Rhein-Erft-Kreis – Tag zwei der dreiteiligen Exkursionenreihe, zu der Landrat Michael Kreuzberg eingeladen hatte, führte an die Tagebaukante, wo die Entwicklung nach der Kohle und das künftige Leben sich treffen sollen. Wo heute noch, etwa am Forum Terra Nova, die Großbagger für die Kulisse sorgen, sollen dann Boote mit weißen Segel den Spiegel des an Wasserinhalt dann zweitgrößten Sees Deutschlands zu sehen sein.
Ein Wermutstropfen ist die Kürzung des EU-Etats, die am Dienstag bekannt wurde: Statt fünf sollen nur zwei Millionen Euro aus Brüssel ins Revier fließen. Kreuzberg bat auf Nachfrage um Geduld mit der Bewertung der frischen Zahl. „Damit muss ich mich detailliert beschäftigen, bevor ich mögliche Auswirkungen auf die Entwicklung einschätzen kann.“ Die Projekte im Kreis für die „größte Landschaftsbaustelle Europas“, die als „famose Chance“ zu sehen sei, müssten sich „nicht verstecken“, sagte Kreuzberg.
Verkürzung des Planungszeitraums „dramatisch“
„Da ist viel von Leuchtturmprojekten die Rede. Ein Leuchtturm braucht Wasser, und das werden wir hier haben“, blickte Elsdorfs Bürgermeister Andreas Heller weit in die Zukunft der vielleicht 80er-Jahre dieses Jahrhunderts. Die Verkürzung des Planungszeitraums von 15 auf zwei Jahre, bedingt durch den früheren Ausstieg aus der Kohle, sortierte er als „dramatisch“ und „Herausforderung, besonders für eine kleine Stadt und Verwaltung wie Elsdorf“ ein.
Am Rande des Tagebaus Hambach soll die Fläche modelliert werden für Seeterrassen und Hafeninsel, wie die Elsdorfer sich in ihren ambitionierten, lokal bereits vorgestellten Projekten ausmalen, die Stadtplanerin Susanne Dettlaff der Delegation aus Politik, Verwaltung, Regionalbüros und Presse vorstellte. Sie lud schon mal ein zur „Schiffstour von Kerpen nach Elsdorf“.
Weiterbildung
Im Rahmen der Exkursion unterzeichneten Kurt Vetten, geschäftsführender Gesellschafter der SME (Quirinus), und Professor Stefan Herzig, Präsident der TH Köln, einen Vertrag, in dem beide eine enge Zusammenarbeit in Entwicklung und Organisation von Weiterbildung vereinbaren. Der erste gemeinsam entwickelte Zertifikatslehrgang „Regionaler Energiesystem Manager“ startet im Herbst. Inhalte sind neben energietechnischen Grundlagen auch IT-Sicherheit sowie Energiewirtschaft und -politik.
„Als in der Region verankerte Hochschule sehen wir es als unsere Verantwortung an, diese vielfältigen Herausforderungen anzunehmen und aktiv mitzugestalten“, sagte Stefan Herzig nach dem Austausch der unterzeichneten Verträge. „Wir freuen uns, mit der TH Köln einen äußerst kompetenten Partner an unserer Seite zu wissen“, sagte Kurt Vetten. Die praktischen Inhalte dieses berufsbegleitenden Lehrgangs finden im Reallabor der Quirinus-Academy in Elsdorf-Heppendorf statt. (ftz)
Der Anleger für das Schiff zur Elsdorfer Hafeninsel könnte vor Buir liegen. Joachim Schwister, Beigeordneter in der Kerpener Stadtverwaltung, erläuterte auf dem Lärmschutzwall zwischen Auto-, Bundes-, Hambachbahn und Buir die mehrteiligen Pläne Kerpens zur energetischen, städtebaulichen und touristischen Nutzung des geplant 8500 Hektar großen Sees. Auf süffisant-moderate Attacke gebürstet sagte er Elsdorf Konkurrenz an im Buhlen um Tourismus und Lebensqualität. „Was wir planen, soll Energie von Gewinnung über Veredelung bis zur Speicherung sichern, aber auch Lust machen, in Kerpen zu leben“, verhieß Schwister.
Aber zurück nach Elsdorf. Dort soll auf dem Gelände der von Pfeifer und Langen (P&L) weitgehend verlassenen Zuckerfabrik ein Food Campus entstehen. Timo Koch, Chef der P&L-eigenen Forschungstochter Savanna Ingredients konnte von bereits in der Markteinführung befindlichen Erfindungen, wie laktose- und kalorienfreier Zucker sowie von Bechern, Tellern und Paneelen aus Rübenresten berichten. Am Food Campus könnten auf zwölf Hektar Industriefläche mit bestehender Infrastruktur sowohl Unternehmen der Agrar- und Lebensmittelindustrie als auch der Bioökonomie angesiedelt werden. 600 Arbeitsplätze schweben dem findigen Chemiker des Zuckerkonzerns bis 2026 vor.
Das alles benötigt, wie die eingesessene Industrie und die ganze Region, sichere Stromversorgung über die auslaufende Kohleära hinaus. Für die soll Quirinus Control garantieren. Mit sekundenschneller Reaktionszeit kann Quirinus, das im Heppendorfer Forum Stromerzeuger und -abnehmer digital im Blick hält, die Netze der Region kontrollieren und regulieren. 22 regionale Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft arbeiten im Verbundvorhaben, das jetzt auch ausbilden wird.
„Seit Jahresanfang ist Quirinus scharf geschaltet“, erläuterte ein Ingenieur am Leitstand. „Aber eingreifen werden wir wohl erst nach dem Abschalten der Kraftwerke müssen“. Der weitere Ausbau soll mit knapp zehn Millionen Euro gefördert werden und 150 sozialversicherte Dauerarbeitsplätze schaffen.