Erftstadt-Liblar – An manchen Tagen ist es wie verhext. Einen Termin im Nacken, will man noch möglichst viel erledigen. Aber das Telefon klingelt pausenlos, die meisten Anrufer wollen Dinge klären, die nun wirklich bis morgen Zeit hätten. Der Blutdruck steigt, die Stimmung sinkt. Wie passend, wenn der Termin, zu dem man schließlich hetzt, ein Seminar ist, das mehr Gelassenheit verspricht.
„Meditations- und Entspannungstechniken im Wald erlernen“ lautet der verheißungsvolle Titel. Der Erftstädter Coach und Unternehmensberater Dr. Lutz Ellermann hat das Seminar ins Leben gerufen. Eigentlich wollte er einen Business-Walk anbieten, also einen Spaziergang, bei dem Geschäftsleute ins Gespräch kommen. Das war nach den Corona-Regeln nicht mehr erlaubt, eine Bildungsveranstaltung schon. Und Ellermann hat einen Vertrag mit dem Landesforst abgeschlossen, der ihm die Seminare im Wald gestattet.
Fünf Frauen scharen sich am Donatusparkplatz bei Liblar um den Coach. Der einzige Mann, der angemeldet war, hat kurzfristig abgesagt. Nicht, wie man vermuten könnte, weil Regen droht, sondern weil er schlicht zu viel zu tun hat. „Gerade dann sollte er mitmachen“, findet eine Teilnehmerin. Eine interessante Truppe hat sich zusammengefunden, eine Fachfrau für Selbstvermarktung, eine Heilpraktikerin, eine Kommunikationsexpertin, eine Lebenspädagogin. Mit gebührenden Abstand voneinander marschieren wir durch den – coronabedingt – ziemlich belebten Villewald.
Am Ufer des Donatussees machen wir zum ersten Mal Halt, um zu meditieren. Ellermann macht vor, wie wir mit einer ausladenden Geste die Gedanken beiseiteschieben, dann schließen alle die Augen, atmen tief, schieben Gedanken beiseite. Ich höre Hundepfoten trappeln, dann eine männliche Stimme: „Komm!“ Dringlicher: „Komm hierher!“ und dann, beruhigend: „Komm, wir gehen hier drüben entlang.“ Ich kann den Mann verstehen. Ich hätte auch einen Bogen gemacht um die starren Gestalten am Gestade, wenn ich nicht eine davon gewesen wäre.
„Das Flüstern der Bäume“
Tatsächlich sinkt mein Stresspegel. Ellermann zeigt uns eine speziellen Griff, eine Hand an der Stirn, eine am Hinterkopf, der die Wirkung verstärken soll. „Da fühlt man sich wie unter einer Glasglocke“, sagt eine der Frauen, als sie es ausprobiert hat. Weiter durch den Wald. „Es gibt nichts Beruhigenderes, als einen alten Baum“, schreibt Michael Christie in seinem Bestseller „Das Flüstern der Bäume“. Also lehnt sich jede an eine Buche, auch wenn die in diesem Teil der Ville noch nicht wirklich alt sind. Dummerweise erwische ich eine, die geneigt steht. Ich habe die Wahl, mich entweder nur mit den Schultern anzulehnen oder mir Rückenschmerzen einzuhandeln. Oder mir einen neuen Baum zu suchen. Doch als ich die Augen öffne, sehe ich, dass alle anderen völlig versunken wirken. Da will ich nicht herumrascheln und stören.
Sie habe das Gefühl gehabt, der Baum habe sie umarmt, berichtet eine Frau später. Und er habe ihr Äste mit grünen Blättern unter die Nase gehalten: „Hier, riech mal.“
Mein Baum hat nicht mit mir gesprochen. Vermutlich hätte er auch nur gesagt: „Pass doch nächstes Mal auf, bevor du dich anlehnst.“
Im Gehen bilden sich Grüppchen, die Gespräche werden interessanter, intensiver. Noch eine letzte Meditation, Augen schließen, tief atmen, Gedanken loslassen. Die anderthalb Stunden sind schnell vergangen. Auf dem Heimweg verkneife ich mir, nachzuschauen, wie viele Anrufe ich verpasst habe. Anrufe von Leuten, die Dinge mit mir klären wollten, die Zeit bis morgen haben. Stattdessen horche ich in mich hinein: Ich bin gut gelaunt und entspannt. Mehr kann man nicht verlangen.
Für Freitag, 15. Januar, plant Lutz Ellermann das nächste Seminar – wenn die Regeln es zulassen.