AboAbonnieren

Interview mit Erftstädter Buchhändler„Es wird bewusst mehr vor Ort eingekauft“

Lesezeit 4 Minuten

Jörg Neuburg übernimmt die Erftstädter Buchhandlungen Köhl.

Erftstadt – Schon Rolf Köhls Vater war Buchhändler, vor 53 Jahren hat der Sohn seinen ersten Laden in Brühl eröffnet. 1986 folgte die Filiale in Liblar, 2008 die in Lechenich. Es gab weitere Geschäfte in Zülpich und Düren, geblieben sind die beiden Erftstädter Standorte.

Die übergibt der 77-Jährige jetzt an seinen langjährigen Mitarbeiter Jörg Neuburg. Der 35-Jährige hat seine Ausbildung bei Köhl gemacht, seit einigen Jahren ist er Geschäftsführer. Ulla Jürgensonn sprach mit ihm über die Lage im Buchhandel und die Zukunft der Erftstädter Läden.

Sie übernehmen die Buchhandlung in einer nicht gerade einfachen Zeit.

Jörg Neuburg: Die Zeit mit Corona ist herausfordernd. Ich muss aber sagen, dass wir erstaunlich gut durch diese Zeit gekommen sind. Selbst durch den Lockdown.

Ist es vielleicht sogar so, dass viele Leute das Lesen neu entdeckt haben, weil andere Freizeitmöglichkeiten eingeschränkt waren?

Es sind tatsächlich viele gekommen, die vorher nicht gelesen haben. Vor allem viel mehr Kinder. Viele sind auch über die Mangas wieder zum Lesen gekommen. Der Manga-Markt ist förmlich explodiert. Es wird auch bewusst mehr vor Ort eingekauft, das hat man auch gemerkt.

Die Befürchtung, dass das E-Book dem gedruckten Buch den Todesstoß versetzt, hat sich wohl nicht bewahrheitet?

Mit dieser Aussage hat meine Ausbildung quasi angefangen. Das erste, was ich damals öffentlich dazu gehört habe, war: In fünf Jahren haben wir 50 Prozent E-Book-Anteil. Wir haben bis heute fünf bis zehn Prozent. Der Markt hat sich zum Teil verschoben, aber er kannibalisiert sich nicht.

Es lesen andere Leute E-Books als gedruckte Bücher. Es hat ja auch etwas Positives. Man kann beim E-Book die Schriftgröße verändern, dadurch können Leute noch lesen, die es ansonsten gar nicht mehr könnten. Es ist eine Erweiterung des Buchmarktes, nichts, was ihn verdrängt.

Beobachten Sie einen Trend, was den Geschmack angeht?

Jörg Neuburgs Lesetipps

Empfehlungen_Neuburg-Interview

Neuburgs Empfehlungen

„Der Flussregenpfeifer“ von Tobias Friedrich erscheint Mitte März bei Bertelsmann. Die Geschichte einer abenteuerlichen Reise im Faltboot basiert auf einer wahren Begebenheit.

„Im kleinen wilden Schnergenland“ hat J. R. R. Tolkien zu seinen „Kleinen Hobbit“ inspiriert. Die Fassung von Veronica Cossanteli , erschienen bei Thienemann, ist nicht nur zum Vorlesen für kleine Kinder geeignet.

„Th1RT3EN“ von Steve Cranagh, erschienen bei Goldmann, ist laut Neubug „der beste Krimi seit langem“.

„Butter“ von Asako Yuzuki sei weniger Krimi als eine sehr subtile Charakterstudie, lobt der Buchhändler. Erschienen ist es in dem kleinen Verlag Blumenbar.

„State of Terror“, herausgegeben von HarperCollins, hat Hillary Rodham Clinton mit Louise Penny geschrieben. Herausgekommen sei ein richtig guter Politthriller um eine Verschwörung in den USA. (uj)

Das ist schwer zu sagen. Bei dem, was bei uns gekauft wird, ist kein Trend abzulesen. Es werden anspruchsvolle Romane gekauft, aber auch lustige, lockere Lektüre. Es wird vermehrt auf Sachthemen und Ratgeber Wert gelegt. Ich bin immer wieder positiv überrascht, dass trotz all der Rezepte im Internet Kochbücher gekauft werden, und nicht wenige.

Sie sind selbst aktiv bei den Kranichen, einer lokalen Autorengruppe. Setzen Sie einen Schwerpunkt auf regionale Autoren?

Wir haben immer eine schöne Auswahl von Autoren aus der Umgebung da. Wenn wir hören, dass jemand aus Erftstadt ein Buch geschrieben hat, gehen wir auf ihn zu und unterstützen ihn.

Ist das vielleicht einer der Gründe, warum Sie überlebt haben trotz der übermächtigen Konkurrenz der Bücherei-Ketten?

Ich glaube, weil wir so klein sind, haben wir viel kürzere Wege um zu entscheiden, was wir wie machen. Uns war in der Corona-Zeit von vorn herein klar, dass wir nicht zumachen. Wir haben die ganze Zeit Verkauf an der Tür gemacht und gesagt, wir bleiben. Wir hatten immer offen, während die großen Ketten in der ersten Zeit geschlossen waren. Wir haben den Leuten gezeigt, dass wir etwas tun. Wir sind mit Autos durch die Orte gefahren und haben ausgeliefert. Anfangs hatten wir kein tragbares EC-Gerät, da sind wir zwischen Tür und Kasse hin und her gelaufen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Hat das vielleicht sogar die Bindung der Kunden verbessert?

Das glaube ich schon. Viele haben gesagt, dass sie vor Ort kaufen wollen, und viele fanden unseren Service toll.

Sie haben ein gut funktionierendes, erfolgreiches Geschäft übernommen, da werden Sie sicher nicht alles ändern. Wollen Sie trotzdem den Buchhandlungen Köhl Ihre Prägung geben?

Ich denke, das habe ich habe schon ein bisschen getan. Rolf Köhl und ich haben immer viele Ideen ausgetauscht, ein paar habe ich noch nicht umgesetzt. Natürlich will ich meine eigene Note hereinbringen. Wir wollen in jedem Fall die Filiale in Lechenich ein bisschen vergrößern. Der Umzug in den neuen Laden in Liblar ist tatsächlich schon mir zuzuschreiben.