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Auf der Flucht vor NazisUS-Bürger Wolfgang Tobias besucht das Bröltal

Lesezeit 3 Minuten

Wolfgang Tobias (83, Mitte) mit Kindern und Enkel: Karen Tobias-Stanford, Robert Tobias, Steven Tobias und Zachray Tobias, vor dem Haus, in dem ihre Vorfahren eine Metzgerei betrieben.

Ruppichteroth – Seine Eltern haben es 1937 noch gerade geschafft, vor der sich zuspitzenden Situation in Deutschland in die USA zu fliehen. Wolfgang Tobias war damals gerade einmal drei Jahre alt. Seit 1937 lebt er in Hartford, Connecticut.

Auf Spurensuche nach den Wurzeln seiner Vorfahren kehrte er am Freitag zum ersten Mal in seinem Leben mit seinen drei Kindern, einem Enkel und weiteren Angehörigen in den Heimatort seiner Mutter Irma Gärtner zurück. In Ruppichteroth betrieben die Gärtners unweit der ehemaligen Synagoge in der Wilhelmstraße eine Metzgerei.

Brandstiftung Gummersbacher SS-Männer

Wie es im November 1938 in Ruppichteroth zugegangen war, berichteten Ludwig Neuber und Heinrich Schöpe den Gästen aus Amerika. Ein Onkel Schöpes, damals Dorfpolizist in Ruppichteroth, hatte in der Nacht auf den 10. November 1938 die Brandstiftung Gummersbacher SS-Männer an der Synagoge früh bemerkt.

Er habe die Täter dingfest gemacht und noch dafür gesorgt, dass das Feuer gelöscht wurde. Dann bekam er Befehle von „ganz oben“. Die Brandstifter mussten freigelassen werden. Ihr zweiter Versuch, die Synagoge zu vernichten, erreichte sein Ziel. Löschen war nun verboten.

Mit großem Interesse verfolgte die Familie Tobias, darunter Wolfgang Tobias’ Söhne Steven und Robert, Tochter Karen Tobias-Stanford und Enkel Zachray (18) die Berichte. Wo immer Neuber und Schöpe die englischen Worte fehlten, sprang Daniela Tobias aus Solingen ein, eine angeheiratete Verwandte. Sie hat die Geschichte der Familie Gärtner-Tobias erforscht, auf ihrer Internetseite veröffentlicht und mit ihrem Mann auch die Rundreise der US-Verwandtschaft organisiert.

Gastfreundschaft erlebten die Besucher im Wohnzimmer von Sonja Kaltenbach im ehemaligen Stammhaus Gärtner.

Beeindruckt zeigten sie sich von der Gastfreundschaft von Sonja Kaltenbach. Sie wohnt heute im ehemaligen Stammhaus der Familie Gärtner und lud zum Kaffee ins Wohnzimmer ein, in dessen hinterem Teil sich früher der Verkaufsraum befand. Beim Betrachten alter Bilder ließ sie sich davon überzeugen, dass ein Anbau an ihr heutiges Haus doch schon vor dem Krieg entstanden war. Abgerundet wurde der Besuch im Bröltal von einem Abstecher ins Bergische.

In Much berichtete Historiker Hartmut Benz vom Sammellager Much und seinen Baracken. Im oberbergischen Nümbrecht war der jüdische Friedhof das Ziel. Dort wurde 1924 Walter Tobias Großmutter Selma beerdigt, die bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Die jüdische Gemeinde Ruppichteroth sei damals noch nicht selbstständig gewesen, wusste Daniela Tobias.

Der dortige jüdische Friedhof entstand demnach später. Begonnen hatte die Spurensuche der Familie Tobias aus Hartford bereits am Donnerstag in Hamm an der Sieg. Dort hatte Walter Tobias Vater Hugo gelebt, bevor er Irma Gärtner aus Ruppichteroth heiratete und mit ihr nach Köln zog. Der Fleischer lebte mit seiner Familie am Eigelstein, wo auch Walter 1933 geboren wurde.

Nach Haaren bei Paderborn am Samstag und Puderbach im Westerwald am Sonntag ist Köln am Montag das letzte Ziel bei der Reise. Bevor am Mittwoch der Flieger zurück in die USA startet, steht noch eine Rheintour auf dem Programm.

www.tobiasherz.de