürgern sei nicht zu erklären, dass womöglich Bäder geschlossen werden müssten, weil vor Ort das Geld fehle, sie zu betreiben, meint Gauß. Schon jetzt laufe vieles nur noch, weil sich Bürger stark engagierten.
Dass das Land nun die Initiative ergriffen habe, die Altschulden der Kommunen zu tilgen, sehen die Bürgermeister als einen Schritt in die richtige Richtung. Dass sich unter der Ministerin für Kommunales, Ina Scharrenbach, einiges zum Guten geändert hat, erkennen sie an.
Dass Bayern, wo die Gemeinden solche Schulden nicht haben, sich sperrt, könnten sie nachvollziehen. Bis Einvernehmen mit dem Bund herrsche, müsse das Land aber schon einmal seinen Beitrag leisten und die 196 Gemeinden auf seiner Liste entlasten.