Landrat Frank Rock ist seit einem Jahr Landrat im Rhein-Erft-Kreis.
Im Interview blickt der 51-Jährige auf zwölf bewegende Monate zurück.
Es geht um die Flutkatastrophe, die Corona-Pandemie, die Herausforderungen des Strukturwandels und den Absturz der CDU.
Vor einem Jahr rückte Frank Rock nach seinem Sieg bei der Kommunalwahl vom Abgeordnetenstuhl im Düsseldorfer Landtag in den Chefsessel des Kreishauses. Der frühere Hürther Grundschulleiter (51) blickt im Gespräch mit Bernd Rupprecht und Dennis Vlaminck auf zwölf bewegende Monate in seinem Amt zurück – ein Jahr, das geprägt war vom Krisenmanagement in Zeiten von Corona und der Hochwasserkatastrophe.
Herr Rock, Sie sind seit einem Jahr im Amt. Was war schlimmer? Die Pandemie, die Flutkatastrophe oder der bundesweite Absturz der CDU?
Die Flutkatastrophe hat mich am meisten bewegt in den letzten Monaten, vor allem, wenn es um Familien mit Kindern ging. Das was man da sehen, spüren und mit Menschen besprechen konnte, habe ich so noch nicht erlebt. Das war eine Herausforderung für die Kreisverwaltung und mich, aber besonders für alle Beteiligten vor Ort. Am meisten bewegt mich die Hoffnungslosigkeit der Menschen, die ihr Hab und Gut verloren haben, vor allem die, die in Blessem an der Abbruchkante gelebt haben. Sie durften aus Sicherheitsgründen lange nicht in ihre Häuser hinein und waren verständlicherweise sehr, sehr unzufrieden.
Was sagt der Landrat nach den Erfahrungen mit der Flut: die Kiesgrube Blessem schließen oder weiterbetreiben?
Es gibt Genehmigungsverfahren, in denen geprüft wird, ob ein Weiterbetrieb sinnvoll möglich ist oder nicht. Ungeachtet vorliegender Genehmigungen sollte ein Weiterbetrieb nicht gegen den ausdrücklichen Willen der Bevölkerung erfolgen. Wir müssen jedenfalls zeitnah in die Diskussion kommen, allein schon wegen der Befriedung der Situation in Blessem.
Es ist der richtige Weg, es ist auch der richtige Mann. Er hat sich seit Beginn seiner Arbeit verdient gemacht, indem er schnell Hilfen umgesetzt hat. Sogar so schnell, dass manche in der kommunalen Familie kaum mitkamen. Er wird auch als kompetenter Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger dienen.
Immer wieder gab es während der Pandemie die Annahme, dass es nach einer gewissen Zeit, bestimmt aber nach dem massenhaften Impfen vorbei ist. Jetzt steigen die Zahlen wieder. Was läuft falsch?
Deutschland und der Rhein-Erft-Kreis sind insgesamt sehr gut durch die Krise gekommen. Trotzdem gibt es weiterhin ein weltweites Pandemiegeschehen – allerdings müssen wir, unabhängig einiger Impfdurchbrüche, mittlerweile vor allem von einer Pandemie der Nicht-Geimpften sprechen. Ich hätte mir gewünscht, dass die Impfkampagne insgesamt noch erfolgreicher gewesen wäre. Als Rhein-Erft-Kreis haben wir alles dafür getan: Wir haben in Rekordzeit ein zentral gelegenes Impfzentrum aufgebaut und den Busverkehr dorthin organisiert. Von der Bevölkerung ist dieses Angebot sehr gut angenommen worden. Aber wir haben möglicherweise unterschätzt, dass ein gewisser Anteil von Bürgerinnen und Bürgern sich einfach nicht impfen lassen will. Wir werben und werben, aber die Impfzahlen steigen kaum noch. Ich gehe trotzdem davon aus, dass wir über den Winter keinen weiteren Lockdown und keine weiteren Schulschließungen erleben werden.
Die CDU ist bei der Bundestagswahl abgestürzt. Sind Sie froh, derzeit nicht zur Wahl zu stehen?
Es gab Zeiten, da hätte ich mich als CDU-Mann lieber zur Wahl gestellt. Aber das ist in unserer Demokratie immer so. In manchen Zeiten wirken sich Bundes- und Landespolitik eben auch auf Kommunalpolitik aus.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den zehn Kommunen des Kreises?
Mir war schon im ersten Jahr wichtig, in einen offenen Dialog mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zu treten. Zum Beispiel habe ich regelmäßige Videokonferenzen durchgeführt, die sich bewährt haben. Es waren im vergangenen Jahr sicher mehr als zehn Konferenzen. Wir haben unter anderem sehr intensiv über Corona und die Flutkatastrophe gesprochen. Das war wegen der unterschiedlichen Auffassungen nicht immer einfach, aber notwendig. Dialog und Transparenz sind mir wichtig.
Was waren die wichtigsten Themen im ersten Jahr als Landrat?
Neben Corona und dem Hochwasser waren Bildung und Strukturwandel die großen Themen. Wir bringen das regionale Bildungsnetzwerk voran und werden Personal bereitstellen, um ein „Haus der Bildung“ einzurichten. Es wird Beratung, Fortbildung und Netzwerkarbeit für Schülerinnen und Schüler sowie für Eltern und Erziehungsberechtigte anbieten. Es gibt so viele Angebote, die aber nicht koordiniert sind. Das soll sich damit ändern.
Was hat Sie im neuen Job überrascht?
Für mich ganz neu war das Thema Polizei, aber daran empfinde ich sehr viel Freude. Ich erlebe täglich hochmotivierte Polizistinnen und Polizisten, die eine gute Arbeit leisten. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeit im Kreishaus sind motiviert und packen an. Gerade in der Flutkatastrophe oder in der Corona-Zeit waren viele hier am Anschlag. Trotz größter Herausforderungen haben wir dies auch in Abstimmung mit dem Personalrat gut gemeistert.
Wie weit sind Sie mit der Einrichtung des Strukturwandel-Dezernats?
Das war in Zeiten der Flut und der Pandemie nicht ganz einfach, aber wir haben uns organisiert und Personalstellen ausgeschrieben. Wir werden nun mehr in die Offensive gehen. Die vielfältigen Projektideen, die schon da sind, wollen wir unterstützen und stärker vorantreiben. Im laufenden Strukturwandel werden wir einen aktiven Part spielen. Das ist ein ganz dickes Brett, das wir zu bohren haben.
Wie stark belasten die Pandemie und die Flut den Kreishaushalt?
Coronabedingte Mehrkosten sind nicht zu vermeiden. Die Flutkatastrophe hat an der Infrastruktur des Kreises – im Vergleich etwa zur Stadt Erftstadt – zum Glück eher geringe Schäden hinterlassen. Die betroffenen Kreisstraßen wurden zeitnah instandgesetzt und die versicherte Turnhalle in Brühl wird einen neuen Boden bekommen. Wir haben sechs Millionen Euro, die wir vom Land bekommen haben, an Erftstadt weitergegeben und prüfen, ob wir weitere sechs Millionen Euro aus Kreismitteln überweisen können.
Die Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft wird auch mit ihrer Umstellung auf eine emissionsfreie Flotte zu einem teuren Vergnügen für die Kommunen. Eigentlich sollte die REVG günstiger für die Städte arbeiten. Wird den Kommunen nicht zu viel zugemutet?
Wir hatten häufige Gespräche mit den Bürgermeistern der Kommunen und uns dazu entschieden, das Angebot zu erweitern und etwa Schnellbuslinien einzuführen. Dass es hierüber Diskussionen mit den Städten gibt, kann ich verstehen, aber wir können nicht auf der einen Seite den ÖPNV ausbauen wollen und gleichzeitig sagen, es kostet nichts. Wenn wir eine saubere Busflotte wollen, wissen wir, dass ein Wasserstoffbus das Dreifache eines konventionellen Busses kostet. Wir werden Lösungen finden, wie wir das gemeinsam geschultert bekommen. Ich finde, es muss auch Bundes- und Landesmittel geben, um eine Finanzierung dauerhaft sicherzustellen. Das kann ein Kreis nicht, das können auch die Städte nicht.