Ruppichteroth/Windeck – Aus dem Viehhandel in der Region waren sie nicht wegzudenken, und bei den Landwirten galten sie als verlässliche Geschäftspartner: Jüdische Viehhändler, unter anderem aus Ruppichteroth und Windeck. Den Geburtstag 170 Jahre Vieh- und Krammarkt im Oberbergischen Waldbröl war für den Ruppichterother Wolfgang Eilmes der Anlass, sich mit ihrer Geschichte zu befassen.
„Der oberbergische Bauer, der auf dem Waldbröler Markt kaufen oder verkaufen wollte, fragte nicht nach der religiösen oder rassischen Zugehörigkeit der Händler, sondern nach ihrer Verlässlichkeit als Menschen,“ zitiert Eilmes aus einem Buch zum 150. Geburtstag des Marktes.
Vor 170 Jahren wurde der Donnerstag als Markttag in Waldbröl gewählt
Immerhin seien schon zu Anfang des Marktgeschehens 75 Prozent der Händler jüdischen Glaubens gewesen. Damit sie rechtzeitig vor Beginn des Sabbats zum Sonnenuntergang am Freitagabend wieder daheim sein konnten, sei vor 170 Jahren der Donnerstag als Markttag gewählt worden.
Dass die jüdischen Familien in Ruppichteroth voll integriert waren, hat Eilmes schon in der Vergangenheit mehrfach belegt. Von Walter Hess, den er 2018 in New York traf, erfuhr er, wie der Markttag bei Großvater Moses und Vater Oskar ablief. „Vater und Sohn standen um 4.30 Uhr morgens auf, frühstückten und trieben dann die Kühe hinunter zur Brölstraße, wo sie auf dem Weg nach Waldbröl die Auflösung der Nebelbänke im Tal und den Sonnenaufgang erlebten“, berichtet Eilmes.
Andere Händler nutzten die drei Bahnstrecken, die zum Marktort führten. Angeboten wurden die Tiere aus dem Bröltal und von der Oberen Sieg auch bis nach Bonn.
Für das Jahr 1930 zählt Eilmes allein aus Ruppichteroth sieben jüdische Händlerfamilien auf. Aus Rosbach weiß er von zweien, aus dem oberbergischen Nümbrecht sollen es fünf und aus Waldbröl selbst sechs gewesen sein. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, 1933, „gab es immer wieder Bestrebungen, die jüdischen Händler vom Viehmarkt zu verdrängen“, berichtet Eilmes.
Wie andere Berufe bis heute benutzten auch Viehhändler eine eigene Gruppensprache. Das, so der Ruppichterother, sei aber keine jüdische Besonderheit gewesen. Dennoch hätten die Nationalsozialisten diese Fachsprache als „Kauderwelsch“ und „Unfug“ diffamiert.
Markt in Waldbröl
Der Waldbröler Vieh- und Krammarkt gilt mit bis zu 150 Händlern auf rund 1000 laufenden Metern Standfläche auf dem Marktplatz und der angrenzenden Hochstraße als der größte regelmäßig stattfindende Markt seiner Art in Westdeutschland. Im Schnitt kommen bis zu 15.000 Besucher aus einem Umkreis von etwa 50 Kilometern.
Die meisten Stellplätze sind – oft seit Generationen – in festen familiären Händen. Kurzfristig freigewordene Plätze sind heiß begehrt und werden jeweils um 7 Uhr vom Marktmeister vergeben. Bei der Zuteilung greift zunächst das anerkannte Prinzip „bekannt und bewährt“, wenn Artikel und Platzbedarf in das angebotene Konzept passen.
Feiertage ausgenommen – dann ist Freitag Markttag – findet der Markt jeden zweiten Donnerstag in Monat von 7 bis 13 Uhr statt. (sp)
Der Waldbröler Stadtrat wollte 1935 den Markt von „Judenmanieren befreien“. Zwei Jahre später sei ein Ratsmitglied gar auf die Idee gekommen, von Juden aufgetriebenes Vieh rot, das anderer Händler grün zu stempeln, weiß Eilmes. 1937 sei allen jüdischen Händlern die Viehhandelserlaubnis entzogen worden. Die meisten Händler der Region wurden ermordet.
Auf dem Markt brach das Angebot gegenüber 1936 mit mehr als 24.000 Tieren um 75 Prozent ein. Der Viehmarkt erreichte nach dem Zweiten Weltkrieg nie wieder sein altes Niveau. Großvieh wird dort heute nicht mehr angeboten. Für Hühner und Kleintiere gilt er noch immer als Umschlagplatz.
In der Altstadt sind auf dem größten Markt der Region alle 14 Tage donnerstags vor allem Textilien, Gemüse und jede Menge Kram im Angebot.