Auch wenn große Überraschungen ausblieben, so zeigte der Wahlabend doch bemerkenswerte Entwicklungen in der politischen Landschaft zwischen Rhein und Erft auf.
Bundestagswahl 2025Sieben Erkenntnisse aus der Wahl für Rhein-Erft
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Auch ohne Volljährigkeit konnten Schülerinnen und Schüler des Bergheimer Erftgymnasiums bereits vor der Bundestagswahl an einer Juniorwahl teilnehmen.
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Das sind die zentralen Erkenntnisse aus dem Ergebnis der Bundestagswahl im Rhein-Erft-Kreis:
Junge Leute wählen nicht die Mitte: Die Juniorwahl an zahlreichen weiterführenden Schulen mit mehr als 1,5 Millionen Schülerinnen und Schülern in Deutschland ergibt ein in vielen Teilen anderes Ergebnis als das der Bundestagswahl. Die überwiegend noch nicht wahlberechtigten Jugendlichen favorisieren die Linkspartei, danach folgen CDU, SPD und AfD. Deutlich abgeschlagen: die Grünen.
Das deckt sich weitgehend mit dem Ergebnis des Erftgymnasiums in Bergheim. Dort gaben 24,1 Prozent der Schülerinnen und Schüler den Linken ihre Stimme. Mit 15,4 Prozent folgen mit deutlichem Abstand SPD und AfD, die CDU kommt auf 13 Prozent, das BSW auf 10,8 Prozent. Mit 5,9 Prozent schneiden die Liberalen sogar besser ab als die Grünen (5,4).
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Die Juniorwahl ist eine tolle Möglichkeit den Schülerinnen und Schülern demokratische Prozesse näherzubringen
483 Jugendliche waren wahlberechtigt, 376 gaben ihre Stimme ab. Dies entspricht einer Wahlbeteiligung von 77,9 Prozent. Bei den Direktkandidaten hatte Aaron Spielmanns mit 27 Prozent die Nase vorn. Mit 27 Jahren war er der Jüngste unter den Bewerbern.
Politiklehrer Sebastian Emig zeigte sich begeistert vom Format der Juniorwahl: „Die Juniorwahl ist eine tolle Möglichkeit den Schülerinnen und Schülern demokratische Prozesse näherzubringen. Es wird deutlich, welcher Aufwand hinter einer demokratischen Wahl steckt. Weiterhin werden politische Diskussionen unter den Schülerinnen und Schülern angeregt.“
Personen sind wichtiger als Parteien: Bei Dr. Georg Kippels war es so, bei Detlef Seif, Andrea Kanonenberg und Aaron Spielmanns ebenfalls. Sie alle erhielten mehr Erststimmen als ihre jeweilige Partei Zweitstimmen. Sicher, da spielt es auch eine Rolle, dass Wähler im sicheren Wissen, dass Kandidaten kleinerer Parteien nur geringe Chancen haben, ihren Wahlkreis zu gewinnen, strategisch wählen. Sie glauben, eine Stimme für einen Außenseiter sei eine verlorene Stimme.
Es kommt mehr denn je auf Glaubwürdigkeit und Authentizität an
Mehr noch aber dürfte es bei den beiden CDU-Politikern und den beiden SPD-Kandidierenden der Fall gewesen sein, dass sie Wählerinnen und Wähler durch ihre Bekanntheit und/oder durch persönliche Begegnungen auf ihre Seite gezogen haben. Kippels und Seif genossen als Platzhirsche sicher Vorteile, Spielmanns und Kanonenberg machten dies aber durch Engagement und Sympathiepunkte wett.
Für die Kommunalwahl im September bedeutet dies: Es kommt mehr denn je auf Glaubwürdigkeit und Authentizität an.
Der Generationenwechsel ist ausgeblieben: Kippels ist 65 Jahre alt, gehört seit 2013 dem Bundestag an. Seif ist 62, wurde erstmalig 2009 gewählt. Mit ihrer Entscheidung Ende 2024, sich für eine weitere Legislaturperiode zu bewerben, haben sie in ihren jeweiligen Kreisverbänden für die nächsten vier Jahre für Stillstand gesorgt. Rüdiger Lucassen (AfD), der dritte Abgeordnete aus den beiden Wahlkreisen, der dem neuen Bundestag angehören wird, ist 73.
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Dr. Georg Kippels und Detlef Seif (v.l). sind erfahrene Bundespolitiker. Hier sind sie mit Romina Plonsker, der CDU-Vorsitzenden im Rhein-Erft-Kreis, zu sehen.
Copyright: Bernd Woidtke
Der Einfluss der Politik aus dem Rhein-Erft-Kreis auf Entscheidungen in Berlin ist geschmolzen: Während es nach der Bundestagswahl 2021 noch sechs Abgeordnete aus den beiden Wahlkreisen nach Berlin schafften, sind es nur noch drei. Dagmar Andres (SPD) trat nicht mehr an. Ihre Nachfolgerin Andrea Kanonenberg unterlag Seif klar und war als Newcomerin auf der Landesliste nicht abgesichert. Markus Herbrand aus Gemünd konnte den freien Fall seiner FDP nicht aufhalten und muss seine Koffer in der Bundeshauptstadt packen. Ebenso Eugen Schmidt, der bei der AfD ins Abseits geraten war und nicht mehr kandidiert hatte.
Bundespolitik ist Männersache: Ein Blick auf das Bewerber-Tableau in den beiden Wahlkreisen zeigte: Es ist ein Bewerber-Tableau und kein Bewerberinnen-Tableau. Unter 17 Kandidaten von neun Parteien war Andrea Kanonenberg die einzige Frau.
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Björn Leschny und Christian Schubert (v.l.) traten für die Grünen an. Schubert steht mit Birgit Vonester an der Spitze der Kreispartei.
Copyright: Grüne
Selbst die Grünen, die immer auf Geschlechter-Gleichheit achten, schickten mit Björn Leschny und Christian Schubert zwei Männer ins Rennen. Das war so nicht geplant. Ursprünglich sollte Stephanie Bethmann aus Erftstadt antreten – bei der zunächst für September geplanten Wahl. Sie sagte jedoch aus persönlichen und privaten Gründen ab.
Die FDP vertraute auf die bekannten Gesichter, die Linken setzten auf zwei weithin unbekannte Kandidaten – auch hier: Frauen Fehlanzeige. Bei der AfD lohnt kaum der Blick aufs Tableau: Selbst bei der Aufstellung der NRW-Landesliste verirrte sich unter die ersten 40 Plätze nur eine einzige Frau. Bei derselben Veranstaltung sicherte sich Rüdiger Lucassen Rang fünf – das sichere Ticket nach Berlin.
In Bergheim, Bedburg und Elsdorf legte die AfD am meisten zu
Bei den kleineren Parteien wie Freie Wähler, Volt oder Bündnis Deutschland stellt sich die Situation etwas differenzierter dar. Sie müssen mitunter froh sein, wenn sich eines ihrer Mitglieder überhaupt bereit erklärt, seine Freizeit für einen Wahlkampf zu opfern, an dessen Ende der sichere Nicht-Einzug in ein Parlament steht.
Im Nordkreis entstehen AfD-Hochburgen: Was sich bereits bei der Europawahl 2024 abzeichnete, gewann am Sonntagabend deutlich schärfere Züge. Die Alternative für Deutschland macht der CDU und vor allem der SPD massiv Konkurrenz: In Elsdorf gab jeder Vierte der AfD seine Stimme, in Bedburg und Bergheim kam die in Teilen rechtsextreme Partei bei den Zweitstimmen auf 20 Prozent. In diesen drei Städten verzeichnete die AfD zugleich ihre größten Gewinne, in manchen Stadtteilen ist sie bereits stärkste Kraft.
Auch südlicher, in Wesseling, ist sie stark vertreten, kommt auf 18,8 Prozent. Den geringsten Rückhalt im Kreis hat die AfD in Brühl und in Pulheim mit 11,9 und 12,1 Prozent. Dort sowie in Erftstadt und Kerpen sind die Widerstände gegen einen Rechtsruck in der Gesellschaft am größten – zumindest zu urteilen nach der Teilnehmerzahl bei Demonstrationen in den Wochen vor der Bundestagswahl. Fakt ist: Ignorieren können die Wahlkämpfer der anderen Parteien die AfD-Stimmenzuwächse mit Blick auf die Kommunalwahl im Herbst nicht.
Es bleibt spannend, abzuwarten, mit welchem Personal die AfD in Kommunal- und Kreistagswahl gehen wird. Auch Beispiele anderer Parteien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass in der Wählergunst sehr schnell wachsende Parteien schwer mit der Besetzung von Kandidatinnen und Kandidaten Schritt halten können.
Jamaika im Kreis ist nicht mehr sicher: Zwar bleibt den Parteien bis zu den Wahlen im September noch mehr als ein halbes Jahr Zeit und lässt das Ergebnis einer Bundestagswahl nicht zu 100 Prozent Rückschlüsse auf eine Wahl auf kommunaler Ebene zu; aber dennoch wird es darauf ankommen, wie schnell sich Grüne und FDP nach der Wahlniederlage von Sonntag schütteln und die Wählerinnen und Wähler von ihren Themen überzeugen können.
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Willi Zylajew, hier im Gespräch mit Dierk Timm (SPD), gilt als Architekt der Jamaika-Koalition im Kreistag.
Copyright: Oliver Tripp
Auch die CDU im konservativ geprägten Rhein-Erft-Kreis braucht stabile Partner, falls die Jamaika-Koalition im Bergheimer Kreishaus eine Fortsetzung finden soll. Die AfD wird nach wie vor keine Option sein, auch wenn Willi Zylajew nicht mehr Fraktionsvorsitzender ist und Gregor Golland dessen Amt übernommen hat. Der ehemals starke Mann der CDU hatte eine Zusammenarbeit mit der AfD – wie auch mit den Linken – kategorisch ausgeschlossen.
Keine Wahl ohne Panne(n): Während die meisten der in Frechen abgegebenen 31.021 gültigen Stimmen bereits zwischen 19 und 20 Uhr in den Wahllokalen ausgezählt waren, dauerte es am Standort Hauptschule Herbertskaul besonders lange. Dort kam das Ergebnis erst um 23.09 Uhr, das vorletzte im gesamten Kreis.
In dem Wahllokal mussten 723 gültige und 15 ungültige Stimmen ausgewertet werden, die Wahlbeteiligung dort lag bei nur 54,8 Prozent. In ganz Frechen war die Wahlbeteiligung mit 84 Prozent deutlich höher.
Als Begründung für das verspätete Ergebnis der Stimmen-Auszählung nannte ein Sprecher der Stadt Frechen „eine erste Zähldifferenz, der es beizukommen galt“. Er kommentierte gelassen: „Für uns spielen Uhrzeiten weniger eine Rolle, so dass wir hierüber kein „Buch führen“.
Hängepartie auch in Erftstadt, wovon der Wahlkreis 91 betroffen war, weshalb lange kein vorläufiges amtliches Endergebnis vorlag. Mit zwei Minuten Rückstand zu Frechen bildete das Erftstädter Wahllokal Kierdorf das Schlusslicht bei der Stimmen-Auszählung im Kreis. Dort ging die endgültige Meldung der 944 gültigen Stimmen um 23.11 Uhr ein. Noch länger, bis 23.31 Uhr, dauerte die Auszählung von 1159 gültigen Stimmen in einem Briefwahlbezirk. Zur Erinnerung: Die Wahllokale hatten um 18 Uhr geschlossen.
Die Wahlbeteiligung im Kierdorfer Wahllokal lag bei 52,3 Prozent, während es in ganz Erftstadt eine Wahlbeteiligung von 85,4 Prozent gab. Es wurden insgesamt 32.859 gültige Stimmen abgegeben. Als Grund für die Verzögerung gibt ein Sprecher der Stadt an: „Er liegt darin, dass nach der ersten Auszählung das Ergebnis rechnerisch nicht stimmen konnte, so dass noch einmal neu ausgezählt werden musste, um das korrekte Ergebnis zu ermitteln.“