Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus Rhein-Erft schildern, wie ihre Städte den Zuzug von Geflüchteten meistern und was sie dabei berührt.
Ukrainische Geflüchtete in Rhein-ErftBürgermeisterinnen und Bürgermeister teilen ihre Erfahrungen aus einem Jahr Krieg
Dirk Breuer, Hürth: Sehr berührt hat mich die Hilfs- und Spendenbereitschaft der Hürtherinnen und Hürther. Am meisten mitgenommen hat mich im Mai letzten Jahres in der Ukraine der Besuch eines Friedhofs, um an den Gräbern der Gefallenen unserer Partnerstadt Peremyschljany Blumen niederzulegen. Am frischen Grab eines 22-Jährigen hat mich eine trauernde Mutter angesprochen. Ihr Sohn habe noch so viele Pläne für seine Zukunft gehabt, die nun ein viel zu frühes Ende durch die russische Gewalt gefunden habe.
Aber sie bedankte sich auch für die Unterstützung aus Deutschland und bat, über das Schicksal ihres Sohnes zu berichten und mehr dafür zu tun, dass sich die Ukrainerinnen und Ukrainer mit Waffen verteidigen können, damit nicht mehr Menschen ihr Leben verlieren. Das ist mir sehr nahe gegangen und hat mich in unserem Einsatz für die Menschen in der Ukraine bestärkt.
„Sie verteidigen die Freiheit“
Dieter Spürck, Kerpen: Das bewegendste Ereignis für mich war wenige Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, als wir zu später Stunde Ukrainerinnen und Ukrainer im Jugendzentrum an der evangelischen Grundschule in Kerpen begrüßt haben.
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Besonders beeindruckt hat mich hierbei die große Einsatzbereitschaft vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Stadtverwaltung und die große Hilfsbereitschaft vieler Kerpenerinnen und Kerpener, die bis heute anhält – übrigens auch die Hilfsbereitschaft vieler Russischstämmiger, die beispielsweise als Sprachmittler helfen.
Besonders nachdenklich hat mich gemacht, dass es immer noch einige Menschen gibt, die nicht verstehen oder verstehen wollen, dass wir sowohl in der Ukraine als auch hier bei uns in Deutschland helfen müssen. Denn die Ukrainerinnen und Ukrainer verteidigen auch unsere Freiheit.
„Gespräche können helfen“
Volker Mießeler, Bergheim: Besonders betroffen machen mich die individuellen Schicksale der Hilfesuchenden, die seit einem Jahr leider immer noch nicht endlich und auch nicht absehbar sind. Persönliche Gespräche helfen auf der einen Seite dabei, ein Stück weit zu verstehen, was die Betroffenen erleben mussten, steigern auf der anderen Seite aber Wut und Unverständnis über diesen sinnlosen Angriffskrieg. So erzählte mir eine junge Frau von ihrem kleinen Theater, das sie in Kiew besaß und das – neben ihrem eigenen Haus – von Bomben zerstört wurde. Sie flüchtete mit ihrem Sohn, während sie ihren Mann im Krieg zurücklassen musste.
Hier in Bergheim setzt sie sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe ein und versprüht trotz allem – neben einigen Tränchen im persönlichen Gespräch – einen unglaublichen Optimismus. Eine Begegnung, die mir nachdrücklich in Erinnerung geblieben ist.
„Ukrainer gehören fest zu unserer Stadt“
Sascha Solbach, Bedburg: Seit einem Jahr ist ein zuvor nicht vorstellbarer Krieg auf europäischem Boden nun bittere Realität. Auf die schrecklichen Bilder aus der Ukraine haben die Bedburgerinnen und Bedburger mit einer Welle der Hilfsbereitschaft reagiert. Sie haben nicht gezögert und die Menschen aus der Ukraine sofort bei sich aufgenommen.
Dank dieser unkomplizierten Hilfe konnte die bereits für die Flüchtlinge vorbereitete Dreifachturnhalle leer bleiben. Für die seit einem Jahr ungebrochene Spenden- und Hilfsbereitschaft bin ich den Bedburgerinnen und Bedburgern, die in dieser Zeit sicherlich nochmal enger zusammengerückt sind, sehr dankbar. Die traurigen Geschichten und Bilder aus der Ukraine haben mich seit Kriegsbeginn am meisten schockiert. Daher sind wir als Verwaltung zum Ende des letzten Jahres eine Partnerschaft mit der ukrainischen Stadt Mykolajiw eingegangen, durch die wir die Menschen, die ihre Heimat noch nicht verlassen haben, mit Hilfslieferungen unterstützen.
Die rund 300 Ukrainerinnen und Ukrainer hier in Bedburg, die zum großen Teil aus Mykolajiw stammen, gehören mittlerweile fest zum Leben in unserer Stadt. Das zeigte nicht zuletzt die Teilnahme vieler Ukrainerinnen und Ukrainer an den Karnevalszügen.
„Die Dankbarkeit berührt mich sehr“
Ralph Manzke, Wesseling: Nach meiner Weihnachtsansprache bin ich mit einer Gruppe von fünf Ukrainerinnen und Ukrainern ins Gespräch gekommen, die mir mit großer Bescheidenheit und Dankbarkeit gegenüber getreten sind. Sie waren weitgehend in einer Sporthalle untergebracht, die als Übergangslösung genutzt wird. Dass diese Menschen solch eine Dankbarkeit ausdrücken, hat mich sehr berührt.
Ich bin froh, dass wir mit den zwei Modulunterkünften in Keldenich und Urfeld mehr Geflüchteten das Wohnen mit mehr Privatsphäre sowie ein Leben in Selbstversorgung ermöglichen können.
„Das Leid ist unvorstellbar“
Frank Keppeler, Pulheim: In Pulheim leben derzeit 595 Geflüchtete aus der Ukraine. Nur 132 Menschen sind in städtischen Unterkünften untergebracht, die Mehrheit lebt in privaten Haushalten. Diese enorme Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, die inzwischen schon seit einem Jahr andauert, beeindruckt mich sehr.
Erschüttert bin ich immer wieder aufs Neue, wenn die Menschen mit ihren Koffern nach der langen Flucht hier bei uns im Pulheimer Rathaus ankommen. Sie haben so viel Leid sehen müssen, das für uns unvorstellbar ist.
„Zusammenhalt ist wichtig“
Andreas Heller, Elsdorf: Seit einem Jahr herrscht Krieg in Europa. Viele Schutzsuchende sind auch nach Elsdorf gekommen und werden hier betreut und untergebracht. Die Solidarität und Hilfsbereitschaft bei uns in Elsdorf hat mich persönlich tief beeindruckt und ist weiterhin ungebrochen. Viele Elsdorferinnen und Elsdorfer haben Geflüchtete bei sich zu Hause aufgenommen, mit Sachspenden geholfen oder bei der Integration der Menschen mitgewirkt.
Aber ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Familien bleiben getrennt und zerrissen. Umso wichtiger ist und bleibt auch im kommenden Jahr der Zusammenhalt der Menschen hier bei uns.
„Die Angebote werden gut angenommen“
Dieter Freytag, Brühl: Das berührendste Ereignis war die Mitteilung über den Überfall Russlands auf die Ukraine. Ich stand auf der Rathaustreppe, um die karnevalistischen Abordnungen zu begrüßen, die an diesem Weiberfastnachtstag einen coronakonformen Rundgang vornehmen wollten. Angesichts dieses terroristischen Angriffs auf die Ukraine war es mir nicht möglich, den karnevalistischen Gruß auszurufen. Die Bilder und Nachrichten aus dem Kriegsgebiet erschüttern mich bis heute.
In Brühl ist kurz nach Beginn des Krieges eine Ukraine-Hotline eingerichtet worden. So konnten Anliegen, Fragen und Angebote gebündelt aufgenommen werden. Dadurch ist es in sehr kurzer Zeit gelungen, einen fast vollständigen Überblick über Zuzüge und die damit entstehenden Bedarfe zu erhalten. Auch eine separate Sprechstunde mit ukrainischen ehrenamtlichen Dolmetschenden wurde eingerichtet.
Besonders nach Erreichen der Kapazitätsgrenze beim Mitwohnen musste die Stadt Brühl kurzfristig Unterbringungsmöglichkeiten schaffen. Zwischenzeitlich gibt es musikalische Angebote, bei denen Menschen aus allen Nationen mitmachen. Auch das gemeinsame Kochen erfreut sich großer Beliebtheit. Die Unterstützung der Brühler sowie der Vereine ist überwältigend. Großes Interesse fand auch Karneval als Brauchtumsveranstaltung und die Möglichkeit, den Zug als Wagenengel zu begleiten.
Da bisher hauptsächlich Mütter mit Kindern nach Brühl zugezogen sind, kommen auch Kinderärzte, Schulen, Kitas und Sprachkursträger an Kapazitätsgrenzen. Zwar gibt es Zwischenangebote – auch mit Kinderbetreuung – , diese ersetzen aber die institutionellen Angebote nicht. Herausforderung für die Stadt bleiben die Kosten und Kapazitäten. Auch rückt das Angebot einer psychosozialen Betreuung in den Vordergrund.
Mit Ternopil verbunden
Carolin Weitzel, Erftstadt: Der barbarische, menschenverachtende Vernichtungskrieg Putins bringt entsetzliches Leid, Tod, Vergewaltigung und Zerstörung über die mutigen Menschen in der Ukraine. Das berührt mich am meisten. Gleichzeitig ist dieser Krieg ein Anschlag auf die Weltordnung und die Werte der westlichen Demokratien. Es ist unsere Pflicht und Verantwortung, den Menschen, die Opfer von Kriegsverbrechen sind, zu helfen. Das können wir am besten als Partnerinnen und Partner, die einander kennen. Deshalb hat die Stadt Erftstadt mit Ternopil in der Ukraine eine Städtepartnerschaft geschlossen.
Unter den Gästen waren Delegationen und Freunde der Städtepartner aus Polen (Jelenia Góra), Großbritannien (Wokingham), Frankreich (Viry Chatillon) und Brandenburg (Panketal) vertreten. Die Partnerschaft ist ein wichtiges Zeichen der Verbundenheit.
„Für die Kinder ist es schwer“
Susanne Stupp, Frechen: Es ist nicht dieses einzelne Ereignis, das mich berührt hat. Es ist vielmehr die Summe der Erzählungen der geflüchteten Menschen, die von ihrer Angst erzählen, als die Bomben eingeschlagen sind. Besonders schlimm ist es für die Kinder. Das berührt und bewegt uns alle.