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Horremer SVWie die „Mittwochskolonne“ eine Ehrenamts-Welle losgetreten hat

Lesezeit 5 Minuten

HSV-Vorsitzender Wolfgang Niessen auf dem Fußballtennisplatz. Er hofft, dass noch mehr Menschen mitanpacken.

  1. Für viele Vereine ist die ehrenamtliche Arbeit überlebenswichtig – es finden sich aber immer weniger Freiwillige.
  2. Wolfgang Niessen und der Horremer SV haben es geschafft, dass der ganze Ort beim Sportverein mit anpackt.
  3. Im Interview spricht er über die Sportplatz-Sanierung, die Bedeutung von Sportvereinen und was ihm in Horrem am wichtigsten ist.

Kerpen-Horrem – Viele Menschen scheuen heute davor zurück, ein Ehrenamt zu übernehmen. Beim Horremer SV ist das offenbar nicht ganz so. Woran das liegt, wollte Ralph Jansen vom HSV-Vorsitzenden Wolfgang Niessen wissen.

Herr Niessen, selten hat es ein so dauerhaftes starkes ehrenamtliches Engagement gegeben wie in den vergangenen Jahren beim Horremer Sportverein. Die Zahl der Plätze, der Spieler, der Trainer, alles hat sich vervielfacht. Eine Gruppe Rentner arbeitet beinahe täglich unermüdlich am Ausbau der Sportanlage. Wie entzündet man eine solche Welle der Euphorie?

Als wir 2016 mit der Vorstandsarbeit angefangen haben, hatten wir direkt ein konkretes Projekt. Wir wollten den alten, maroden Aschenplatz zu einem modernen Kunstrasenplatz ausbauen. Das hat uns Antrieb gegeben.

Mehr Plätze, Trainer und Spieler

In den vergangenen vier Jahren hat sich das Graf-Berghe-von-Trips- Stadion zu einer großen Fußball- und Hockeyanlage entwickelt. Damals gab es einen Rasen- und einen harten Aschenplatz. Die Laufbahnen und Weitsprunggruben wurden nur noch selten benutzt.

Heute gibt es neben dem Rasen- einen Kunstrasenplatz, ein Fußball-Tennis-Feld, einen Hockeyplatz, ein Rasenkleinfeld für Kindertraining und ein Kunstrasenkleinfeld zum freien Spiel für Kinder. Außerdem wurden die Zuschauerränge erneuert und modernisiert, eine Tribüne für das E-Jugend- und Hockeyfeld, ein Materialschuppen sowie Fangzäune für Bälle und Unterstände für zuschauende Eltern gebaut – und das alles ganz überwiegend in ehrenamtlicher Arbeit.

Die Investitionskosten trug die Stadt, die Arbeit machten weitgehend die Mitarbeiter der Mittwochskolonne, Horremer, und auch die Kicker packten mit an. Tausende Arbeitsstunden stecken in der Anlage.

Das alles hat Auswirkungen auf die Mitgliederzahl. Wie der zweite Vorsitzende Dieter Kochs erläuterte, stieg die Zahl der Kinder im Verein von 144 auf rund 350, die Zahl der Trainer von sieben auf 40.

War das alles?

Nein, es gab schon lange die »Mittwochskolonne«. Diesen Rentnertrupp kann man gar nicht hoch genug einschätzen für den Verein. Die Männer bringen uns durch ihre viele Arbeit einen so großen Mehrwert, das ist unbezahlbar. Dazu haben sich langsam auch andere Horremer gefunden, die bereit waren, in ihrer Freizeit etwas zu tun.

Motiviert das auch den Vorstand?

Ja, genau. Es ist gut zu wissen, dass du nicht alleine auf dem Boot bist.

Was treibt denn die Menschen an, sich über Jahre unbezahlt einzubringen?

Ich kann es für mich so sagen. Ich habe hier in Horrem eine gute Kindheit und Jugend gehabt – in diesem Verein. Es waren damals auch Menschen da, die sich für mich und meine Freunde hier ehrenamtlich eingesetzt haben. Und das sind jetzt eben wir.

Aus einem alten Aschenplatz und einem Rasenplatz hat sich ein Sportzentrum mit Fußballtennis-, Hockey- und anderen Plätzen entwickelt.

Am Anfang Ihrer Amtszeit sah es aber noch so aus, als ob der Sportplatz aufgegeben und vermarktet werden würde.

Das ist richtig, aber es ist wirklich wichtig, dass der Platz im Herzen Horrems erhalten bleibt. Nicht nur der Rentner mit dem Rollator würde nicht mehr bis zu einer Bezirkssportanlage irgendwo zwischen Sindorf und Horrem laufen. Auch viele der Kinder würden dort nicht hingehen. Sie glauben ja nicht, wie viele Kinder einfach allein gelassen werden. Um die geht es doch.

Wie meinen Sie das?

Von manchen Kindern habe ich jahrelang nie ein Elternteil bei einem Spiel gesehen. Die fahren nie zu Auswärtsspielen mit. Ich habe Kinder trainiert, die kamen traurig zum Training und gingen anschließend auch wieder schweigsam nach Hause. Aber in den zwei Stunden auf dem Platz haben sie gelacht. Um viele Kinder wird sich einfach zu wenig gekümmert. Da übernehmen Trainer Teile der Sozialisation.

Ist der Job als Trainer, in der Mittwochskolonne, im Vorstand oder als Schiri denn eher einer, in dem man gibt oder einer, der einem auch etwas bringt?

Wenn man sich in einem Verein engagiert, dann geht man selten in den Supermarkt, ohne nicht wenigstens zwei oder drei Freunde oder Bekannte zu treffen. Die Arbeit im Verein ist ein probates Mittel, dass man mit Leuten in Kommunikation tritt, die man sonst gar nicht sehen würde. Aber da gibt es noch viel mehr schöne Dinge über Vereinsarbeit zu sagen.

Nur zu, zählen Sie sie doch bitte einmal auf.

Sportvereine sind Anker, die Menschen Halt geben. Es ist fantastisch, als Trainer mitzuerleben, wie man die Entwicklung von jungen Menschen vorantreiben kann. Hier können wir Gemeinschaft erleben, gemeinsam feiern, gemeinsam verlieren, gemeinsam gewinnen. Für mich ist der Verein auch Heimat. Und außerdem haben wir ja auch noch Zusammenarbeiten mit anderen Gruppen im Dorf.

Mit welchen denn?

Es gibt hier in Horrem eine Gruppe Betreutes Wohnen für Menschen mit Behinderungen. Denen stellen wir eine freie Trainingszeit auf unserer Anlage zur Verfügung. Die ehemalige Hockeyabteilung des SC Buchenhöhe wurde in unseren Verein integriert. Wir bieten örtlichen Karnevalsvereinen Umkleidemöglichkeiten bei ihren Auftritten. Umgekehrt laden sie uns an Karneval in ihr Festzelt auf dem Marktplatz ein. Das sind alles gute Beispiele, dass Horrem nicht nur eine Schlafstadt von Köln ist. Der Verein ist dazu so eine Art Eintrittskarte ins gesellschaftliche Leben.

Ich hoffe, das sehen genug Leute genauso wie Sie. Wie steht’s denn mit Helfern für die vielen Projekte?

Es war früher gesellschaftlich völlig normal, sich in einem Verein zu engagieren. Das ist heute leider anders. Viele haben echt Angst davor zuzusagen, einmal in der Woche eine Stunde zu opfern. Ich hoffe, dass sich das wieder ändert, denn im Grunde ist doch der Mehrwert der, dass man etwas schafft, das anderen Menschen guttut.

Nun definiert sich Erfolg im Sport ja gern in erster Linie über Siege, Aufstiege und Meisterfeiern. Wie sieht das beim Horremer SV aus?

Den einen Sponsor, der eine Topmannschaft zusammenkauft, den haben wir nicht. Unser Ziel ist es, dass die Zuschauer gerne hierhin kommen, weil es – im günstigsten Fall – ihre eigenen Kinder sind, die dort spielen und dort Freunde finden. Dazu versuchen wir, Kindern und Jugendlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sie gerne zum Sport gehen und nicht glauben, man müsse jährlich den Verein wechseln, um gut kicken zu können.

Mit einem Satz: Was ist Ihr Ziel für den Verein?

Unser Ziel ist es, dass Spieler, Eltern und Ehemalige über das Stadion sagen »Wenn ich dahingehe, dann geht’s mir gut«.