Hans Peter Wollseifer ist Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) und Präsident der Handwerkskammer zu Köln.
Im Interview spricht der Hürther über die schweren Folgen der Corona-Krise und staatliche Unterstützung.
Und er schaut in die Zukunft und erklärt, wie es im kommenden Jahr mit dem Handwerk weiter gehen könnte.
Rhein-Erft-Kreis – Hans Peter Wollseifer ist der Präsident des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZDH). Er beantwortete die Fragen von Patrik Reinartz zur Situation des Handwerks in der Corona-Krise und zu den Zukunftsaussichten.
Herr Wollseifer, was bedeutet der zweite Lockdown für das Handwerk, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen?
Das ist wieder eine ungewollte Vollbremsung für viele Handwerksbetriebe, und der Aufprall wird vielfach heftig sein. Bereits der Lockdown im Frühjahr hat die finanziellen Reserven von vielen Betrieben im mittelständisch geprägten Handwerk schmelzen lassen. Die jetzigen erneuten Einschränkungen für den Geschäftsbetrieb bedeuten für Betriebe in vielen Gewerken, dass sie um ihren Fortbestand kämpfen müssen. Dafür greifen viele Inhaber inzwischen auf ihre privaten Rücklagen etwa für die eigene Altersvorsorge zurück, um den Betrieb zu sichern.
Gibt es Branchen, die besonders stark betroffen sind und solche, die gut durch die Krise gekommen sind?
Der Lockdown trifft einige unserer Gewerke direkt wie etwa Friseure, Kosmetiker oder auch Gold- und Silberschmiede: Die stehen aktuell praktisch ohne Geschäftsgrundlage da. Dazu kommt eine ganze Reihe mittelbar betroffener Gewerke, in denen wegen des Lockdowns wichtige Abnehmer fehlen. Durch die Schließung von Gaststätten und Hotels brechen etwa zuliefernden Lebensmittelgewerken oder den Textil- und Gebäudereinigern wichtige Kundengruppen weg.
Ähnliches gilt für alle Gewerke rund um Messen, Ausstellungen und Veranstaltungen. Und trotzdem zählen die auf diese Weise mittelbar Betroffenen nicht immer zu den Anspruchsberechtigten für die November-/Dezemberhilfen. Sorgen bereiten uns auch die handwerklichen Zulieferer etwa in der Feinwerktechnik. Und auch Bereiche wie der Bau, der vor allem die erste Jahreshälfte ohne größere Beeinträchtigungen arbeiten konnte, spüren inzwischen die Pandemiefolgen deutlich: Hier fehlen Aufträge aus der Industrie, und auch bei kommunalen Bauinvestitionen sind nur wenig Impulse zu erwarten.
Mussten viele Unternehmen Kurzarbeit anmelden?
Dazu liegen uns keine konkreten Zahlen vor, da die Statistik der Bundesagentur für Arbeit das nicht für alle Handwerksbranchen ausweist. Wir haben aber von Betrieben und aus unserer Handwerksorganisation gehört, dass in der gegenwärtigen Situation ungleich mehr Handwerksbetriebe Kurzarbeit nutzen als in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Daher war es richtig und wichtig, dass die Bundesregierung frühzeitig die Zugangsvoraussetzungen erleichtert und die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld deutlich verlängert hat.
Zur Person
Hans Peter Wollseifer stammt aus Hürth. Der heute 65-Jährige ist Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) und Präsident der Handwerkskammer zu Köln. Zuvor war er in der Kreishandwerkerschaft Rhein-Erft aktiv. Wollseifer ist gelernter Maler und Lackierer. 1976 legte er seine Meisterprüfung ab. Er führte zunächst den elterlichen Betrieb in Hürth weiter, zusätzliche Unternehmensgründungen folgten. (rtz)
Braucht das Handwerk jetzt staatliche Unterstützung?
Unsere Betriebe brauchen weiter wirtschafts- und betriebsstabilisierende Hilfen. Sie sind darauf angewiesen, damit sie fortbestehen können. Wichtig ist es jetzt, die Konditionen der Überbrückungshilfe III so auszugestalten, dass nicht wieder viele Betriebe, die bereits um ihre Existenz kämpfen, durch das Förderraster fallen. Es droht ein immenser volkswirtschaftlicher Schaden, wenn die Politik hier keine passgenauen und der Realität entsprechenden Hilfsangebote macht.
Welche Auswirkung hatte die Absenkung der Mehrwertsteuer? Sind Sie für eine Verlängerung der Maßnahme?
Die Mehrwertsteuer temporär zu senken, hat in einigen Bereichen des Handwerks zu mehr Aufträgen geführt. In ganz vielen Bereichen jedoch hat das Mehrarbeit bei der technischen und rechtlichen Abwicklung gebracht. Alle Betriebe haben sich organisatorisch bereits darauf eingestellt, dass die Mehrwertsteuersätze zum Jahreswechsel wieder angehoben werden, insofern wäre eine Verlängerung zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr sinnvoll.
Welche Arbeiten dürfen Handwerker im Lockdown noch verrichten?
Von den politisch angeordneten Schließungen sind direkt vor allem die privaten Dienstleister im Handwerk betroffen, deren Geschäftstätigkeit primär in den nun geschlossenen Ladenlokalen erfolgt. Die übrigen Handwerksbranchen wie Bau und Ausbau, Industriezulieferer, Kfz-Werkstätten, Lebensmittel- und Gesundheitshandwerker dürfen grundsätzlich weiterarbeiten. Auch hier gibt es aber teilweise Einschränkungen und Spill-Over-Effekte aus anderen Branchen, die das normale Geschäft deutlich erschweren oder zum Ausfall ganzer Geschäftsbereiche führen.
Wann wird Ihrer Einschätzung nach die Durststrecke beendet sein?
Mit dem Start von Impfungen in diesen Tagen zeichnet sich nun Licht am Ende des Tunnels ab. Denn neben der persönlichen Vorsicht jedes Einzelnen liegen die Schlüssel zur Eindämmung der Pandemie bei Schnelltests und Impfstoffen. Erst wenn diese in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und ein hinreichend großer Teil der Bevölkerung geimpft werden konnte, kann sich das Gesellschafts- und Wirtschaftsleben normalisieren. Klar ist natürlich, dass das nicht von heute auf morgen passiert, sondern noch eine Weile dauert. Aktuell hoffen wir auf das zweite Quartal 2021, befürchten aber, dass diese Voraussetzungen erst im zweiten Halbjahr erfüllt sein werden. Aber mit den beginnenden Impfungen gibt es jetzt zumindest die realistische Aussicht auf Erleichterungen im Verlauf des kommenden Jahres.
Erstmals seit 2013 meldete das Handwerk sinkende Umsätze. Ist Corona der einzige Grund, oder gibt es noch andere Ursachen?
Bis zum Beginn der Corona-Pandemie war das Handwerk in einer ausgezeichneten wirtschaftlichen Verfassung. Ohne Corona hätte es auch 2020 wieder deutliche Umsatzzuwächse gegeben.