Bröltalhaus in RuppichterothHistorisches Gebäude einsturzgefährdet
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Ruppichteroth – In Schönenberg schwelt ein Konflikt, bei dem es vermutlich keinen Gewinner geben wird. Es geht um ein marodes, mehrfach umgebautes, rund 100 Jahre altes Fachwerkhaus, das von einem Korsett aus neueren Mauern umgeben ist. Als Giulia Moseler es im Sommer 2013 kaufte, sei der Zustand schon schlecht, aber nicht hoffnungslos gewesen, sagt sie.
Dann erhielt ihr Heim, das Bröltalhaus, eine besondere Auszeichnung, 2014 – der Anfang vom Ende, sagt die 58-Jährige: „Der Denkmalschutz bricht mir das Genick.“ Die Korrespondenz mit der Gemeinde, der Kreis-Bauaufsicht, dem Landesamt für Denkmalpflege füllt mehrere Aktenordner. Abgeheftet hat Moseler auch eine anonyme Anzeige gegen sie, wegen ungenehmigter Umbauarbeiten. „Dabei haben wir nur Rigipswände eingezogen.“
Auszug der Mieter verfügt
Mit ihrem Lebensgefährten, einem Handwerker, bewohnt sie einen Teil des Erdgeschosses; unten hatte sie ein paar Räume vermietet, ebenso eine Wohnung im ersten Stock. Die Mieter mussten ausziehen, verfügte das Amt – das Haus sei möglicherweise einsturzgefährdet.
Für Moseler, die als kaufmännische Angestellte in einem Großhandel arbeitet, brachen wichtige Einnahmen weg. Der Zustand wurde bei einer Begehung mit Experten im Frühjahr offenbar: Die Fachwerkbalken im Obergeschoss sind vom echten Hausschwamm befallen, ein Wanderpilz. Moseler müsse ein Fachgutachten beauftragen und einen Statiker, der konkrete Aussagen über die Standfestigkeit des Gebäudes treffen soll, so die Forderung.
Eigentümerin verzweifelt
Laut Amt besteht möglicherweise „Gefahr für Leib und Leben“, bringt Moseler die Gutachten nicht bei, muss sie auch ausziehen – spätestens bis zum 1. September. Die Eigentümerin, die noch den Hauskredit abtragen muss, ist verzweifelt, sagt, sie könne die Kosten für die Gutachten nicht aufbringen, mindestens 7500 Euro, schätzt sie: „Ich verliere mein Haus.“
Bürgermeister Mario Loskill, der nur wenige Hundert Meter entfernt im Schönenberger Rathaus arbeitet, nennt den Fall tragisch: „Die Frau tut mir leid. Ich wäre froh, wenn sie dort weiter wohnen könnte. Aber mir sind die Hände gebunden.“ Die Gemeinde habe als Untere Denkmalbehörde lediglich verfügt, dass Moseler auf dem Dach eine Gewebeplane anbringt, damit nicht noch mehr Feuchtigkeit in tragende Teile eindringt. „Das ist nicht unzumutbar.“
Die weiteren Auflagen habe das übergeordnete Landesdenkmalamt gemacht, alles nach Recht und Gesetz. Die Eigentümerin hatte aufgrund eines ersten Gutachtens eines Bausachverständigen vorgeschlagen, zusätzliche Innenwände (Vorsatzschalen) einzuziehen, Dielenböden und Balken abzureißen und neue Betonböden einzubauen. „Im Inneren ist fast nichts mehr im Originalzustand.“
Doch für die Denkmalschützer würden diese Baumaßnahmen „zu stark den Charakter“ des einstigen Jagdhauses verändern, das während der 1930er Jahre als jüdische Bildungsstätte genutzt wurde, daher ein bedeutendes historisches Zeugnis „Jüdischer Selbsthilfe“ sei. Zudem sei das Gutachten nicht ausreichend. Die Erlaubnis wurde verweigert.
Was passiert, wenn Moseler ausziehen muss, steht in den Sternen. Bei einem möglichen Verkauf würde sie vermutlich draufzahlen: „Ich habe doch schon so viel investiert.“ Doch müsste sich in diesem Fall erst ein solventer Investor finden, der bereit ist, den früheren Landsitz nach den Vorgaben des Denkmalschutzes zu restaurieren.
Steht das Haus wieder für längere Zeit leer, ist die Gefahr groß, dass das Denkmal vollends verfällt und abgerissen werden muss. Das sieht auch der Bürgermeister so. Die finanzschwache Kommune Ruppichteroth könne auf keinen Fall einspringen, bedauert Mario Loskill.
Gemeinde will alte Synagoge erwerben
Der Gemeinderat habe bereits den Beschluss gefasst, ein anderes Denkmal, die alte Synagoge, zu erwerben, wobei die genauen Kosten noch nicht feststehen und somit die Finanzierung noch nicht gesichert sei. Dieses Gebäude ist deutlich besser erhalten als das Bröltalhaus.
Haus mit wechselvoller Geschichte
Das Bröltalhaus in der Brückenstraße im Ortsteil Schönenberg hat eine wechselvolle Geschichte. Einst ein Jagdhaus, war das mehr als 100-jährige Gebäude eines von vier jüdischen Übernachtungsheimen in Deutschland, wurde 1935 bis 1938 – zur Zeit der Naziherrschaft – als Jugendherberge und Bildungsinstitut für jüdische Jugendliche genutzt.
Es sei ein „authentisches Dokument jüdischer Selbsthilfe“, heißt es in den Quellen, die der Landschaftsverband als Denkmalschutzbehörde zitiert.Das NS-Regime habe diese Arbeit nur toleriert im Hinblick auf die Organisation der Auswanderung der Jugend. Nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde es beschlagnahmt, sollte zunächst Parteizwecken dienen, ging aber 1939 in Privatbesitz über.
Lange als Hotel genutzt
Es wurde lange als Hotel mit Kegelbahn und zuletzt zu Wohnzwecken genutzt, stand zwischenzeitlich mehr als 20 Jahre leer. Der Ursprungsbau ist nach mehreren Um- und Anbauten nur noch zu erahnen.
Als es im Jahr 2014 in die Denkmalliste aufgenommen wurde, war es schon in schlechtem Zustand. Die Gemeinde habe es verkommen lassen, hieß es im Planungsausschuss, der sich für die Unterschutzstellung aussprach.Den Anstoß hatte der frühere Gemeindearchivar und Hobbyhistoriker Karl Schröder gegeben, der die NS-Zeit in der Bröltalgemeinde akribisch erforscht hat. Schröder starb 2015.
1986, 28 zuvor also, war der Denkmalschutz für das Haus noch verworfen worden. In einem Schreiben des amtlich bestellten Sachverständigen an die Gemeindeverwaltung Ruppichteroth hieß es damals: „Das Anwesen weist nach den Feststellungen des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege – auch wegen starker Veränderungen – kein ausreichendes Maß an Kriterien auf, um die Denkmaleigenschaft gemäß Paragraf 2 des Denkmalschutzgesetzes zu stützen.“