Kerpen/Nörvenich – Nur wenige Besucher verfolgen die Rede der Ministerin Ursula von der Leyen zum 60. Geburtstag der Bundeswehr auf der Großbildleinwand eingespielt aus dem Stützpunkt in Hannover. Vielmehr sind die Flugzeuge die unbestrittenen Stars in der etwa hundert Fußballfelder umfassenden Ausstellungsfläche auf und neben dem Rollfeld des Taktischen Luftwaffengeschwaders 31 „Boelcke“.
Menschentrauben umlagern Eurofighter, Tornado oder den Truppenhubschrauber CH-53. Die Besucher stehen in langen Schlangen an der Ladeklappe einer betagten Transall an und treten geduldig im Inneren eines mächtigen Luftraum-Aufklärungsflugzeugs (AWACS) der Nato von einem Fuß auf den anderen, um endlich das Cockpit der umgebauten Boeing 727 mit dem typischen Radar-Pilz zu besteigen.
Gerrit Vos, Techniker bei der Nato, hebt hier Kinder für das Familienfoto in die Flugzeug-Triebwerke. Markus Frambach, der mit der ganzen Familie auf den Fliegerhorst gekommen ist, zeigte sich beeindruckt vor allem vom Rundflug mit dem Gyrokopter (einem kleinen kompakten Tragschrauber) über das Gelände des Fliegerhorstes und den Tagebau Hambach. Der Preis: 40 Euro für 20 Minuten in der Luft.
Die Schilderung eines Piloten gebe ihm zu denken, sagt Markus Frambach: Der Mensch spiele bei der Militärfliegerei den limitierenden Faktor, viel schnelleres Fliegen, viel genaueres Treffen lasse die technische Entwicklung längst zu. „Wo entwickelt sich die Drohne als Kampfmaschine hin?“, stellt Frambach die bange Frage.
Unterdessen erfüllt sich Marie aus dem Dürener Raum einen lang gehegten Traum, nämlich einmal in das Cockpit eines Tornados zu steigen. Zwar fehle hier der Rumpf des Fliegers, aber viele Instrumente, viele Knöpfe, eine verwirrende Vielfalt, seien da, auch der rote, mit dem man Bomben auslösen könne, schildert die Mutter des 13-jährigen Julien. Ob der Sohn einmal Pilot werden will? Der ist bei aller Faszination für die Flugzeuge unschlüssig.
Eurofighter-Pilot beantwortete Fragen rund ums Fliegen
„Fragen Sie, fragen Sie, kommen Sie ruhig noch näher ran“, fordert Eurofighter- Pilot Manuel Kiefer vor seinem Kampfjet die Besucher auf. Insgesamt etwa 20.000 kamen, deutlich weniger als die erwarteten 50.000. Das Wetter hatte wohl Schuld daran. Denn erst am Mittag klarte der Himmel nach heftigem Regen auf.
„Ich bin nur der Fachidiot, der das Ding hier fliegen kann“, winkt Kiefer allzu spezielle Fragen zur Wartung ab. Aber er beantwortet alle Fragen rund um das Fliegen der Maschine. Angefangen vom Lunchpaket, das er bei achtstündigen Überführungsflügen quer über den Atlantik im Cockpit findet, über Geschwindigkeit und Beschleunigung des bis zu 2400 Stundenkilometer schnellen Jets, bis zu Bewaffnung und Reichweite.
Auch sein nächstes Einsatzgebiet verrät der Pilot. Im September werde das Geschwader im Auftrag der Nato den Luftpolizeidienst über Estland übernehmen. Dort werde er vor allem versuchen, die Identität unbekannter Flugzeuge festzustellen, die ihren Erkennungscode, der im regulären Flugverkehr beständig gefunkt werde, ausgeschaltet haben.
Die Gefährdungslage entspreche dem üblichen Flugdienst im Geschwader, denn mit direktem Beschuss sei im Luftraum über Estland nicht zu rechnen, sagt Kiefer.
Trotz Ukraine-Krise schätzt auch Oberstabsfeldwebel Thomas Hohlbein, Informationsmeister des Boelcke-Geschwaders, die gegenwärtige Bedrohungslage als gering ein: „Wir befinden uns im Herzen eines befriedeten Europas. Der Kalte Krieg ist zum Glück vorbei.“
Davon zeuge noch der Bunker am Tower mit seinen dicken Betonwänden, den die Engländer beim Bau des Flughafens in den 1950er Jahren errichtet hätten. Die leichte Bauweise der Hallen für die Wartung der in Nörvenich stationierten Eurofighter, die zu den letzten in Nörvenich umgesetzten Bauarbeiten gehörten, spreche eine deutlich andere Sprache, so Hohlbein.
Ausstellung in den "Tenpacks"
In den „Tenpacks“ wie die zwei Gebäude mit den zehn „Garagen“ für Eurofighter im Mannschafsjargon genannt werden, werden Bomben, Gewehre, Geräte zur Zielerkennung, Schuss und Splitterwesten, Tarnanzüge und vieles mehr ausgestellt.
Dort können Besucher aber auch Feldpostbriefe schreiben, bei der Umwelttruppe Frösche aus Papier falten oder einmal selbst probieren wie die Tütennahrung aus der EPa, des Einmann-Packs für die Erstversorgung von Soldaten am Einsatzort schmeckt.
Bundeswehrkoch André Zankl füllt aus einer Tüte Joghurtdessert mit Waldbeeren in Becher, zur Dekoration nimmt er eine halbe Erdbeere. Viel besser als erwartet, nämlich „fruchtig und frisch“ schmecke die Nachspeise aus der Tüte, wundert sich eine Frau aus Dortmund.
9700 kleine Eisportionen und 13050 Desserts habe man im Laufe des Tages verteilt ,resümiert der Leiter der Kochnationalmannschaft der Bundeswehr in der anderen Hälfte der Halle, Fred Kaspar Nett.